Österreich als Paradies der Tachosünder

40 Prozent aller ausländischen Lkw-Fahrtenschreiber sind manipuliert.
Lkw-Manipulationen: Frächter holen Behörden und Gewerkschaft ins Boot. Sie fordern endlich strengere Strafen.

"Es gibt Lkw-Fahrer, die sind regelrecht froh, wenn sie endlich aufgehalten werden. Die kippen bei Kontrollen fast aus dem Fahrersitz, bis oben hin voll mit Amphetaminen." Gewerkschafter Karl Delfs (vida, Fachbereich Straße) kennt die schmutzigen Seiten des internationalen Frachtverkehrs. Die Bedingungen bei vielen ausländischen Transportfirmen seien brutal. Die Fahrer bekämen nur kleine Fixbeträge bezahlt, der Rest des Lohns ergebe sich über abgespulte Kilometer. "Die verdienen nur, wenn die Räder rollen." Um gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten würden sich deshalb viele nicht kümmern. Und vielfach "unterstützen" die Fahrzeughalter ihre Chauffeure mit illegalen Methoden: Manipulierte Fahrtenschreiber werden ein immer größeres Problem im internationalen Transportgeschäft.

Deutlich mehr als ein Drittel aller ausländischen Lkw fährt mit Tacho-Störsystem. "Im Ausland wird zu 40 Prozent manipuliert", weiß Karl Gruber, Obmann der nö. Güterbeförderer. "Und im Inland sind es auch schon zehn bis 15 Prozent." Eine Entwicklung, die der Branchenvertreter nicht mehr schweigend hinnehmen will. "Jede Manipulation eines eingebauten Kontrollgeräts ist eine kriminelle Handlung, die wir mit aller Entschiedenheit verurteilen." Die Fachgruppe will jetzt mit Polizei, Asfinag sowie Behörden, Gewerkschaft und Branchenspezialisten zurückschlagen. Kein leichtes Unterfangen.

Strafverfolgung

"Die Manipulationen sind eine ernst zu nehmende kriminelle Entwicklung", sagt Oberst Willy Konrath von der Verkehrsabteilung NÖ.

Strafverfolgungsbehörden hinken mitunter hinterher. Zuletzt wurde diskutiert, wo das Delikt der Tachomanipulation strafrechtlich überhaupt anzusiedeln ist.

"Zuerst waren Bezirksgerichte zuständig", sagt Konrath. Diese verhandeln eigentlich kleinere Delikte, die meist nur mit überschaubaren Geldstrafen geahndet werden. Auf Anraten der Polizei wurde jetzt die Staatsanwaltschaft mit den Fällen befasst.

Beschleunigt wurde die Strafverfolgung damit nicht. Bei Lkw-Kontrollen sind für eingehende Untersuchungen etwa an der Elektronik des Fahrzeugs, staatsanwaltliche Entscheidungen notwendig. Zudem mangelt es an Experten, wie Gewerkschafter Delfs sagt: "Wir brauchen viel mehr Sachverständige und eine rechtliche Reform, um rascher handeln zu können. Und vor allem strengere Strafen."

4000 Euro

Die Erfahrung zeige, dass selbst bei wiederholten Vergehen in Österreich nur 3500 bis 4000 Euro Strafe fällig würden. "Das zahlen Unternehmer aus der Portokasse", sagt Delfs. "Es gibt mittlerweile eigene Guides, die den Fahrern sagen, in welchen Ländern sie relativ gefahrlos mit manipulierten Geräten fahren können. Österreich zählt leider dazu." Dagegen würden in Frankreich Strafen bis zu 30.000 Euro verhängt. "Da müssen auch wir hin, um ernsthaft gegen dieses Lkw-Sklaventum vorzugehen."

Ebenfalls schwierig ist die Kontrolle der Mautdaten. Asfinag-Systeme ermöglichen, Fahrtrouten anhand der Kennzeichen auszulesen. Der Datenschutz verhindert aber den leichten Zugriff auf diese Aufzeichnungen.

Die heimischen Frächter fordern jedenfalls volle Härte gegen Tachosünder: Geldstrafen, Konzessionsentzug und Berufsverbot. Auch deshalb, weil Manipulationen alle Sicherheitssysteme im Lkw lahm legen; die Unfallgefahr steigt somit rapide. Auch dieser Umstand war aber bisher noch kein Grund für einen einzigen Konzessionsentzug in Österreich. Grundlage dafür wäre eine rechtskräftige Verurteilung – eine solche steht bisher aus.

"Bis zum Oktober 2012 hätte jedes Volksschulkind einen Lkw-Fahrtenschreiber manipulieren können. Das ist heute so nicht mehr möglich. Die Manipulation wurde industrialisiert." Das sagt einer, der es wissen muss. Michael Reim ist Vertreter der Continental Automotive GmbH, einem starken Player in Sachen gesetzeskonformer Tachografen-Technik: "Etwa 70 Prozent aller Lkw fahren mit unseren Systemen."

Grundsätzlich geht es bei den Manipulationen darum, dem System vorzugaukeln, dass der Lkw steht, obwohl das Fahrzeug fährt. Damit registriert der Tachograf "Ruhezeit", während der Fahrer Kilometer frisst. Seine Aufzeichnungen bleiben "sauber", bei Kontrollen kann er angeben, gesetzlich vorgeschriebene Fahrtpausen eingehalten zu haben.

Wo früher ein simpler Magnet genügte, um den Fahrtenschreiber zu manipulieren, steckt heute ein ganzer Industriezweig dahinter. Grund dafür sind restriktive Vorgaben der EU. Seit Oktober 2012 sind leicht manipulierbare Fahrtenschreiber nicht mehr zulässig. Die neuen Systeme erkennen, ob mit Magneten getrickst wird.

Heute werden illegale Systeme als Komplettlösung angeboten, hochkomplexe Sensoren mit Fernbedienung inklusive. "Das sind keine Garagen-Schrauber mehr", sagt Experte Reim.

Vertrieben werden solche Systeme über dubiose Anbieter vorwiegend im Internet. Startpreis: rund 1000 Euro – ohne Einbau. Mit dem Erwerb der Systeme ist es nämlich nicht getan. Sie müssen in speziell ausgerüsteten Werkstätten professionell verbaut und installiert werden. "So etwas macht niemand zufällig. Da steckt kriminelle Energie dahinter."

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