Gefängnis-Bibliotheken: Salafisten-Buch hat Folgen

Gefängnis-Bibliotheken: Salafisten-Buch hat Folgen
Minister entzieht Glaubensgemeinschaft die Zuständigkeit.

Der Fund eines salafistischen Werks in der Bücherei der Justizanstalt Korneuburg hat Folgen. Wie der KURIER berichtete, fand ausgerechnet ein verurteilter Salafist das extremistische Buch und meldete es seinem Betreuer. ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter zieht nach der Causa Konsequenzen – und gebraucht dafür äußerst scharfe Worte: "Für mich ist das ein Beleg, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft(IGGÖ) ihre Kontrollfunktion nicht ausreichend wahrnimmt und in diesem Fall völlig versagt hat." Im gleichen Atemzug entzieht er der Glaubensgemeinschaft die Zuständigkeit für die Haftbibliotheken und schließt Planstellen für islamische Seelsorger in den Haftanstalten aus.

Ramazan Demir, oberster islamischer Gefängnisseelsorger, ist über diese Aussage entsetzt. "Nur weil ein Seelsorger einen einzigen Fehler gemacht hat, will man die gesamte islamische Seelsorge infrage stellen?"

Kyrillisch

Er war am Donnerstag selbst in der betroffenen Justizanstalt und weiß nun auch, warum dieses Buch einen Kontrollstempel erhalten hat: "Dieses Buch war in kyrillischer Schrift geschrieben. Es war für den türkischen Seelsorger nicht erkennbar, dass es von Abu A-la Maududi (Salafist, Anm.) stammt. Er war der Meinung, dass es sich um eine tschetschenische Koran-Übersetzung handelt."

Bei seinem Besuch in Korneuburg habe Demir sämtliche islamische Bücher kontrolliert. "Es war nichts Bedenkliches mehr zu finden. Veraltete Koran-Übersetzungen habe ich aussortiert. Jetzt stehen nur mehr Bücher dort, die wir auch künftig behalten wollen."

Laut Brandstetter soll allerdings die Organisation Derad die Bibliotheken-Kontrolle übertragen bekommen. Sie soll auch den gesamten Bücherbestand einer intensiven Prüfung unterziehen. "Wir werden uns künftig ausschließlich an der Meinung externer Experten orientieren müssen."

Und das, obwohl die Islamische Glaubensgemeinschaft mit der Uni Wien bereits Bücherpakete erstellt hat, die in allen Haftanstalten verfügbar sein sollen. "Dadurch kann so etwas auch nicht mehr passieren", erklärt Demir. "Von uns ist auch die Initiative ausgegangen, dass schon vor Jahren die Bücher überprüft wurden."

Doch das Justizministerium hat bereits entsprechende Schritte eingeleitet. "Der Auftrag an Derad sollte bald unterfertigt sein. Die Experten werden sich dann gleich an die Arbeit machen und uns ihre Einschätzung geben. Derad hat seine Kompetenz im Bereich der Deradikalisierung vielfach unter Beweis gestellt", sagt Erich Mayer, Generaldirektor für den Strafvollzug.

Dass Brandstetter den Vorfall zum Anlass nimmt, keine Planstellen für islamische Seelsorger schaffen zu wollen, trifft Demir hart. "Es gibt viel Bedarf an Seelsorge." Er habe umgehend Kontakt mit dem Ministerbüro aufgenommen – ein persönliches Gespräch zwischen Brandstetter und Ibrahim Olgun, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, soll so früh wie möglich folgen.

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