Lohndumping bringt Strafen-Rekord

Finanzpolizisten haben ausländische Arbeitstrupps im Visier
Zu viele arbeiten ohne Dokumente in Österreich. Pönalen sind um 60 Millionen Euro gestiegen.

Der weiße Kastenwagen, auf dem breit die Anschrift einer Wiener Elektrofirma prangt, hat zwei Schönheitsfehler: Die Kennzeichen sind aus Tschechien. Damit pilotiert der Lenker geradewegs in eine Kontrolle am Grenzübergang Drasenhofen. Die Finanzpolizei hat am Mittwoch frühmorgens eine Schwerpunktaktion angesetzt. Die Beamten sind auf der Suche nach ausländischen Firmen, die ihre Arbeiter illegal in Österreich werken lassen. Am Ende des Tages werden die 88 Mann an der Grenze und im nö. Hinterland 130 Betriebe kontrolliert haben. Ihre Bilanz liegt bei rund 50 Anzeigen.

Der Kampf gegen "Lohn- und Sozialdumping" steht heuer im Fokus der Behörde. Die Finanzpolizei macht aber insgesamt mehr Druck als früher: Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will das Budget auch mit Hilfe gesteigerter Strafeinnahmen sanieren. Fast 70 Millionen Euro Verwaltungsstrafen wurden im Vorjahr eingenommen – wegen Schwarzarbeit, Sozialdumpings oder anderen Vergehen. Dazu kommen 30 Millionen Euro an eingetriebener Glücksspiel-Abgabe. Mit Pfändungen in der Höhe von 37 Millionen Euro und NoVA-Nachzahlungen (Kfz-Abgabe) von 1,6 Millionen Euro betrug der Gesamtbetrag im Vorjahr rund 140 Millionen Euro. "Das ist eine deutliche Steigerung zu den Jahren davor", sagt Österreichs oberster Finanzpolizist, Wilfried Lehner. 2014 lag die Summe noch bei 80 Millionen Euro. Damals waren die Strafhöhen bei Schwarzarbeit zwar höher, für Lohndumping oder Glücksspiel aber deutlich geringer.

"Hereinarbeiten"

Große Sorgen bereiten der Finanz Unternehmen aus dem EU-Ausland, die mit Dumpinglöhnen österreichische Gesetze unterminieren. Auch die heimische Wirtschaft stöhnt ob der unzähligen ausländischen Arbeitskräfte.

Rund 150.000 EU-Ausländer haben im Vorjahr nach Österreich "hereingearbeitet", wie das im Fachjargon heißt – 2011 waren es noch 26.000. Diese Zahlen betreffen aber nur die offiziell bei der zentralen Koordinationsstelle Gemeldeten. Die Dunkelziffer jener, die ohne entsprechende Dokumente in Österreich arbeiten, ist deutlich höher.

Besonders betroffen ist die Baubranche. "Es gibt Großbaustellen im Wiener Bereich, wo fast kein inländischer Unternehmer mehr beteiligt ist. Dort kommen die Arbeiter aus aller Herren Länder", sagt Lehner. Und viele davon bekommen – illegalerweise – gerade einmal ein Viertel vom Lohn, den der Kollektivvertrag vorschreibt.

"Es geht um Fairness", sagt die Präsidentin der Wirtschaftskammer NÖ, Sonja Zwazl, die die Kontrollen begrüßt. Sie appelliert vor allem an die heimischen Auftraggeber, im Hinblick auf österreichische Arbeitsplätze umzudenken. "Wer soll denn die vielen billig gebauten Wohnungen mieten, wenn die Österreicher kein Geld mehr haben?"

Die Finanzpolizei hat ebenfalls die Bauherren im Visier: Bei Verstößen kann ein Zahlungsstopp verhängt werden: Der österreichische Auftraggeber darf dann nichts mehr an ausländische Unternehmer zahlen. "Damit steht auch die Baustelle", sagt Lehner. 2015 durften rund 476.000 Euro nicht ausbezahlt werden.

"Guten Morgen!", "Bitte", "Danke" – die Umgangsformen der Finanzpolizisten sind beim KURIER-Lokalaugenschein am Mittwoch tadellos. Die kontrollierten Lenker werden bestimmt, aber höflich um ihre Dokumente gebeten. Ein professioneller Auftritt.

Das empfanden kontrollierte Unternehmer in Niederösterreich in der Vergangenheit nicht immer so. Etwa jene Wirtin, die gerade dabei war, eine Seminargruppe in ihrem Landgasthaus im Bezirk Melk einzuchecken, als drei Beamte in Zivil einfielen und ohne sich vorzustellen begannen, zu fotografieren und Gäste zu befragen.

Im Dezember wurde auf Initiative von Landeshauptmann Erwin Pröll eine Ombudsstelle für solche Fälle eingerichtet. Seit dem Start gab es dort insgesamt 27 Anfragen. "Die meisten davon kommen aus der Gastwirtschaft und der Baubranche", berichtet Beatrix Exinger von der Ombudsstelle. "Wir nehmen die Beschwerden auf und besprechen sie – gesammelt – mit dem Finanzministerium." Die meisten Beschwerdeführer wollten anonym bleiben, anonym werden die Anliegen daher auch weitergegeben. Somit sei bei konkreten Fällen meist schwer zu ermitteln, welche Erfolge die Beschwerde gebracht hat. "Aber unser Gesprächsklima mit dem Finanzministerium ist sehr gut", sagt Exinger.

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