Flüchtlinge: "Aufsicht hat nichts mit Gefängnis zu tun"

An der Aufnahme von Flüchtlingen will Hintner aber nicht rütteln
Nach Übergriffen fordert Mödlings Stadtchef, dass Flüchtlinge ihr Heim nicht ohne Begleitung verlassen dürfen.

Anfang August belästigte ein junger Asylwerber, der mit einer Gruppe Flüchtlinge unterwegs war, zwei Nachtschwärmerinnen in der Innenstadt. Er wohnte in einer Einrichtung des Bundes, geführt von der ORS Service GmbH, in der es schon mehrmals zu Vorfällen kam. Im KURIER-Interview erklärt Bürgermeister Hans Stefan Hintner (ÖVP), warum er Kritik an der Betreuung der jungen Flüchtlinge übt und findet, dass diese nicht unbegleitet in der Stadt unterwegs sein dürfen.

KURIER: Wie beurteilen Sie das Zusammenleben mit Flüchtlingen in Mödling?

Hintner: Grundsätzlich ist das Miteinander ganz hervorragend. Ich möchte das nicht auf Flüchtlinge reduzieren. In Mödling sind über 100 Nationalitäten zu Hause. Wir haben da eine unheimlich große Tradition. Aktuell haben wir 160 unbegleitete Minderjährige in der Betreuungseinrichtung des Bundes, wir haben 50 bis 60 bei der Diakonie und 25 bei der Jungarbeiterbewegung. Institutionen und Zivilgesellschaft engagieren sich unglaublich.

Nach den Übergriffen haben Sie heftige Kritik an der von der ORS geführten Unterkunft geübt. Warum?

In Mödling haben wir hauptsächlich junge unbegleitete Flüchtlinge, die zu 90 Prozent junge Afghanen sind. Auch im Liese-Prokopp-Haus in der Jägerhausgasse (ORS-Einrichtung, Anm.) sind es Afghanen bis 18 Jahre. In dem Haus hat es seither etwa 20 Einsätze gegeben: 20 Fälle für die Polizei von geringerer und nicht geringerer Natur. Meine Kritik richtet sich aber nicht im Besonderen an die Jägerhausgasse. Der zentrale Punkt ist, dass es eigentlich eine 24-Stunden-Betreuung geben sollte. Die ist uns zugesichert worden. Und dass selbstverständlich das Jugendschutzgesetz zur Anwendung kommen muss.

Was meinen Sie mit 24-Stunden-Betreuung?

Das heißt, dass die Jugendlichen nicht unbegleitet außer Haus gehen. Und dass sie – wenn sie begleitet unterwegs sind – um 22 Uhr zu Hause zu sein haben. Es heißt, dass Hausordnungen eingehalten werden. Dazu kommt, dass die Institutionen wissen müssen, welche Gruppe da ist und welche nicht und welche Dinge – von Zigaretten bis Alkohol – in die Einrichtung geschmuggelt werden. Die werden nämlich missbräuchlich verwendet.

Sollen die Jugendlichen nichts mehr unternehmen dürfen?

Wenn es fünf bis zehn Burschen gibt, die ins Bad gehen wollen, dann müsste es einen Betreuer geben oder vielleicht jemanden aus der Zivilgesellschaft, der sagt, ich nehme mich um das an. Genauso wie in jedem Pfadfinderlager, bei jedem Schulskikurs. Die Eltern werden durch den Staat ersetzt, der die Aufsichtspflicht hat. Und da rede ich für alle Einrichtungen. Vor allem, wenn der Betreuungssatz bei 95 Euro pro Tag liegt; ich also erwarten kann, dass es entsprechendes Personal gibt.

Man kann die Jugendlichen aber nicht einsperren…

Das größte Totschlägerargument ist: Die Einrichtungen sind kein Gefängnis. Was hat Aufsicht mit einem Gefängnis zu tun? Heißt das, dass ein Schulskikurs ein Gefängnis ist? Dort darf ich auch nicht außer Haus, es sei denn ein Lehrer ist dabei. Das hat nichts mit einsperren zu tun, wenn wir Bürgermeister verlangen: Bitte, ihr müsst das so managen, dass die Jugendlichen mit Begleitpersonen rausgehen. Bei der Betreuung durch die Jungarbeiterbewegung funktioniert das zum Beispiel zu 100 Prozent.

Sind Jugendliche, die in Gruppen unterwegs sind, also tatsächlich ein Problem?

Richtig. Und es gibt auch Fälle, wo die Jugendlichen nicht aus der ORS-Einrichtung sind. Was macht zum Beispiel eine Fahrradgruppe unbegleitet am Bahnhof Mödling. Wir haben dort mit dem Waggon eine Einrichtung, die sozial auffälligen Jugendlichen hilft. Eine mögliche Kontaktaufnahme der Afghanen mit diesen Jugendlichen ist eine Mischung, die mir nicht gefällt.

Sie haben nach den Übergriffen Konsequenzen gefordert, wie sehen diese aus?

Ich habe mit dem Innenminister gesprochen und wir werden demnächst ein Gespräch haben, zu dem die Betreuungseinrichtungen eingeladen werden.

Was erwarten Sie sich von dem Gipfel?

Dass die 24-Stunden-Betreuung eingehalten wird. Wir schließen ja Verträge ab. Wenn jemand einen Betreuungsauftrag bekommt, kann man das verlangen. Erst kürzlich waren nach Mitternacht wieder Jugendliche vor dem Stadttheater, die Richtung Jägerhausgasse gegangen sind. Die ORS weiß von dem Problem und lässt die trotzdem gehen? Das empfinde ich als Frotzelei.

Sie haben nach den Übergriffen ungewohnt heftig reagiert...

Ich habe von Unmut und Unzufriedenheit gesprochen, was die Frage der Flüchtlingsstruktur anbelangt. Wir haben in Mödling genug junge Afghanen. Wir wollen jetzt Familien. Auch die Durchmischung macht ein gewisses Klima aus. Es gibt ein subjektives Sicherheitsgefühl. In Mödling ist die Zahl der Tätlichkeiten sehr gering. Aber viele fühlen sich unsicher, wenn sie fünf, zehn Jugendliche – egal wo her – um Mitternacht treffen.

Sollte die Zahl der Flüchtlinge reduziert werden?

Mit der Anzahl der Menschen können wir schon umgehen. Wir haben jetzt vielleicht um 40 Personen mehr als zu Nicht-Krisenzeiten. Wenn sie mich fragen, ob wir 20 bis 30 mehr vertragen. Ja, aber keine unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.

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