Falscher Mediziner narrte Rettung

Falscher Mediziner narrte Rettung
Ein 33-Jähriger soll die Promotionsurkunde gefälscht haben. Als "Doktor" nahm er beim Roten Kreuz Prüfungen ab.

Den Doktortitel führte er selbstbewusst. Bei den kommissionellen Abschlussprüfungen für die Rettungs- oder Notfallsanitäter beim Roten Kreuz in St. Pölten zumindest. Hier saß er in der Prüfungskommission; mehr noch, er war manchmal auch ihr Vorsitzender. "Wir wünschen den frischgebackenen Kollegen alles Gute", gab er im Internet den Absolventen mit auf den Weg. Das schwerwiegende Problem: Der 33-jährige Mann soll gar kein fertiger Mediziner sein, berichten die Bezirksblätter NÖ. "Die Promotionsurkunde der Med-Uni-Wien war gefälscht", heißt es bei der Polizei. So narrte er die Rot-Kreuz-Bezirksstelle in St. Pölten seit eineinhalb Jahren. Bereits Ende Dezember ist laut Staatsanwaltschaft Wien eine Anzeige gegen den vermeintlichen "Doktor der gesamten Heilkunde" eingegangen. Die Ermittlungen wurden sofort aufgenommen. Wann genau die Rettungsorganisation verständigt wurde, ist noch unklar.

Dutzende hoffnungsfrohe Sanitäter-Anwärter wurden von dem 33-Jährigen mitgeprüft. Was bedeutet das für sie? "Die Prüfung ist gültig", erklärt Rot-Kreuz-Sprecher Andreas Zenker. Man habe sich das vom Gesundheitsministerium bestätigen lassen. Die Objektivität sei durch die Kommission gegeben. "Eine gesetzliche Regelung gibt es dafür nicht. Wir haben uns aber an vergleichbaren Fällen orientiert", heißt es im Ministerium. Gleichzeitig habe man das Land Niederösterreich schriftlich dazu aufgefordert, künftig Ärzte genauer zu überprüfen.

Enttäuschung

Falscher Mediziner narrte Rettung

Beim Roten Kreuz ist man enttäuscht. Denn die Mitarbeiter in St. Pölten kennen den 33-Jährigen seit vielen Jahren. Er soll erzählt haben, dass er Medizin studiert. In der Landeshauptstadt und Umgebung hat er jedenfalls als Rettungs- und Notfallsanitäter gearbeitet. Dafür war er auch wirklich ausgebildet. Er saß zu diesem Zeitpunkt auch schon in der Prüfungskommission – als fachkundige Person, aber nicht als Arzt. Der junge Mann galt es zuverlässig, engagiert und fleißig. Dann brachte er die Urkunde der MedUni in Kopie. Ob sie echt ist? Nachgefragt hat niemand.

"Als Notarzt hat er nie gearbeitet", betont Zenker. Hier gibt es ein vorgeschriebenes Prozedere bei der Bewerbung. "Jeder, der bei uns Notarzt wird, muss ein aktuelles Notarzt-Dekret vorweisen", heißt es dazu bei der Wiener Rettung. "Wir prüfen die Richtigkeit bei der Ärztekammer nach" (siehe Artikelende). Dienst am Patienten habe der Verdächtige, wenn dann nur als Notfallsanitäter versehen, "für den er eine Ausbildung hat", erklärt der Rot-Kreuz-Sprecher.

Als Notarzt hätte er nicht Dienst machen können. Denn der Mann hat kein "Jus practicandi" – die Berechtigung zur selbstständigen Berufsausübung – vorgezeigt, heißt es bei der Rettung. Der falsche Arzt soll aber erzählt haben, dass er im AKH auf der Chirurgie arbeitet. Auch hier hat niemand gefragt.

"Der Imageschaden ist riesengroß", sagt Zenker. Der 33-Jährige darf derzeit keinen Dienst mehr beim Roten Kreuz tun. Gegenüber der Rettung gibt der Verdächtige an, dass es sich um einen Irrtum handle und sich alles aufklären würde.

Hier brütet man darüber, welche Lehren man aus den jüngsten Vorkommnissen zieht. "Wir überlegen, wie wir nachbessern können." Kopien von Zeugnissen lässt man sich ohnehin nicht mehr vorlegen. Die Bewerber müssen mit Originalen kommen, die dann vor Ort kopiert werden. Ob das den jüngsten Fall verhindert hätte? Zenker: "Ein Uni-Zeugnis ist nicht fälschungssicher."

Falscher Mediziner narrte Rettung

Kontrolle ist nicht verpflichtend

Weit dramatischere Folgen als im aktuellen Fall hatten die Umtriebe eines falschen Notarztes vor zwei Jahren. Der Mann war beim Wiener Arbeitersamariterbund beschäftigt. Während eines Rettungseinsatzes verursachte er den Tod einer Frau wegen unterlassener Hilfeleistung. Im Vorjahr wurde er zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
"Mittlerweile haben wir noch strengere Kriterien", betont man heute beim ASBÖ. Bei neu dazukommenden Notfall-Ärzten würde man die Dokumente ganz genau prüfen und auch Rückfrage bei der Universität halten. "Völlig ausschließen kann man einen Betrug aber nie."
Jeder, der ein Medizinstudium absolviert hat, kommt auf eine Liste der jeweiligen Landesärztekammer. "Wir prüfen jeden Fall genau nach", betont man in der Kammer. Wenn er bereits seinen Turnus absolviert hat, wird auch dies gesondert vermerkt.
Der Haken dabei: Institutionen, die Ärzte beschäftigen, seien grundsätzlich nicht verpflichtet, bei der Ärztekammer nachzufragen, ob es sich bei ihrem Mitarbeiter tatsächlich um einen Arzt handelt.
Bei der Wiener Rettung ist dies seit Jahren Routine: "Es ist damit auszuschließen, dass es zu Betrugsfällen kommt", betont ihr Sprecher.

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