Pflegeheimskandal ist Thema im Wahlkampf

Laut nö. Pflegeanwaltschaft gehe man in Heime, um Beschwerden aufzunehmen (Symbolbild)
Zwei der Verdächtigen waren bereits wieder in einem Wiener Heim tätig. Deshalb gibt es nun den Ruf nach Gesetzesänderungen. Sozialminister fordert Bundesagentur für schärfere Kontrolle.

Im Fall des mutmaßlichen Missbrauchsskandals von Kirchstetten in Niederösterreich überschlagen sich die Ereignisse. Am Mittwoch wurden zwei Verdächtige verhaftet, die ob der schweren Vorwürfe gegen sie in einem anderen Pflegeheim, das ebenfalls einem privaten kirchlichen Träger unterstellt ist, weitergearbeitet hatten. Deshalb habe Tatbegehungsgefahr bestanden, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft St. Pölten.

Aber wie konnte es dazu kommen? Wie kann es sein, dass jemand, der wehrlose Patienten geprügelt, gequält und möglicherweise auch sexuell missbraucht haben soll, so schnell wieder einen Job findet? Tätig sollen die Beschuldigten zuletzt in Wien gewesen sein.

Diese Frage beschäftigt auch Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien. "Die Vorwürfe sind nun schon seit einem Jahr bekannt. Ich frage mich, warum ein Verfahren, in dem es um derart schwere Vorwürfe geht, schon so lange dauert?" Tatsächlich ist es so, dass die Verdächtigen eine Gesetzeslücke ausgenützt haben sollen. Da weder eine Anklage vorliegt, geschweige denn ein Urteil in der Causa gesprochen wurde, gibt es auch keinen Vermerk im Strafregisterauszug. Hacker: "Wir werden uns deshalb mit Pflegeorganisationen zusammensetzen und darüber sprechen, ob es nicht einer Gesetzesänderung bedarf. Eine Möglichkeit wäre, sich am Ärztegesetz zu orientieren. Darin heißt es, dass unter bestimmten Voraussetzungen während eines laufenden Verfahrens keine Berufsausübung möglich ist."

Das Thema ist nun aber auch im Wahlkampf angekommen. Sozialminister Alois Stöger spricht von einem "unfassbaren und erschütternden Verbrechen" und verlangt als Konsequenz eine bundesweite und unabhängige Kontrolle solcher Pflegeeinrichtungen. Die SPÖ schlägt daher die Einrichtung einer "Bundesagentur für Qualitätssicherung in Gesundheit und Pflege" vor, die künftig etwa die Qualifikation der Pfleger prüfen, aber auch ein Auge auf die Transparenz von Wartezeiten oder Dokumentationen haben soll. Angesichts dieser Aussagen stellt sich die Frage, ob in Kirchstetten in den vergangenen Jahren keinerlei Kontrolle stattgefunden hat?

Laut der zuständigen niederösterreichischen Soziallandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) habe es Überprüfungen gegeben. Das Clementinum sei, was sehr selten ist, insgesamt drei Mal zertifiziert worden, zum letzten Mal im November 2014 durch das Sozialministerium selbst. Zertifizierungen haben Besuche und Kontrollen der durchführenden Stellen zur Folge.

Frühwarnsystem

Nach Bekanntwerden der Anzeige im Oktober 2016 habe die Sozialabteilung des Landes sofort reagiert. Vier Mitarbeiter wurden sofort entlassen, die Leitung des Hauses wurde mit 1. Dezember 2016 neu besetzt. Alle potenziell betroffenen Opfer wurden medizinisch untersucht und die Angehörigen schriftlich und bei einer Angehörigenversammlung über die Vorwürfe informiert. "Bei der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft, die ja auch für Pflegeagenden zuständig ist, wurde ab April 2017 eine niederschwellige und anonyme Beschwerdestelle eingerichtet, an die sich Betroffene, Angehörige und auch Mitarbeiter aus der Pflege wenden können. Die neue Stelle agiert auch im Sinne eines proaktiven Frühwarnsystems", sagt Schwarz.

Laut NÖ-Pflegeanwalt Gerhard Bachinger sei die anonyme Beschwerdestelle seither kaum genutzt worden. "Das ist aber nicht überraschend. Wir gehen mit unserem Team seit April proaktiv in die Heime."

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