Mindestsicherung: Senioren müssen nicht "gemeinnützig arbeiten"

Die 84-Jährige Anna Wachterwar fassungslos und wandte sich an AKNÖ-Präsident Markus Wieser
ÖVP verteidigt neues Gesetz. Kritik kommt hingegen von Sozialrechts-Experten.

Zu einem Gegenschlag in der Causa "Verpflichtung zu gemeinnütziger Hilfstätigkeiten" von Mindestsicherungsbeziehern holte am Freitag ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner aus. Wie berichtet, war einer 84-Jährigen von der Gemeinde Horn ein diesbezügliches Schreiben zugestellt worden.

"Diese Geschichte war ein parteipolitisches Manöver. Markus Wieser (AKNÖ-Präsident, Anm.) hat die Arbeiterkammer einmal mehr für SPÖ-Politik missbraucht", sagt Ebner. Es sei wider besseren Wissens ein Skandal herbeigeschrieben worden, um die Reform der Mindestsicherung schlecht zu machen. "Da bereitet sich wohl einer als ’zuerst nicht, jetzt doch-Kandidat’ der SPÖ für die Landtagswahl vor." Der ÖVP-Politiker spricht ebenfalls von einem Fehler der Gemeinde Horn. Im neuen Mindestsicherungsgesetz, das mit 1.1. 2017 in Kraft trat, sei klar festgelegt, dass Menschen, die das Regelpensionsalter erreicht haben, nicht zu gemeinnützigen Tätigkeiten herangezogen werden können.

Spielraum

Tatsächlich werden diese sowie weitere Ausnahmen in einem Paragrafen zum "Einsatz der Arbeitskraft" festgelegt. Auf diesen bezieht sich wiederum der Paragraf zum Thema "Hilfstätigkeiten". Allerdings sprechen Juristen trotzdem von einer sehr schwammigen Gesetzesformulierung. So sei im Gesetz nirgends festgelegt, was "gemeinnützig" überhaupt heißt. "Das gibt der Gemeinde sehr viel Spielraum zu sagen, du musst das jetzt tun", sagt AKNÖ-Sozialrechtsexperte Maximilian Weh. Der Bürgermeister könne theoretisch nach Belieben Tätigkeiten vorschlagen. Und auch, wenn Pensionisten von der Arbeitspflicht ausgenommen seien, treffe das auf Teilzeitkräfte nicht unbedingt zu.

Einschätzung durch Juristen

Ähnlich sieht das auch Walter Pfeil, Sozialrecht-Professor der Universität Salzburg. "Was genau die gemeinnützigen Hilfstätigkeiten sind, lässt sich aus dem Gesetz nicht herauslesen", sagt er. "Das ist ist sehr schwammig und überlässt der Behörde einen gewissen Spielraum." Der Experte sieht auch die Gefahr von Sozialdumping, wenn Leistungen – etwa die Reinigung des Gemeindeamts – von Mindestsicherungsbeziehern erbracht werden könnten anstatt von Gewerbebetrieben. "Meine Sorge gilt zunächst den Menschen die de facto gezwungen werden, Hilfstätigkeiten auszuüben, aber auch denen, die dann in Konkurrenz stehen." Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass rein aufgrund des Wortlauts des Gesetzestextes Teilzeitkräfte, auch mit Kindern, von der Verpflichtung betroffen sind. Die Bestimmungen müssten sehr eng ausgelegt werden. Generell kritisiert der Experte das neue Mindestsicherungsgesetz stark. "Man will nicht, dass Leute die Mindestsicherung in Anspruch nehmen. Zum Teil wird sicher rechtlich über das Ziel hinausgeschossen."

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