Maria Enzersdorf: Selbstjustiz nach Anzeigenflut

Am Wochenende malten Unbekannte den Hinweis "Anzeiger" auf die Straße
Selbsternannter Privatsheriff wurde mit aufgemaltem Hinweis geoutet.

"Es ist echt irre", sagt eine Nachbarin, während immer wieder Autofahrer ihr Tempo verlangsamen und eine bestimmte Adresse suchen. Die Causa rund um die Anzeigenflut in Maria Enzersdorf, Bezirk Mödling, ist in den vergangenen Tagen weiter eskaliert.

Wie berichtet, drangsaliert ein Bewohner seit 2015 seine Nachbarn wegen jedes Regelverstoßes. Mehr als 600 Anzeigen sind alleine heuer bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling eingelangt, seit 2015 waren es mehr als 1000. Angezeigt wird etwa Falschparken bei der nahen Müllinsel oder das Überfahren der Mittellinie mit zwei Rädern in der Kurve. Der Mann dürfte die Verkehrssünder von seinem Haus aus fotografieren.

"Anzeiger"

In der Nacht auf Samstag haben Unbekannte nun in Blockbuchstaben das Wort "Anzeiger" auf die Straße geschrieben – mit einem Pfeil zu Adresse das selbst ernannten Privatsheriffs. Zudem ermittelt die Polizei wegen gefährlicher Drohung, nachdem der Mann einen Drohbrief erhalten hatte. Dem Vernehmen nach sollen zuvor bereits einmal Exkremente im Postkasten gelandet sein.

"Damit sind wir in der Spirale wieder ein Stück weiter", sagt Bürgermeister Johann Zeiner (ÖVP). "Leider Gottes war aufgrund der Vorgehensweise des Mannes früher oder später damit zu rechnen, dass jemand entsprechende Handlungen setzt."

Unter Generalverdacht

Ärger Der Unmut in dem Grätzel ist enorm. Anrainer fühlten sich aufgrund falscher Verdächtigungen bereits dazu gezwungen, Schilder auf dem Gartenzaun anzubringen, auf denen sie ihre Unschuld beteuern. "Natürlich gerät man unter Verdacht", sagt Nachbar Hans H., der an seinen Baum im Vorgarten eine Tafel mit dem Schriftzug "Wir sind’s nicht!!!" aufgehängt hat. Immer wieder hätten ihn Leute angesprochen und gefragt, ob er der Anzeiger sei. Andere Anwohner hätten mittlerweile Angst, dass die Situation eskaliere. H. war es auch, der den Schriftzug "Anzeiger" Samstagfrüh auf der Straße entdeckte und die Gemeinde informierte. Die ließ ihn am Montag wieder entfernen.

Die Behörden sind derzeit machtlos. Da der Mann tatsächliche Verwaltungsübertretungen – wenn auch Bagatelldelikte – anzeigt, muss die BH diesen nachgehen. In den vergangenen drei Wochen habe es aber kaum neue Anzeigen gegeben, sagt BH-Chef Philipp Enzinger. Ob der Mann gegen das Datenschutzgesetz verstößt, wird noch geprüft.

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