Für Patienten bricht neue Zeit an

Für Patienten bricht neue Zeit an
Ärztezentren statt voller Spitalsambulanzen und gemeinschaftliche Finanzierung.

In der Gesundheitsversorgung Niederösterreichs wird sich viel verändern. Die Patienten werden sich umstellen müssen, wenn es um die ersten Ansprechpartner bei körperlichen Beschwerden geht. Übervolle Spitalsambulanzen sollen der Vergangenheit angehören. Denn Experten sind sich einig, dass 70 bis 80 Prozent der Behandlungen in Spitalsambulanzen im niedergelassenen Bereich durchgeführt werden könnten. Als Reaktion sollen Netzwerke von Landarzt-Praxen medizinische Anlaufstellen werden. Noch ist das Zukunftsmusik, aber fester Wille der Zuständigen von Land und Gebietskrankenkasse.

Politischen Beobachtern bot sich am Donnerstag ein ungewohntes Bild: Landesvize Wolfgang Sobotka und NÖGKK-Obmann Gerhard Hutter verkündeten in friedlicher Eintracht den Abschluss des "Landeszielsteuerungsvertrages" – ein Papier, das die Gesundheitsreform im Land auf Schiene bringt. Bisher waren die Herren in Gesundheitsfragen eher Kontrahenten: Sobotka als politisch Verantwortlicher für die Finanzierung der Spitäler, Hutter als Kassen-Obmann für die Finanzierung der niedergelassenen Ärzteschaft.

"Zum Teil sind in der Vergangenheit Patienten hin und her geschoben worden", gibt Sobotka zu. "Und das nicht aus medizinischen Gründen, sondern aus finanziellen. Weil immer einer gesagt hat: ‚Ich will das nicht zahlen‘ oder ‚Ich behandle das nicht‘."

Das soll es nicht mehr geben: "Wir gehen jetzt den neuen Weg, gemeinsam festzulegen, wer macht was wo, wie machen wir das und schlussendlich wie finanzieren wir das." Das Arbeitsprogramm soll bis Juni stehen.

Prozess

Die neu entdeckte Einigkeit soll aber nicht durch zu exakte Festlegungen wieder erschüttert werden. Die Neugestaltung der Gesundheitsversorgung sei ein Prozess, betonen Sobotka und Hutter. Der werde "Wochen, Monate und auch Jahre" dauern. In Sachen Finanzierung will man anlassbezogen – etwa bei der Errichtung von Ärztezentren – entscheiden, wie sehr Sozialversicherung oder Land gefordert sind.

Die Ärzteschaft soll ebenfalls nicht überfallen werden. Wo ärztliche Versorgungszentren neu gebaut werden, steht noch nicht fest. Andere Ideen gibt es schon: "Wir haben vor, Ordinationsnetzwerke auszuprobieren, wo in einem Sprengel fünf Allgemeinmediziner ihre Ordinationszeiten so angleichen, dass es kein zeitliches Versorgungsloch mehr gibt", sagt NÖGKK-Direktor Jan Pazourek. Details will Obmann Hutter mit der Ärztekammer besprechen.

Einig sind sich Kasse und Land, dass die Qualitätskontrolle von Spitälern und niedergelassenen Ärzten angeglichen wird. Außerdem soll ein mit drei Millionen Euro dotierter "Gesundheitsförderungsfonds" entstehen.

Die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) ist ein Diagnoseverfahren für die Früherkennung von Schlaganfällen und von Tumorerkrankungen. Bisher waren Herzpatienten mit implantierten Defibrillatoren (ICD) von dieser Untersuchung ausgeschlossen, weil es zu unerwünschten Interaktionen zwischen dem Defibrillator und dem MRT-Gerät kommen konnte.

Im Landesklinikum St. Pölten wurde dieser Missstand nun beseitigt. Primar Harald Mayr implantierte mit seinem Team den weltweit ersten MRT-fähigen Defibrillator. "Patienten, die unter beeinträchtigenden Herz-Rhythmus-Störungen leiden und einen ICD brauchen, werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres Lebens auch eine MRT-Untersuchung benötigen. Die neue ICD-Technologie ermöglicht das jetzt erstmalig", so Mayr.

Mit rund 6000 Eingriffen pro Jahr, davon rund 200 Defibrillatoren und rund 550 Herzschrittmacher, hat das St. Pöltener Herzkatheterlabor österreichweit die meisten Eingriffe. "Wir sind stolz auf das Landesklinikum, das zeigt, dass bei uns Spitzenmedizin zu Hause ist", gratulierte Landesrat Karl Wilfing.

Es ist ein etwas kühler Willkommensgruß für die Patientinnen der Allgemeinen Gynäkologie am Wiener AKH: "Achtung Ambulanzreduktion", warnt seit wenigen Tagen ein unübersehbar großes Plakat gleich am Eingang.

Die Frauenheilkunde ist eine der ersten Kliniken, in der die aktuelle Personalnot in Österreichs größtem Spital bereits spürbare Folgen hat. Statt zwei gynäkologischer Hauptambulanzen gibt es seit Anfang April nur noch eine. Aufgenommen werden neben Notfällen nur noch Patientinnen, die an schweren, komplexen (vor allem bösartigen) Erkrankungen leiden. Frauen mit vergleichsweise banalen Krankheitsbildern werden an der Aufnahme gebeten, doch lieber eine Facharzt-Ordination oder ein Ambulatorium aufzusuchen.

"Nach Rücksprache mit der Direktion haben wir uns entschlossen, uns hauptsächlich auf unsere Spezialgebiete zu konzentrieren", erzählt Abteilungsleiter Heinz Kölbl.

Zuletzt war die Gynäkologie an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen: In den OP-Sälen fehlte das Personal, weil es sich um die überbordende Zahl an Patientinnen in der Ambulanz kümmern musste. Hintergrund des Engpasses: Wegen der Verkürzung der maximalen Arbeitszeit von 32 auf 25 Stunden können ausgerechnet am stark frequentierten Vormittag bis zu vier Arztposten nicht mehr besetzt werden. "Die Folge waren Wartezeiten von bis zu vier Stunden für die Patientinnen", erzählt Kölbl.

Seit der Umstellung Anfang April müssten nun täglich zehn bis 15 Patientinnen an andere Ambulatorien zugewiesen werden, was nicht immer ohne Reibereien abgeht. "Es werden aber immer weniger, weil sich unsere Maßnahmen bereits herumgesprochen haben", sagt Kölbl. "Für mich ist das dennoch eine ungewohnte Situation." Allerdings gehen andere Kliniken bereits einen ähnlichen Weg.

Betriebsversammlung

Unterdessen gehen die Proteste gegen die Sparmaßnahmen weiter: Einmal mehr trafen sich am Donnerstag rund 400 AKH-Ärzte zu einer Betriebsversammlung. Für Unruhe sorgte eine Liste, die die Streichung von zehn weiteren Diensten vorsieht. "Daran ist nichts dran", betont eine AKH-Sprecherin. Dennoch hat der Betriebsrat jetzt die Gewerkschaft mit ins Boot geholt, um weitere Maßnahmen zu planen.

"Wir fordern, dass die Folgen der willkürlichen Streichungen evaluiert werden", sagt Betriebsrat Thomas Perkmann. Zumindest einzelne müssten zurückgenommen werden. Sollte das Rektorat darauf nicht eingehen, seien auch Streiks "in limitierter Form" nicht mehr auszuschließen.

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