Familiendrama in NÖ: Fieberhafte Suche nach dem Motiv

Tatort-Ermittler des nö. Landeskriminalamts waren am Freitag nochmals in dem Haus, um weitere Spuren zu sichern.
Warum? Diese Frage beschäftigt am Tag nach der Tragödie nicht nur die Ermittler. Böheimkirchen ist schockiert.

Schulpsychologen haben einen Tag nach der Familientragödie von Böheimkirchen (NÖ) die schwierige Aufgabe, den Kindern zu erklären, warum ihre drei Mitschüler Michelle, Fabian und Sebastian ermordet wurden – noch dazu von der eigenen Mutter.

Für die Direktorin der Böheimkirchner Volksschule, Silvia Riedler, gab es bis gestern keinerlei Anzeichen, dass etwas in der Familie nicht stimmen würde. Nachdem Martina R. (35) am 21. November in der Schule angerufen und erklärt hat, dass ihre Mutter gestorben sei und die Kinder nach dem Verlust der Oma einige Tage nicht in die Schule kommen werden, schöpfte niemand Verdacht.

In Wahrheit starb die Großmutter durch die Hand ihrer Tochter. Wie seit Donnerstag bekannt ist, erschoss Michaela R. all ihre Familienmitglieder, als sie in ihren Betten lagen. Ihre Mutter Mathilde R. (59), ihren Bruder Peter (41), und ihre drei Kinder – die siebenjährige Michelle, den neunjährigen Fabian und den zehnjährigen Sebastian. Sie wurden mit Kopfschüssen aus nächster Nähe umgebracht, ehe die Täterin die "Walther 7.65" ihrer Mutter gegen sich selbst richtete.

Tagelang blieb die Bluttat unentdeckt, bis der Arbeitgeber von Peter R. am Donnerstag die Polizei einschaltete. "Er war bei uns 15 Jahre lang im Unternehmen als EDV-Administrator im IT-Support. Ein wirklich sehr geschätzter Kollege. Nachdem er einige Tage nicht zur Arbeit erschienen ist, haben wir natürlich nachgefragt und schließlich die Polizei informiert", sagt die Sprecherin von PricewaterhouseCoopers in Wien, Barbara Lang.

Familiendrama in NÖ: Fieberhafte Suche nach dem Motiv
ABD0058_20161202 - BÖHEIMKIRCHEN - ÖSTERREICH: ZU APA0157 VOM 2.12.2016 - Kerzen vor jenem Haus im Ortsteil Schildberg der Marktgemeinde Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten), in dem sechs Tote entdeckt worden sind, aufgenommen am Freitag, 2. Dezember 2016. Die Ermittlungen gehen in Richtung Mord und Selbstmord. Die Faustfeuerwaffe sei auf die 59-jährige Mutter der mutmaßlichen Täterin (35) registriert gewesen. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Ängste

Freitagvormittag waren drei Schulpsychologen und ein Betreuungslehrer in der Volksschule in Böheimkirchen damit beschäftigt, die unfassbare Tat mit den Kindern zu verarbeiten: "Es geht zuerst darum, die Schüler reden zu lassen, um zu erfahren, was sie über das Ereignis wissen", erklärte Andrea Richter, leitende Schulpsychologin des nö. Landesschulrats: "Blutige Details muss man von ihnen fernhalten, damit sie keine Ängste und Fantasien entwickeln. Es geht auch darum, ihnen zu erklären, wie die eigene Mutter ihre Kinder umbringen kann – und dass so eine Krise selten ist. Wichtig ist dabei, den Kindern zu sagen, dass sie sich zu Hause bei ihren Eltern sicher fühlen können", betonte Richter.

Unterdessen können sich Nachbarn der Familie noch immer nicht erklären, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Maria Spendlhofer aus Kirchstetten, einem kleinen Ort nur wenige Kilometer von Böheimkirchen entfernt, lebte mehr als 15 Jahre in der selben Straße wie die Familie R.: "Man hat die Mutter und die Kinder kaum gesehen. Ab und zu waren sie abends kurz mit ihrem Hund unterwegs. Für viele hier galt die Familie als verschroben."

Medienberichte, dass der Kindsvater aus dem Drogenmilieu komme, wird von der Polizei übrigens nicht bestätigt: "Wir mussten bei der Familie kein einziges Mal wegen eines Strafdelikts einschreiten", berichtet ein Ermittler im KURIER-Gespräch.

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