Kitchen confidential - Dinner im Geheimen

Schicke Restaurants und Küchenchefs sollten sich wappnen: Gegen private Esszimmer, gebastelte Tischdeko und selbsternannte Hobbyköche

Die Ära der Restaurants ist vorüber! Zumindest, wenn es nach den Fans des "Secret Dining" geht. Zu anonym, zu wenig neu, zu wenig Witz und manchmal auch einfach zu teuer - standardisiertes auswärts-essen ist in den Augen der Trendsetter etwas Verzichtbares geworden. Reduziert man den Akt des Essen-gehens auf das Wesentliche, bleibt: Satt-werden in netter Gesellschaft. In-Location samt Designermöblierung rückt dabei in den Hintergrund. Um dem Wunsch nach mehr Spaß und Nähe gerecht zu werden, wurde das "Secret Dining" ins Leben gerufen.

Erlaubt ist dabei alles - von herkömmlicher Hausmannskost im überfüllten Ein-Zimmer-Appartement bis hin zum politisch-korrekten Slow Food auf einer organischen Farm - diese sogenannten "Underground-Restaurants" galten lange Zeit als das am besten gehütete Geheimnis der kulinarischen Welt seit dem Originalrezept der Sachertorte.

Per Mundpropaganda zum geheimen Ess-Treff

Auch "Private Dining" oder "Ghetto-Gourmet" genannt, geht es bei einem secret Dinner darum, einen Teil Freunde mit einem Teil Fremder zusammen zu bringen, um die altbackene Dinner-Gesellschaft ein wenig aufzumischen. Wie man nun als Fremder zu einer solchen Einladung kommt, kann auf vielen Wegen passieren. Am besten immer noch: Mundpropaganda. Mittlerweile sind auch einige Event-Veranstalter schnell auf den Zug aufgesprungen, ehe er wieder abfährt. In Deutschland etwa, kann man sich zum sogenannten "Jumping Dinner" anmelden, bei dem mit drei Fremden in drei verschiedenen Wohnungen gespeist wird. Von "underground" und "secret" keine Spur mehr, interessant kann das aber trotzdem werden, vorausgesetzt man gibt sich offen und stellt keine allzu hohen Ansprüche an Koch und Küche.

Underground goes public

In den Vereinigten Staaten vor einigen Jahren noch als revolutionäre Idee gefeiert, scheint sich der Trend dort nun selbst zu überholen und sich dem Kommerz-Gedanken anzuschließen. Zu Beginn wurden "Secret Dinner" meistens von mittellosen Köchen ins Leben gerufen, um mangelnde Lizenz und fehlende Lokalität zu umgehen. Auch Auflagen des Gesundheitsamtes sind in dieser juristischen Grauzone übrigens keine zu beachten (oder zu beanstanden).
Der Gedanke des "Anti-Restaurants" wurde bald als kulinarische Revolution weitergetragen, um gegen den Kommerz der Celebrity-Köche zu protestieren, der Genuss und Kochkunst mancherorts zu überlagern drohte. Mittlerweile sieht das ein wenig anders aus. Viele Betreiber setzen auf stylishe Websites und Promo-Anzeigen, um die Massen anzuziehen. Die kommen zwar, doch dürften es genau jene sein, die es ursprünglich abzuwehren galt.

Mit Fragebogen zur Reservierung

Diejenigen, die sich dem Gedanken des "secret dining" öffnen sind trend-mässig bei uns übrigens noch immer ganz weit vorn - ist er doch sozusagen "thrill of the moment". Damit sich die Spannung dennoch in überschaubaren Grenzen hält und man sich nicht den unangenehmsten aller Mitmenschen direkt ins Wohnzimmer holt, lassen sich zuvor einige kleine Formalitäten klären. Mit einem kurzen, zuvor übersandten Fragebogen zu Beruf, Essgewohnheiten und Lieblingsrestaurant des interessierten Gastes, weiß man zumindest ungefähr was einem - im wahrsten Sinne des Wortes - ins Haus steht.

Ein abschließender Gedanke für Skeptiker:
Ein Gruppe Fremder, die sich in familiärer Atmosphäre zum Dinieren trifft? Und zum Dank fürs Bekochen, wird da vielleicht gleich noch das Silberbesteck eingesteckt? Könnte durchaus passieren, aber - mal ehrlich - wer hat denn heutzutage ohnehin noch Silberbesteck...?

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