Freitauchen in der Todeszone

Ein Mann mit Taucherbrille hält eine Schwimmflosse vor einem Aquarium mit Fischen.
Der Niederösterreicher Christian Redl will als erster Mensch in einem 5200 Meter hoch gelegenen See im Himalajagebiet freitauchen.

Ich verdiene mein Geld mit Luftanhalten", sagt der Apnoetaucher und Extremsportler Christian Redl. Vor sechs Jahren tauschte der Niederösterreicher den Business- gegen den Taucheranzug. Seither stellte der 36-Jährige acht Weltrekorde im Freitauchen auf – fünf davon unter Eis. Redl tauchte durch finstere Höhlen in Mexiko und stellte Rekorde im zugefrorenen Kärntner Weißensee auf. Doch der ehemalige Aktienhändler will noch mehr. „Ich möchte Dinge tun, die vor mir noch niemand getan hat", sagt Redl.

Das nächste „Ding" wird den Niederösterreicher Anfang Oktober an einen Ort führen, der für Menschen nicht gedacht ist. Auf der Suche nach weißen Tauchflecken fand der 36-Jährige die Gokyo-Seen im Himalajagebiet. Dort, wo zahl­reiche Berge 8000 Meter in die Höhe ragen, will Redl in den über 5000 Meter hoch gelegenen, zwei Grad kalten Seen als erster Mensch tauchen. In einer Höhe, in der wegen des geringen Sauerstoffgehalts schon das Luftanhalten tödlich enden kann. „Nur entlang eines Seils im Meer zu tauchen, ist mir zu langweilig", sagt Redl.

Redl, Baumgartner & Co.

Doch was bringt Menschen wie ihn oder Extremsportler Felix Baumgartner – den Redl als seinen Mentor bezeichnet – dazu, sich solch schwer kalkulierbaren Gefahren auszusetzen? Erst Anfang Juni scheiterte der Wiener Herbert Nitsch vor der griechischen Insel Santorin bei dem Weltrekordversuch, ohne Sauerstoff­gerät in 240 Meter Tiefe vorzustoßen. Nitsch hatte Glück. Er überlebte und befindet sich derzeit in einer Rehabilitationsklinik in Deutschland. „Ich habe viel Respekt und setze stark auf gute Vorbereitung", hält Redl dagegen. „Ein Restrisiko gibt`s immer, aber ich tue alles, um es gering zu halten."

Diesen Optimismus scheinen nicht viele Mediziner zu teilen. Redl musste lange suchen, ehe er einen Arzt fand, der ihn bei seinem Projekt unterstützen wollte. Immerhin werden in dieser Höhe Puls und Atmung schneller und das Blut dickflüssiger – genau die gegenteilige körperliche Veränderung, die sich beim Tauchen einstellt.

Doch beim Grazer Tauch- und Hyperbarmediziner Heiko Renner wurde Redl, der auch als Stuntman arbeitet, fündig. Der Arzt sagt: „Der Mensch ist bedeutend leistungsfähiger als bisher gedacht. Bergsteiger steigen ohne Sauerstoff auf 8000 Meter hohe Gipfel. Die Gokyo-Seen liegen rund 3000 Meter darunter. Das heißt, es gibt einen Spielraum."

Redls Probleme sind damit noch nicht gelöst. Er leidet an Höhenangst und hat keine Bergerfahrung – bei einer Himalaja-Mission nicht gerade ideal. „Ich war einmal mit dem Auto auf dem Großglockner", sagt er. Um sein Defizit wettzumachen, bestieg er letzte Woche bei strömendem Regen den Dachstein. „Die Leute haben sich gewundert, als ich in der Simonyhütte ankam. Aus meinem Rucksack ragten Taucherflossen." Redl las zahlreiche Expeditionsbücher und rannte dieser Tage die 779 Stufen auf den Donauturm hinauf. „Ich stelle mich der Höhenangst und es wird immer besser."

Gefahr in Verzug?

Doch reicht all das aus, um in solch einer Höhe in unbekannte Tiefen abzutauchen? Sollte Redl nicht vor sich selbst geschützt werden, so wie vielleicht auch Herbert Nitsch vor sich selbst hätte geschützt werden sollen?

Redls Arzt glaubt nicht. Renner hat ein spezielles Trainingsprogramm, eine Mischung aus Höhen- und Apnoetraining, für seinen Schützling entwickelt. „Ich bin sicher, dass Christian das schafft. Er ist ein Mensch mit besonderen Eigenschaften, die ihn gegen Kälte und Höhe resistenter machen. All seine Welt­rekorde haben mit Kälte zu tun und er ist an Extrem­situationen gewöhnt."

Auch Redl ist zuversichtlich: „Keiner liebt das Leben mehr als ein Extremsportler", sagt er. „Schließlich weiß niemand besser als ein Grenzgänger wie ich, wie schön das Leben sein kann."

Zur Person: Taucher aus Leidenschaft

Ein Mann mit braunen Haaren und einem schwarzen T-Shirt schaut nach unten.

Weltrekorde Der Extrem­sportler Christian Redl (36) stammt aus Moosbrunn im
südlichen Niederösterreich, hat jahrelang als Aktienhändler gearbeitet und ist Single. Seit 2003 hat er acht Weltrekorde im Apnoetauchen aufgestellt.

 

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