Nachhilfe für die Generation YouTube

Screenshot eines Nachhilfe-Clips
Lehrer produziert Videos für seine Schüler – wie sieht der Umgang mit Videos sonst an Schulen aus?

Er ist nicht der klassische YouTube-Star bei dem Jugendliche zu kreischen beginnen, wenn sie ihn sehen. Trotzdem produziert Gerald Weihs Medieninhalte für genau diese Altersgruppe. Seit Sommer betreibt er seinen eigenen YouTube-Kanal.

Weihs unterrichtet Mathematik an der Polytechnischen Schule Hollabrunn. "Ich wollte einen Weg finden, Schüler zu erwischen, die langsamer sind oder die krank waren und deswegen nicht am Unterricht teilnehmen konnten", erklärt Weihs. Diese Schüler sollten nicht auf der Strecke bleiben. Immerhin würden die Unterrichtsstunden stetig gekürzt, die Stoffmengen blieben aber gleich. "Ich kann nicht denselben Stoff zehn Mal wiederholen", sagt Weihs.

Nachdem der Lehrer in den Ferien ein Buch über die Generation Smartphone gelesen hatte, war ihm klar: Ein YouTube-Kanal war die Lösung seines Dilemmas.

"The White Classroom"

"Die Videos sind keineswegs professionell. Da sind Versprecher drinnen oder mir fällt mal der Stift runter. Im Endeffekt ist das auch egal, es geht um den Inhalt", sagt Weihs. Etwa eine halbe Stunde braucht er für die fünf- bis zehnminütigen Videos. Inzwischen hat er zahlreiche Clips produziert und zusätzlich die Facebook-Seite "The White Classroom" eingerichtet, wo er die Videos teilt, "um noch besser an die Schüler zu kommen".

Videos wie jene von Weihs werden von Schülern dankbar angenommen, meint Martin Sankofi, Experte für den schulischen Videoeinsatz an der Pädagogischen Hochschule. "Mittlerweile gibt es schon einige, die das machen. Aber es ist viel zusätzlicher Aufwand und nicht jeder ist bereit, den zu erbringen", sagt er.

Kritischer Umgang

YouTube und Schule gehen schon seit geraumer Zeit gemeinsame Wege. Die Videos werden auch im Unterricht eingesetzt. Sankofi etwa unterrichtet Englisch und Spanisch und nutzt die Clips, um zum Beispiel verschiedene Dialekte zu zeigen. "Es gibt viele Videos, in denen Inhalte gut vermittelt werden. Das Problem ist nur, dass es recht aufwendig ist, das Material zu recherchieren", sagt Medienpädagoge Christian Swertz von der Universität Wien. Die Lehrer müssen darauf achten, dass die Inhalte weltanschauliche Neutralität vermitteln und dass das Werbeverbot eingehalten wird.

Aber vor allem helfen die Videos den Schülern bei der Nachhilfe. Kamen Schüler früher im Unterricht nicht mit, gab es nur zwei Möglichkeiten: ein Mitschüler, der sich erbarmt und den Stoff noch einmal erklärt oder ein (teurer) Nachhilfelehrer.

Mit YouTube ist eine weitere Lernmöglichkeit hinzugekommen. Die Videos sind geduldig, lassen sich stoppen und beliebig oft wiederholen. Plattformen wie "The Simple Club" aus Deutschland sind dabei besonders beliebt – sie laden professionelle Videos zu verschiedenen Fächern hoch.

"Ohne YouTube hätte ich meinen letzten Physiktest niemals geschafft", sagt etwa die 16-jährige Chiara W. "Insbesondere bei der Nutzung daheim ist es wichtig, den Schülern die Kompetenz zu vermitteln, die Inhalte richtig zu bewerten", sagt Swertz. Deshalb sei es erfreulich, dass seit diesem Schuljahr das Fach Digitale Grundbildung als Pilotprojekt an 169 Schulen eingeführt wurde. Österreich ist damit ein Vorreiter auf diesem Gebiet.

Eduthek soll Lehrern helfen

Der Medienpädagoge Christian Swertz von der Universität Wien hält den Einsatz von Videos als Unterrichtsmaterial prinzipiell für sinnvoll. Was bisher in Österreich seiner Meinung nach fehlt, ist eine Clearingstelle. „Die inhaltliche, formale, didaktische und rechtliche Korrektheit von Inhalten im Einzelfall zu beurteilen, kann Lehrern kaum zugemutet werden“, sagt Swertz. „Eine solche Clearingstelle ist daher im Zusammenhang mit dem Aufbau der ,Eduthek‘ in Diskussion“, fährt der Medienpädagoge fort.


Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie „Schule 4.0“ hat das Bundesministerium für Bildung ein Konzept vorgelegt, das unter anderem den Umgang mit Videos im Unterricht behandelt. Einerseits wurde in diesem Schuljahr das Pilotprojekt mit Digitaler Grundbildung gestartet und soll ab kommendem Schuljahr flächendeckend realisiert werden. Andererseits wurden eben auch die Weichen für eine ,Eduthek‘ gestellt. Um digitale Inhalte besser vermitteln zu können, sollen Lehrer einfachen und kostenfreien Zugang zu digitalen Lehr- und Lernmaterialien erhalten.

„Bei der Clearingstelle sollen ein paar Leute damit beschäftigt sein, das Material auszuwählen, damit dann alle Lehrer darauf zugreifen können“, sagt Swertz. Das Konzept dafür stehe bereits, es werde derzeit am Aufbau gearbeitet und demnächst umgesetzt.

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