Hoher Gewerkschafter als Opfer der Spitzel-Affäre

Jahrelang griffen Heeresangehörige unerlaubt auf Daten von Kollegen zu
Datenmissbrauch beim Heer: Minister schweigt zur Causa.

Die vom KURIER aufgezeigte Spitzel-Affäre im Bundesheer zieht weite Kreise. Wie berichtet wurden heikle persönliche Daten von Bediensteten heeresintern über Jahre unerlaubt eingesehen. Das beschäftigt jetzt Ermittlungsbehörden quer durch Österreich. Nun zeigt sich, dass auch hochrangige Heeresvertreter, darunter die Spitze der Personalvertretung, im Visier der Schnüffeleien gestanden sind.

"Kollegen haben mich darauf hingewiesen, dass sich möglicherweise jemand unerlaubt Zugang zu meinen Daten verschafft hat. Da habe ich mich genauer erkundigt und bin aus allen Wolken gefallen." Der gestandene Bundesheergewerkschafter Wilhelm Waldner ist geschockt. Seit 2014 hat es mehr als 1500 Zugriffe auf seinen Datensatz im internen Personalinformationssystem des Heeres gegeben. Viele davon durchaus berechtigt von Personalsachbearbeitern. Mehr als 700 Zugriffe sollen allerdings durch Unbefugte erfolgt sein – darunter Kameraden aus Wien, Linz, Salzburg, Graz oder Mautern.

Protokolle

Die einzelnen Abfragen wurden vom IT-System protokolliert. Waldner weiß deshalb genau, wer ihn im Visier hatte. Geschnüffelt wurde unter anderem in Waldners Gesundheitsdaten, sein Gehalt und seine Zulagen wurden abgefragt, außerdem Familiendaten, Leumundsangaben und weitere persönliche Details.

Stellt sich die Frage, warum illegal auf diese Aufzeichnungen zugegriffen wurde? Wilhelm Waldner hat einen Verdacht: "Es kann nur mit meiner Tätigkeit in der Gewerkschaft und Personalvertretung zusammenhängen. Sonst habe ich keine Erklärung." Als stellvertretender Vorsitzender des Zentralsausschusses ist er für rund 22.000 Bundesheer-Bedienstete zuständig. Der Datenmissbrauch macht ihm Sorgen: "Wir sind ein Sicherheitsministerium und genau bei uns passiert so etwas. Das darf es nicht geben. Da hapert es doch im System." Dass das Ministerium die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat, ist für ihn ein erster Schritt. Wie berichtet, musste die Staatsanwaltschaft Wien Verdachtsfälle einer Sammelanzeige an Ermittlungsbehörden quer durch Österreich verteilen.

Hoher Gewerkschafter als Opfer der Spitzel-Affäre
Wilhelm Waldner, Personalvertreter ÖBH
Der Verteidigungsminister schweigt indes zur Causa. Im Kabinett von Hans Peter Doskozil (SPÖ) verweist man an die offiziellen Sprecher des Ministeriums. Dort heißt es, man wolle das laufende Verfahren derzeit nicht kommentieren: "Jetzt ist die Justiz am Zug."

"Was geht es ihn denn an, wie oft ich im Krankenstand war? Oder im Urlaub?" Vizeleutnant Christian Stadler ist erschüttert. Ein Kamerad hat in seinen privaten Daten herumgeschnüffelt – und zwar ausgerechnet über das heeresinterne Personalinformationssystem. Dieser Vorfall könnte ein Puzzlestein in einem der größten Fälle von Datenmissbrauch im österreichischen Bundesheer sein.

Schauplatz Allentsteig. In der Truppe herrscht Unruhe. Übereinstimmend berichten Vizeleutnant Stadler und ein anderer Bediensteter des Heeres, er ist Jäger am Truppenübungsplatz, davon, dass im internen Informationssystem des Bundesheers ihre persönlichen Daten viele Male von einer Person abgefragt wurden, die dazu eigentlich nicht berechtigt war.

Stadler und sein Kollege waren viele Jahre in der Personalvertretung aktiv. Auch im Umfeld der letzten Personalvertretungswahlen hätten die Abfragen stattgefunden. "Meine Überstundenpauschale wurde abgefragt und auch meine Absenz, wie Urlaube oder Krankenstand", erzählt der Jäger. "Ich habe bemerkt, dass über diese Dinge in der Truppe getuschelt wurde. Da wurde gezielt versucht, mich schlecht zu machen", vermutet er.

Das Heeressystem erlaubt, festzustellen, wer wann welche Details aus Personalakten abgefragt hat. Darum wissen die beiden ehemaligen Personalvertreter aus Allentsteig, dass sie ein Kamerad gecheckt hat, der heute selbst in der Personalvertretung sitzt – allerdings für eine andere politische Fraktion. Wie der KURIER erfuhr, ist der Betreffende beruflich ausgerechnet mit der militärischen Sicherheit betraut und soll die Berechtigung zur Nutzug des Personalinformationssystems direkt vom Heeresabwehramt bekommen haben. "Aber er hat mit Personalangelegenheiten nichts zu tun, darf also die Kollegen dahingehend auch nicht abfragen", erzählt ein Insider. Der ausspionierte Jäger sagt: "Leider bietet unsere Firma halt die Möglichkeit dazu – und viele nutzen sie."

Hunderte Zugriffe

Damit hat der Mann nicht Unrecht. Dem KURIER liegen Meldungen über unzählige illegale Abfragen vor. Gesundheitsdaten wurden ebenso eingesehen, wie Gehälter und Zulagen sowie Privatadressen und sogar Familiendaten oder eventuelle strafrechtliche Informationen.

Die Gruppe der Betroffenen dürfte sich bis in höchste Heereskreise erstrecken. Mitunter sind Hunderte illegale Abfragen persönlicher Daten einzelner Heeresangehöriger dokumentiert. Fast hat es den Anschein, als wäre das Ausspionieren von Kameraden zu einem Kavaliersdelikt verkommen.

Dagegen verwehrt sich Oberstleutnant Peter Barthou, Sprecher des Verteidigungsministeriums. "Es gibt genaue Vorschriften, wer welche Daten einsehen und bearbeiten darf", sagt er. In erster Linie seien das natürlich die Personal-Sachbearbeiter. "Privates Herumschnüffeln ist selbstverständlich verboten." Dass private Informationen – wie im Fall Allentsteig – womöglich sogar politisch genutzt wurden, erschüttert auch den hohen Offizier.

Singlebörse

Ein Insider berichtet, dass insbesondere weibliche Heeresangehörige Abfragen getätigt haben sollen, die auf die Verwendung des Personalsystems als Singlebörse schließen lassen. "Da wurden etwa Fotos von Kollegen eingesehen, dann der Familienstand und schließlich das Einkommen."

Die Zahl der dokumentierten Verstöße ist mittlerweile so groß, dass das Ministerium die Ermittlungsbehörden eingeschaltet und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht hat. Deren Sprecherin, Staatsanwältin Nina Bussek, bestätigt das. "Es handelt sich dabei um eine Sammelanzeige von Verdachtsfällen quer durch Österreich. Wir haben zahlreiche Fälle an Staatsanwaltschaften in anderen Bundesländern abgetreten." Ermittelt wird nun nahezu im ganzen Bundesgebiet. Staatsanwälte in St. Pölten, Krems, Wiener Neustadt. Linz, Klagenfurt und anderswo sind damit befasst.

"Wir warten die Prüfungen auf strafrechtliche Relevanz ab", sagt Oberstleutnant Barthou. "Wir nehmen diese Vorfälle sehr ernst." Neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstoß gegen die Dienstvorschrift auch Disziplinarverfahren.

Hoher Gewerkschafter als Opfer der Spitzel-Affäre

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