Fall Kührer: Trügerische Idylle in Pulkau

Fall Kührer: Trügerische Idylle in Pulkau
Jugendliche in Pulkau werfen den Kripo-Beamten unsensible Ermittlungen vor und fürchten sich vor neuen Erhebungen.

Zur verbrannten Leiche der Julia Kührer kommt jetzt auch noch "verbrannte Erde" durch die Kripo in Pulkau. Zwischen der Jugend und der Polizei herrscht Misstrauen. Der Hauptvorwurf: Die Beamten hätten Zeugen bedroht.

Nach der Enthaftung des Michael K., in dessen Haus in Dietmannsdorf im Bezirk Hollabrunn die verbrannte Leiche der Julia Kührer gefunden wurde, herrscht in ihrem Heimatort Pulkau Sprachlosigkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Zeugen sprechen von einem Maulkorb durch die Polizei. Und die Jugendszene schottet sich gegenüber Polizei und Medien zunehmend ab.
Einen Hintergrund des Kriminalfalles und des allgemeinen Misstrauens bildet die lokale Suchtgiftszene, die nur oberflächlich von einer scheinbaren ländlichen Idylle überdeckt wird. Eine Szene mit vielen Geheimnissen und einigen Abgründen. Ersatzhandlungen von jungen Menschen in einer Region, die kaum Jobangebote und wenig Freizeitmöglichkeiten bietet. Eine Region, die von Abwanderung betroffen ist - wo sich jetzt in verkommenen Hinterhöfen seltsame Zeitgenossen ansiedeln.

Wobei allerdings festzuhalten ist, dass die Suchtgiftszene des Bezirkes Hollabrunn nicht über dem landesüblichen Schnitt liegt. "Man hat dort außer Heroin alles bekommen," erzählt
Silvia S. Sie selbst wurde auch abhängig. Jetzt wundert sie sich, dass die Polizei noch nicht bei ihr war. Denn sie war mit Julia befreundet, hat mit ihr die Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe (HLW) in Horn besucht. "Auf Julias Handy müssten die von mir 100 Treffer gefunden haben."

Verweigerung

Fall Kührer: Trügerische Idylle in Pulkau

Silvia S. hat auch Michael K. kennengelernt, der in Pulkau eine Videothek betrieb. Kührer tauchte mit dem damals 45-jährigen Mann in einem Lokal auf, in dem Silvia S. zeitweilig als Kellnerin beschäftigt war. Vielleicht könnte sie etwas zur Beziehung Julias und dem damals 45-jährigen Mann K. sagen. Freiwillig geht aber die heute 21-Jährige nicht zur Polizei. Sie hat inzwischen ein Kind. Nach einem noch nicht ganz abgeschlossenen Drogenentzug macht sie einen AMS-Kurs, und ist heilfroh, dass sie von der Pulkauer Szene weg ist und sie möchte auch keine Polizisten mehr sehen.

Auch die anderen Jugendlichen schotten sich vor der Polizei ab. Sie empfanden das Vorgehen der Beamten bei den ersten Ermittlungen als massive Bedrohung. So sollen sie mögliche Zeugen angeherrscht haben: "Wennst nicht gleich alles sagst, sperren wir dich wegen der Giftgeschichte ein."

Aber auch bei Polizisten liegen die Nerven blank. Ein Beamter, der am Fundort in Dietmannsdorf zufällig ein Gespräch über Theorien zu Julias Tod mithörte, begann plötzlich zu brüllen: "Ich kann diese Geschichten nicht mehr hören."

Seltsame Hinweisgeber

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Das wundert nicht. Die Kripo-Beamten wurden fünf Jahre lang mit fragwürdigen Hinweisen in die Irre geschickt. Einer der fleißigsten Hinweisgeber auf angebliche Täter war der Hausbesitzer des Erdkellers, Michael K. Dann kam noch ein selbst ernannter Experte und Forscher dazu, der sich sicher schien, dass Julia in Bordellen in Tschechien oder der Slowakei festgehalten werde. Alleine diese Abklärung verschlang unzählige Überstunden und Dienstfahrten.

Die Ermittlungen gehen mit Hochdruck weiter. Für die Staatsanwaltschaft Korneuburg gilt Michael K. weiterhin als "dringend tatverdächtig". Gegen seine Enthaftung wird demnächst die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen.

Bürgermeister Manfred Marihart ortet eine düstere Stimmung in Pulkau. Besonders der Umstand, dass Julias Leiche nur drei Kilometer von der Gemeindegrenze entfernt gefunden wurde, habe die Menschen schockiert. Jetzt überlagert wieder die Ungewissheit über den Täter alles. Marihart formuliert die Angst der Pulkauer: "Kommen wir jetzt alle wieder unter Verdacht? Geht das alles wieder von vorne los?"

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