Erste Dschihadisten-Anklage in Österreich

In von den Ermittlern abgehörten Telefonaten kündigte Magomed Z. seine Rückkehr in den IS-Kampf nach Syrien an.
Krems: 30-Jähriger soll im Umgang mit Bomben geschult worden sein und an Kämpfen teilgenommen haben.

Die erste Anklage gegen einen der in den vergangenen Wochen verhafteten mutmaßlichen Dschihadisten ist da. Sie betrifft Magomed Z., der nach dem Tipp von russischen Fahndern Anfang September in Heidenreichstein, NÖ, festgenommen worden war - der KURIER berichtete. Dem 30-Jährigen wird vom Kremser Staatsanwalt die Mitgliedschaft „an der terroristischen Vereinigung ’Islamischer Staat’ sowie die Unterstützung der syrischen Kämpfer durch die Überweisung von 800 US-Dollar“ angelastet.

Laut Anklageschrift, die dem KURIER vorliegt, hielt sich Magomed Z. bereits von Ende Juli bis Anfang Dezember 2013 in Syrien auf: „Im Bewusstsein der Ziele des IS, nämlich die Errichtung eines islamischen Staates – auch mit Gewalt – schloss er sich unmittelbar nach seiner Einreise der terroristischen Gruppe Jaish al Mujahireen wal-Ansar an. Der Angeklagte erhielt einen Kampfnamen (Mohmad) und eine Kampfausbildung, sowie Unterweisungen im Umgang mit Bomben und Sprengstoffen, unternahm bewaffnete Ausgänge, wobei er von der Organisation mit Waffen ausgerüstet wurde und nahm an Kampfhandlungen des IS teil“ (Anklageschrift).

Magomed Z. soll nur nach Österreich zurückgekommen sein, um sich hier einer Augenbehandlung zu unterziehen. Danach habe er zurück in den Dschihad („Heiliger Krieg“) wollen. Aber auch von Österreich aus habe er den IS weiter unterstützt, indem er 800 US-Dollar an andere Mitglieder überwiesen und seine Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoff vertieft habe. Im Internet soll er sich mit Bauanleitungen für Fernzünder beschäftigt haben.

Die Anklagebehörde verfügt über umfangreiches Material. Etwa ein Foto von Magomed Z., das ihn im Tarnanzug mit einer Kalaschnikow in der Hand zeigt. Auch Anleitungen zum Bombenbau und Hinrichtungsfotos wurden auf dem Handy des 30-Jährigen sichergestellt.

Gestorben

Außerdem gibt es abgehörte Telefonate, die laut Staatsanwalt eine deutliche Sprache sprechen: „Ohne Dschihad ist das kein Leben.“ Oder: „Diejenigen, die gute Taten gemacht haben, sind diejenigen, die schon gestorben sind. Man hofft, dass man einer von diesen wird.“

Einem Gesprächspartner teilt Z. mit: „Inshallah (so Gott will, Anm.) werde ich die zusammengebauten Sachen vorbereiten.“

Verteidigt wird Z. vom Wiener Anwalt Wolfgang Blaschitz, der zwei weitere mutmaßliche Dschihadisten vertritt (siehe unten). Die beiden anderen gehören zu einer Gruppe von neun Personen, die im August in zwei Autos vor Grenzübergängen festgenommen wurden und angeblich Richtung Syrien unterwegs waren.

Einer der Männer, der Tschetschene Bekchan Z., teilt sich in der Justizanstalt Wien-Josefstadt die Zelle mit einem Serben. Als Z. die russischen Nachrichten hören und im Koran lesen wollte, erregte er das Missfallen seines Mithäftlings, das dieser laut artikulierte. Z. zertrümmerte ihm daraufhin das Nasenbein. Seit diesem Vorfall sind die Streithähne getrennt in der Absonderungszelle untergebracht.

Auf dem Foto sieht Magomed Z. aus wie ein islamistischer Rambo-Verschnitt: Er trägt Tarnanzug und Springerstiefel, hält eine Kalaschnikow in der Hand. Der Tschetschene sagt, das Foto sei in Syrien entstanden. Der St. Pöltner Staatsanwalt, der Z. anklagen wird, will beweisen, dass Z. im niederösterreichischen Heidenreichstein mit der Waffe abgelichtet ist.

So oder so – gegen den 30-Jährigen hat der Staatsanwalt viel in der Hand. Z. gibt zu, in Syrien gewesen zu sein, streitet allerdings ab, der Terrorgruppe Islamischer Staat gedient zu haben. Als ihn Verfassungsschützer nach einem Tipp ihrer russischen Kollegen festnahmen, fanden sie massenhaft Material. Etwa Anleitungen zum Bombenbau und Hinrichtungsfotos am Handy.

In den vielen Verfahren gegen mutmaßliche Dschihadisten hat diese Indiziendichte Seltenheitswert. Die Ermittler tun sich schwer, Handfestes zu sichern. Lückenlose Beweise scheinen die Gerichte aber gar nicht zu brauchen, Indizien dürften für Haftstrafen ausreichen. Ein Paradebeispiel war das Verfahren gegen Osman K., 22. Dass er in einem Terrorcamp in Syrien war, konnte mit letzter Sicherheit nicht bewiesen werden. Dem Schöffengericht reichten ein Koran mit einer syrischen Geldnote und ein Chat, in dem der Angeklagte selbst angab, Gotteskrieger zu sein. Der Lehrling mit türkischen Wurzeln tat es als reine "Prahlerei" ab. Urteil: 21 Monate Haft. Sein Anwalt Martin Mahrer sprach von einer Beweisumkehr: Sein Mandant musste beweisen, dass er nicht in Syrien war – nicht umgekehrt. Er kritisiert den "Schuldspruch ohne Beweise" scharf.

Ein anderer Fall: Die Observationsberichte über Bekchan Z. füllen einen dicken Aktenordner. Der Tschetschene ist einer jener neun, die im August in zwei Autos vor Grenzübergängen gestoppt und festgenommen wurden. Angebliches Ziel: das Terrorkalifat in Syrien.

Die Observationen der Verfassungsschützer muten skurril an. ZP1 (Zielperson eins) "wühlt im Kofferraum" von ZF1 (Zielfahrzeug eins), ist zu lesen. Die Anklage steht und fällt mit dem ebenfalls inhaftierten Chauffeur. Der Wiener Bäckersohn mit türkischen Wurzeln schwenkte in seinen Einvernahmen mehrmals um und erklärte, die Mitfahrenden hätten in den Krieg gewollt. Zuvor hatte er angegeben, er habe nur geahnt, dass die Passagiere Syrien als Ziel gehabt hätten.

Vorbereitungshandlung

Erste Dschihadisten-Anklage in Österreich
Der Verteidiger von Bekchan Z., Wolfgang Blaschitz (der mehrere mutmaßliche Dschihadisten vertritt), vermisst die Strafbarkeit: "Die Fahrt von Wien nach Nickelsdorf kann es nicht sein. Das ist eine straflose Vorbereitungshandlung." Die Richter des Obersten Gerichtshofs (OGH) schmetterten seine Beschwerde jedoch ab. Denn alle Beschuldigten, auch Z., seien über ein- und denselben Islamisten an den Chauffeur gekommen. Von ihm kennt man gerade einmal den Spitznamen. Doch es reiche die "Zusage an eine Kämpfer rekrutierende Person", um von einer Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu sprechen. Schon terroristische Aktivitäten "im Vorfeld eigentlicher Straftatbegehung" sind laut OGH strafbar.

Erwähnt werden muss freilich: Die Aussagen der Beschuldigten klingen einfältig bis unglaubwürdig – alle wollten nur in den Urlaub, jeder in ein anderes Land.

Mirsad O. galt unter Islamismus-Kennern seit Jahren als ein "geistiger Brandstifter". Der gebürtige Serbe, 33, besser bekannt unter seinem Prediger-Namen Ebu Tejma, und sieben weitere Beschuldigte sitzen in U-Haft. O. soll mit seinen Predigten Jugendliche zu Syrien-Reisen überredet haben. "Eine solche Aufforderung gab es nie", sagt sein Anwalt Lennart Binder. O. ging im Sommer als Opfer vor Gericht, weil ihn zwei Zeitungen bezichtigt hatten, mit der Ausreise zweier Schülerinnen ins selbst ernannte Kalifat nach Syrien etwas zu tun zu haben. Der Prediger, der in Videos Osama bin Laden huldigte, gab den umsichtigen Gelehrten. Der Medienrichter sagte offen, er kaufe ihm diese Rolle nicht ab.

Im Falle der acht mutmaßlichen Dschihadisten, die in Graz in U-Haft sitzen, ist am Freitag ein Verdächtiger bei der ersten Haftprüfung auf freien Fuß gesetzt worden. Nach Einschätzung des Haftrichters lässt sich bei ihm der bisher angenommene Tatverdacht nicht mehr aufrechterhalten.

Die Enthaftung wurde an keine Auflagen gebunden. Bei der Beurteilung der aktuellen Verdachtslage habe sich gezeigt, dass diese nicht ausreicht, um eine weitere Inhaftierung zu rechtfertigen, so Helmut Krischan, Sprecher des Grazer Landesgerichts, am Freitagnachmittag: "Es war zu wenig."

Dagegen wurde beim Hauptverdächtigen Mirsad O. alias Ebu Tejma und einem weiteren Beschuldigten die U-Haft um vier Wochen verlängert. Die Haftverhandlungen für die weiteren festgenommenen Grazer Verdächtigen finden am kommenden Montag statt. Nach einer Großrazzia vor zwei Wochen hatten für die mutmaßlichen Dschihadisten in Graz und Wien die Handschellen geklickt. Bei allen besteht der "Verdacht extremistischer Betätigung im Zusammenhang mit Dschihadismus", hieß es seitens des Gerichts.

Mirsad O. und der zweite Häftling haben ebenso wie die Staatsanwaltschaft keine Erklärung zur Verlängerung der U-Haft abgegeben. Sie haben daher drei Tage Zeit für mögliche Einsprüche. Am Montag finden in vier weiteren Fällen Haftprüfungen statt. Derzeit gibt es außerdem Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen weitere Personen, die zwar verdächtig sind, aber nicht in Haft genommen wurden.

Unterdessen hat das Wiener Straflandesgericht im Wiener Islamistenverfahren - acht Männer und eine Frau befinden sich seit vergangenem August im Gefängnis, weil sie laut Staatsanwaltschaft mit Autos über die Türkei nach Syrien gelangen wollten, um sich dort dem Dschihad anzuschließen - ebenfalls in sechs Fällen die U-Haft verlängert. Als Haftgründe wurden weiterhin Tatbegehungs- und Fluchtgefahr angenommen, so Gerichtssprecherin Christina Salzborn.

Zwei Beschuldigte, gegen die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme Freiheitsstrafen offen waren, wurden inzwischen in Strafhaft überstellt. Sie warten somit jeweils in Vollzugsanstalten ab, ob die Staatsanwaltschaft Wien sie wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung anklagen wird. Der neunte Verdächtige hat beim Wiener Oberlandesgericht (OLG) Beschwerde gegen seine Inhaftierung erhoben. Die Entscheidung darüber sollte in wenigen Tagen fallen.

Wie der KURIER bereits vor einer Woche berichtete, halten die Ermittlungsbehörden den verhafteten Salafisten-Prediger Mirsad O. alias Ebu Tejma für eine Schlüsselfigur des Dschihadismus. Nun macht diese, im Beschluss des Grazer Landesgerichts über die Verhängung der U-Haft festgehaltene Einschätzung, medial die Runde.

Eineinhalb Jahre wurde der in zwei Wiener Moscheen und als Gastprediger in einem Grazer Verein lehrende 33-Jährige observiert. Der gebürtige Serbe soll durch seine "Ideologisierungsarbeit eine zentrale Stellung bei der Anwerbung" junger Muslime eingenommen haben, steht in dem Gerichtsbeschluss, der dem KURIER vorliegt.

Mindestens 14 namentlich angeführte Zuhörer aus Österreich – und via Übertragung seiner Predigten im Internet wahrscheinlich noch viel mehr – soll Ebu Tejma in den "Heiligen Krieg" nach Syrien gelockt haben. In den Grazer Vereinsräumen sollen die Angeworbenen eine "ideologische und körperliche Grundausbildung", also quasi ein Fitnessprogramm für den Dschihad, bekommen haben. Von drei an den Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschulten Rückkehrern geht laut den Ermittlern eine besondere Gefahrenlage aus.

Ebu Tejma steht außerdem im Verdacht, 20.000 Euro gesammelt und über türkische Mittelsleute an den IS (Islamischer Staat) überwiesen zu haben. Sein Verteidiger Lennart Binder bestreitet die Vorwürfe, Ebu Tejma habe Menschen sogar davon abgehalten, nach Syrien zu reisen.

Kommentare