Hilfsarbeit bei Mindestsicherung: "Rückfall ins Armenwesen"

Die 84-Jährige Anna Wachterwar fassungslos und wandte sich an AKNÖ-Präsident Markus Wieser
Experten sprechen von möglicher Willkür. Nun wird Gesetzesänderung gefordert.

"So werden Armutsbetroffene rechtlos gemacht und Willkür wird Tür und Tor geöffnet", sagt Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz. Wie berichtet, ist es seit 1. Jänner in NÖ möglich, Mindestsicherungsbezieher zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten zu verpflichten. In Horn schickte die Gemeinde daher ein Schreiben aus, mit der Info man werde sich melden, wenn es eine konkrete Tätigkeit gäbe. Das Problem: Es ging auch an Kranke und Pensionisten wie die 84-jährige Anna Wachter, die sich an die Arbeiterkammer wandte. Die Gemeinde spricht von einem Fehler. Im Gesetz gibt es aber tatsächlich keine genaue keine Definition, wer herangezogen werden kann.

Nun werden Forderungen laut, dieses zu reparieren oder zurückzunehmen. "Hier sieht man, dass sich die Dinge schnell verschärfen", sagt etwa SPÖ-Landesgeschäftsführer Robert Laimer. Er spricht von Schikane und moderner Sklaverei, der Bürgermeister entscheide in "Gutsherrenart", wer welche Arbeiten verrichten soll. "Dieses Gesetz gehört weg", fordert auch Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen. Es sei schon im Vorfeld klar gewesen, dass Rahmenbedingungen nicht genau definiert wurden, erklären die Grünen. Auf den zuständigen Bezirksbehörden herrsche Chaos.

Donnerstagabend wies SPÖ-Landesrat Maurice Androsch die Fachabteilung an, die Vollzugskriterien klar zu stellen und die Behördenmitarbeiter zu sensibilisieren. Er spricht von einer überhasteten Gesetzgebung.

2017 macht die Mindestsicherung ein Prozent des mit 9,06 Milliarden Euro veranschlagten nö. Budgets aus.

Grundrechtswidrig

Laut Schenk sei der Absatz über gemeinnützige Tätigkeiten kurz vor der Beschlussfassung "hineingeschummelt" worden. Das Gesetz entspreche einem Rückfall in des "Armenwesen des vorigen Jahrhunderts". "Ich dachte das ist in einem modernen Sozialstaat überwunden." Die Betroffenen könnten sich nicht wehren, ein Instanzenzug fehle. "Dieses Gesetz ist menschen- und grundrechtswidrig." Eine Nachjustierung will auch Rupert Dworak, Präsident des NÖ Gemeindevertreterverbandes. Er hat Briefe an alle SP-Gemeinden geschickt, in dem sie ersucht werden, von den Maßnahmen keinen Gebrauch zu machen. "Man verunsichert damit Menschen, die nicht alle freiwillig in der Mindestsicherung sind." Wer gemeinnützige Hilfstätigkeiten leisten solle, könne auch in einem persönlichen Gespräch geklärt werden, anstatt Massenschreiben zu verschicken.

ÖVP-Sozialsprecher Anton Erber verteidigt das Modell. Der Versuch von SPÖ, Grüne und AKNÖ daraus einen Skandal zu zimmern, sei peinlich. Die einzige Erkenntnis sei, dass das Datenmaterial sorgfältiger kontrolliert werden müsse.

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