Frau hortete rund 140 Tiere

Einige der Pferde auf einem undatierten Archivbild, aufgenommen in Pankasz/Ungarn.
Fall von "Animal Hoarding" im Bezirk Gänserndorf und Ungarn aufgedeckt.

Der Verein "Animal Spirit" und Schweizer Tierschützer haben einen Fall von "Animal Hoarding" (krankhaftes Tiere-Sammeln) aufgedeckt. Eine gebürtige Deutsche soll im Bezirk Gänserndorf und in Ungarn mindestens 90 Pferde, 30 Katzen und mehrere Hunde - insgesamt rund 140 Tiere - unter zum Teil sehr schlechten Bedingungen gehortet haben, hieß es in einer Aussendung am Mittwoch.

Bisher habe man gehofft, die Frau davon überzeugen zu können, einige der Tiere freiwillig abzugeben. Doch die gebürtige Deutsche sei sich ihrer Lage nicht bewusst, sagte Tierarzt Franz-Joseph Plank, Obmann von "Animal Spirit". Etwa 60 der teilweise "halb verhungerten Pferde" würden sich derzeit auf einem knapp einen Hektar großen Gelände in einer kleinen ungarischen Ortschaft in der Nähe von Zalalövö befinden. Dort stünden die Tier in einer "zentimeterdicken Schlamm- und Kotschicht" im Regen, mittendrin liege das Futter, so Plank.

Die Frau sei verschuldet und verfüge daher nicht über die nötigen finanziellen Mittel, die Tiere zu versorgen. Am Mittwochvormittag fand daher in der ungarischen Ortschaft eine Behördenversammlung statt. "Es geht darum, die Pferde an einem anderen Ort unterzubringen." Wichtig sei, dass die Tiere "von dort wegkommen und einen vernünftigen Platz bekommen", so Plank. Sie sollen auf einen nahegelegenen Hof gebracht werden, der über eine große Halle verfüge.

Ob eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft im Ort aufgrund von Seuchengefahr vorliegt, wird laut dem Obmann noch von der Behörde geprüft und war Hintergrund der Versammlung. Ein Einschreiten wegen Verletzung von Tierschutzvorschriften hätte länger gedauert, so Plank.

Die vier Katzen im Tierschutzhaus Vösendorf zittern vor Angst und verstecken sich, sobald sich ihnen ein Mensch nähert. Dass sie traumatisiert sind, ist nicht zu übersehen. Individuelle Zuwendung dürften sie nie erfahren haben – denn ihre bisherige Besitzerin war eine zwanghafte Tier-Sammlerin. „Animal-Hoarding“ ist der Fachbegriff für das Problem, das oft erst im Fall von Delogierungen aufgedeckt wird.

548 Tiere in drei Jahren

Die Frau ist kein Einzelfall. Von 2011 bis 2013 waren allein in Wien 548 Tiere von 130 Delogierungen betroffen. 186 Hunde, 171 Katzen und 191 Kleintiere – vom Hamster bis zur Vogelspinne. Der Wiener Tierschutzverein (TSV) hat für die meisten davon neue Besitzer gefunden.

„Animal-Hoarder sind oft Leute, die mit ihrem eigenen Leben nicht zurechtkommen“, erklärt TSV-Präsidentin Madeleine Petrovic. „Sie sind mit der Haltung der Tiere überfordert. Meist mangelt es an Nahrung, Hygiene oder tierärztlicher Versorgung.“

Frau hortete rund 140 Tiere
Wenn der Amtstierarzt die Abnahme der Tiere verfügt oder Animal-Hoarder in finanzielle Schwierigkeiten schlittern und delogiert werden, kommen die Tiere normalerweise ins Tierschutzhaus. Das bedeutet, die Stadt Wien muss die Unterbringung finanzieren und versuchen, die Kosten vom Ex-Besitzer rückerstattet zu bekommen. „Dass die Kommune dabei oft auf Kosten sitzen bleibt, ist klar. Ein Problem ist auch, dass bei Animal-Hoardern zu 99,9 Prozent Wiederholungsgefahr besteht“, sagt Wiens Tierschutz-Ombudsmann Hermann Gsandtner.

Im Tierschutzhaus werden die Tiere wieder aufgepäppelt. „Wegen der schlechten Haltung sind sie oft krank, ungepflegt oder unterernährt“, berichtet Petrovic. Aber nicht nur das mache sie besonders Pflege-intensiv. „Gerade Katzen sind auch Antennen für menschliche Gefühle. Und da Delogierungen persönliche Dramen, wie zum Beispiel heftige Streitereien, vorausgehen, haben diese Tiere oft das Vertrauen zum Menschen verloren.“

Unvermittelbar seien sie aber nicht. „Sie sind bloß am Anfang extrem scheu. Wenn solche Katzen dann aber auftauen, sind sie auf den neuen Besitzer geradezu fixiert.“

Dass sich nicht jeder von Delogierung betroffene über die neue Chance für seine Tiere freut, zeigte ein skurriler Rechtsstreit, mit dem sich der TSV konfrontiert sah: Eine Frau, die bereits mehrfach delogiert wurde und jedes Mal mit etwa 20 Katzen auf der Straße stand, klagte den Verein (mit Verfahrenshilfe) auf Wiederherausgabe der Tiere. Und bekam erster Instanz sogar recht.

Es gab nämlich keinen schriftlichen Vertrag, der die Eigentumsverhältnisse eindeutig geklärt hätte. Der TSV legte gegen die Entscheidung bereits Berufung ein.

„Als die Frau das letzte Mal ihre Wohnung verlor, haben wir 15 Katzen bei uns untergebracht. Die ärztlichen Eingriffe, die wegen vereiterter Kiefer nötig waren, die Pflege, das Futter und die Unterbringung haben (bei 8 Euro Pensionskosten pro Tag; Anm.) bis dato 40.000 Euro gekostet“, schildert Petrovic – die nicht daran denkt, die Tiere zurückzugeben, sondern stattdessen neue Besitzer sucht. Für 11 der 15 Katzen wurden bereits welche gefunden. Bloß die vier eingangs erwähnten Stubentiger konnten noch nicht vermittelt werden.

„Falls wir den Rechtsstreit in letzter Instanz verlieren sollten, müssten wir der Frau halt elf Katzen ersetzen“, sagt Petrovic. „Aber das würd’ uns nicht umbringen.“

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