Fall Kührer: Was passierte in der Videothek?

Fall Kührer: Was passierte in der Videothek?
Julia Kührer könnte in unmittelbarer Nähe zu ihrem Elternhaus getötet worden sein.

Sieben Jahre ist es her, als ein junges, hübsches Mädchen auf dem Heimweg in Pulkau, NÖ, verschwand. Lange Jahre blieb die Suche nach der 16-jährigen Julia Kührer ohne Erfolg. Bis ihre sterblichen Überreste im Sommer 2011 in einem Erdkeller eines Anwesens im nahen Dietmannsdorf gefunden wurden. Seit Kurzem ist bekannt: Julia könnte in Pulkau, nur wenige Meter von ihrem Elternhaus entfernt, getötet worden sein. Und zwar, so ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, in der ehemaligen Videothek des Angeklagten Michael Kollitsch. Der soll ihr, nachdem seine Avancen erfolglos blieben, einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzt und sie dann ermordet haben – wie, ist unklar. Am 10. September beginnt der Mordprozess.

Geschichten über das Treiben in der ehemaligen Videothek ranken sich viele in der kleinen Stadt. „Bei ihm haben die Jungen dieses Zeug (gemeint sind Drogen, Anm.) eingekauft. Und dann sind’s auf den Bankerln beim ehemaligen Schlecker gesessen“, sagt Karl Vadina. Er hat selbst vier Kinder und sei deshalb froh, dass dieser Spuk ein Ende hat. „Der Typ geht uns nicht ab. Seither ist das Zeug kein Thema mehr.“ Kollitsch soll laut Ermittlern die Droge Crystal Meth in seiner Videothek verkauft haben. Fest steht: Die Videothek war Treffpunkt für die Jugend. „Die Jungen hat man hier schon oft gesehen“, erinnert sich Margit Kargl, Angestellte im Elektrogeschäft vis-à-vis. „Aber dass es sich da drüben so abgespielt hat, das hab’ ich nicht bemerkt.“

Polizeihunde

Heute ist in dem Laden das Kaufgwöb, ein Krimskrams-Laden, untergebracht. Nicht nur einmal hat Betreiberin Natascha Hartl hier Besuch von der Polizei bekommen. „Aber ich hab’ das Geschäft hier erst seit 2009. Wie ich es übernommen habe, war es komplett leer“, sagt sie. Mit Hunden sind die Polizisten angerückt, um noch Spuren zu finden. Hier zu arbeiten, wo sich vielleicht eine blutige Tragödie ereignet hat, flößt ihr keine Angst ein. „Ich bin im Hauptberuf Mitarbeiterin einer Sicherheitsfirma. Da hab’ ich leider schon viel gesehen.“

Am 10. September startet der Mordprozess im Fall Julia Kührer im Landesgericht Korneuburg. Die Todesursache des damals 16-jährigen Mädchens ist bis dato nicht zu 100 Prozent klar. Der Angeklagte Michael Kollitsch bestreitet, etwas mit dem Tod Julias zu tun zu haben. Der KURIER sprach mit Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs.

KURIER: Kann es einen Mordprozess ohne gesicherte Todesursache geben?

Ja. Das ist eine Frage der Indizien und der Beweiswürdigung. Die Geschworenen müssen zu der Überzeugung kommen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat. Das wird vielleicht schwer sein. Aber das ist möglich.

Ist ein Geschworenen-Gericht, also ein Laien-Gericht, da die richtige Adresse, um das zu entscheiden?

Das Problem beim Geschworenen-Gericht ist, dass keine Urteilsbegründung nötig ist. Aber sollte das Urteil evident falsch sein, können drei Berufsrichter das Urteil im Bedarf aufheben. Ideal wäre in dem Fall ein großes Schöffengericht mit Richter und Begründung.

Der Staatsanwalt hat eine konkrete Geschichte rund um den Tag der Tat entworfen. Demnach sei Julia Kührer zum Angeklagten in die Videothek gegangen, um Drogen zu kaufen. Der hätte sich angenähert. Nachdem sich das Mädchen gewehrt hat, soll er es geschlagen und getötet – und mit dem Auto auf sein Grundstück in Dietmannsdorf gebracht und im Keller angezündet haben. Sind solche Geschichten nötig, um die Geschworenen zu überzeugen? Oder überwiegt das Risiko, dass eine kleine Unstimmigkeit das Ganze unglaubwürdig macht?

Natürlich ist so eine Geschichte ein Risiko. Aber der Staatsanwalt muss sich selbst immer die Frage stellen: Ist diese Annahme seriös? Er ist der Objektivität verpflichtet. Und er hätte die Mordanklage nicht eingebracht, ginge er nicht davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung groß ist.

Wo sehen Sie den Knackpunkt in dem Prozess?

Wenn eine Leiche in meinem Keller gefunden wird, habe ich Erklärungsbedarf. Die Schlüsselfrage ist: Wie leicht oder schwer war er für andere zugänglich?

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