Kinderheim in NÖ: Sonderkommission ermittelt

Kommission ermittelt in NÖ
Nach Gewalt-Vorwürfen gegen Jugendeinrichtung setzt Landesrat nun private Ermittler ein.

„Die tragischen Darstellungen von Missständen in einer Kinder- und Jugendeinrichtung erfordern vollständige Aufklärung. Sollte sich herausstellen, dass bedenkliche Erziehungsmethoden angewandt wurden bzw. grausame Einzeltaten geschehen sind, sind diese bedingungslos zur Verantwortung zu ziehen.“ SPÖ-Landesrat Franz Schnabl nimmt die Vorwürfe gegen eine Jugendeinrichtung im nö. Waldviertel sehr ernst. Die Grünen bringen eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft ein.

Wie berichtet, soll es in einer Wohneinrichtung der Therapeutischen Gemeinschaft (TG) zu Übergriffen und Erniedrigungen junger verhaltensauffälliger oder traumatisierter Schützlinge gekommen sein. Ein Ex-Mitarbeiter berichtete etwa, dass Kinder aus Strafe im Stehen essen oder ihr nass gemachtes Gewand waschen und in den Händen haltend trocknen mussten. Der angehende Psychotherapeut Thomas Laggner wurde nach eigenen Angaben von TG dienstfrei gestellt, weil er mit einem Facebook-Posting den Fall ins Rollen brachte. Im Oktober prangerte Laggner an, dass ein herzkranker 17-Jähriger in einem abgemeldeten Auto nächtigen musste, weil er von einer TG-Wohnstätte weggewiesen worden sein soll.

TG-Gründer Hermann Radler bestritt die Anschuldigungen vehement und kündigte rechtliche Schritte an.

Nun gelte es aber besondere Sensibilität an den Tag zu legen und darauf zu achten, dass die Aufarbeitung nicht zu Retraumatisierungen führe. Dafür politisches Kleingeld zu wechseln eigne sich eine so sensible Materie definitiv nicht, sagt Landesrat Schnabl.

"Ich habe die Installierung einer Sonderkommission in die Wege geleitet und die Familienrechtsanwältin Dr.in Simone Metz und Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer gebeten diese zu leiten. Diese werden sich - unabhängig von Behörde, Einrichtung und Politik - weitere Teammitglieder zusammenstellen, die bei der umfassenden Aufklärung unterstützen sollen. Es geht hier um das Wohl der Kinder und Jugendlichen, die bedauerlicherweise - aus unterschiedlichsten Gründen - nicht im eigenen Familienverbund aufwachsen können. Es muss unser Anliegen sein, dass diese in Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen können."

Vier Aufgaben

Die Kommission habe im Groben vier zentrale Aufgabenstellungen, so Schnabl weiter. Zu allererst wäre die Sichtung von Informationen und Unterlagen durchzuführen und in eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft münden zu lassen. Zum zweiten solle eine Hotline direkt in der Anwaltskanzlei eingerichtet werden - dorthin sollen, an besonders geschultes Personal, unter vollständigem Anonymitätsschutz, Hinweise gerichtet werden können und der weiteren Bearbeitung zugeführt werden. Weiters obliegt der Kommission die Evaluierung der Kontrollberichte und zu guter Letzt auch die des Kontrollsystems.

Fälle 2016 untersucht

Die genannten Fälle seien bereits im Herbst 2016 bekannt geworden, sagt der Leiter der NÖ Kinder- und Jugendhilfe, Mag. Reinfried Gänger. Die Staatsanwaltschaft habe die Causa eingehend untersucht und die Ermittlungen im Mai 2017 eingestellt - nach zahlreichen Einvernahmen Jugendlichen und Betreuern. Auch der von Thomas Laggner geschilderte Fall des Jugendlichen im Auto sei so nicht nachvollziehbar. Es habe sehr wohl ein Angebot zur Unterbringung gegeben, die der Jugendliche ausgeschlagen habe. "Die konstruierte Obdachlosigkeit war keine und der Jugendliche ist nun auch bereits wieder in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht", sagt Gänger. Es seien Jugendliche benutzt worden, um den persönlichen Konflikt eines ehemaligen Mitarbeiters mit dem Dienstgeber auszutragen. "Aber das ist Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung."

Die Grünen wollen von dieser Darstellung nichts wissen. Landessprecherin Helga Krismer hat angekündigt, nun erneut die Staatsanwaltschaft mit der Causa befassen zu wollen. Sie hat eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft eingebracht. "Das muss umfassend aufgearbeitet werden", so Krismer. Dabei sei auch die Landesregierung intensiv gefordert.

In Niederösterreich herrscht Aufregung um angebliche Missstände in einer Jugend-Wohneinrichtung des Bundesverbandes Therapeutische Gemeinschaften (TG). In der "ZiB 2" berichteten ehemalige Mitarbeiter und drei Jugendliche am Freitag von Erniedrigungen durch Betreuer. TG-Geschäftsführer Hermann Radler wies diese Vorwürfe in einer Aussendung am Samstag "zu 100 Prozent" zurück.

Kalt abgeduscht

Ein Facebook-Eintrag eines Sozialarbeiters über einen herzkranken Bewohner, der in einem Auto ohne Kennzeichen gehaust habe, weil er vom Heim weggewiesen worden sein soll, hat den Fall ins Rollen gebracht. Ein ehemaliger Mitarbeiter sagte in dem Fernsehbericht, dass Bewohner etwa kalt abgeduscht wurden oder im Stehen essen mussten. Ein Jugendlicher erzählte, ein Betreuer habe ihn am Hals genommen "und mich hingehaut". Er habe daraufhin ein Blackout gehabt.

"70er-/80er-Jahre-Pädagogik"

Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtete weiters, dass jene Leute, die solche Missstände melden, gekündigt würden und nicht jene, die derart handeln würden. Es herrsche eine "70er-/80er-Jahre-Pädagogik". Außerdem würde man bei Besuchen durch die Volksanwaltschaft das Team der Volksanwaltschaft ablenken, Kaffee anbieten und währenddessen Spuren beseitigen.

Geschäftsführer: "Verleumdungen"

"In keiner unserer Wohngemeinschaften werden Jugendliche erniedrigt noch medikamentös ruhiggestellt. Die Auswahl unserer Mitarbeiter erfolgt sehr gewissenhaft und mit großer Sorgfalt", hieß es in der Stellungnahme von TG-Geschäftsführer und Gründer Radler. Der Vorwurf bestürze ihn sehr. "Die TG ist nicht interessiert, aufwendige Prozesse gegen diese falschen Behauptungen zu führen. Im Zentrum steht das Wohl der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Dennoch sehen wir uns im Moment gezwungen, gegen diese Behauptungen rechtlich vorzugehen. Weil es sich um Verleumdungen handelt, wird es zur Anzeige betreffender Personen kommen", so Radler.

Zum konkreten Vorwurf des obdachlosen Jugendlichen, der in einem Pkw gehaust haben soll, erklärte die TG: Der Jugendliche sei aus der Einrichtung aufgrund von bestimmten Vorfällen polizeilich weggewiesen worden. Diese polizeiliche Maßnahme habe für den Jugendlichen ein Betretungsverbot der Unterkunft von zwei Wochen zur Folge gehabt. "Er wurde danach in einer Notunterkunft (mit 24-Stunden-Betreuung) der Therapeutischen Gemeinschaften untergebracht. Nach einem Monat wurde der Jugendliche - aufgrund erneuter Vorfälle - in der Notunterkunft wieder polizeilich weggewiesen, worauf wir die zuständige Bezirkshauptmannschaft informiert haben. Die Bezirkshauptmannschaft meldete ihn daraufhin bei den Therapeutischen Gemeinschaften ab und kündigte den Betreuungsvertrag auf", so die TG.

Grüne fordern lückenlose Aufklärung

Die Grüne Klubobfrau Helga Krismer forderte bereits eine lückenlose Aufklärung. Sie sei im Oktober via Facebook auf diese "Vorkommnisse" gestoßen. Am Montag will sie eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft und die Behörden in Niederösterreich richten. Krismer hat zu diesem Thema zu einer Pressekonferenz am Montag geladen.

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