"Eintauchen statt abhaken"

Ein kleiner Reiseführerverlag hat sich auf Individualisten-Guides für Großbritannien spezialisiert. KURIER.at sprach mit der Verlegerin.

Zur Princes Street", beantwortet John Adams aus Edinburgh die Frage, wohin man beim ersten Date in seiner Stadt am besten geht. Während Anthony Ormesher aus Liverpool verrät, wo es die besten Jazz-Clubs in der "Stadt der Beatles" gibt.

Spätestens wenn man bei diesen Insider-Tipps angekommen ist, weiß der Leser, dass sich die kleine, feine Reiseführer-Reihe des Hamburger Goldfinch-Verlags von anderen, größeren Kollegen durch liebevolle Details unterscheidet.

Was einem aber sofort ins Auge fällt ist das praktische Format (A6) zum In-die-Tasche-stecken. Beim Inhalt wird, wie erwähnt, viel Wert auf echte Insider-Tipps gelegt - von Menschen, die tatsächlich in den jeweiligen Städten leben.
Die Individualisten-Guides haben sich auf Städte und Regionen in Großbritannien spezialisiert, derzeit stehen Liverpool, Edinburgh, Cambrigde, Oxford, Penzance und St. Ives zur Auswahl.

Ab nach Cornwall!

KURIER.at hat Julia Kaufhold vom Goldfinch-Verlag zum Gespräch gebeten und mit der Großbritannien-Expertin über "ihr" Land geplaudert.

KURIER.at: Frau Kaufhold, was muss man in Großbritannien unbedingt gesehen haben?
Julia Kaufhold: Das ist eine schwierige Frage, lassen Sie mich überlegen. Auf jeden Fall Cornwall. Es ist sehr urgewaltig dort und man spürt extrem, dass hier etwas zu Ende ist - zwischen Cornwall und Amerika liegt ja nur noch der Ozean. Dann natürlich Schottland, die Highlands, die Lochs, Edinburgh und auch Glasgow. Und: Man muss unbedingt ein paar Abende in Pubs verbracht und ein paar lauwarme Bier getrunken haben - am besten, wenn Live-Musik spielt.

Haben Sie eine Lieblingsstadt in Großbritannien?
Keine Stadt, aber einen Lieblingsort; das ist St. Ives in Cornwall. Der Ort ist einfach fantastisch mit seinen vier Stränden, Palmen, den Klippen, den unzähligen Galerien und Künstlern, Musikern, dem klaren Licht - ich fühle mich dort, ohne schwülstig klingen zu wollen, wie auf einem anderen Stern. Die britischen Städte mag ich auch sehr, ganz schwierig einen Favoriten zu bestimmen, vielleicht Edinburgh und York.

Sie haben 2007 einen - nach Ihren Angaben - "unabhängigen Reiseführerverlag" gegründet - was hat am Buchmarkt gefehlt?
Zunächst einmal hat einiges zu Großbritannien gefehlt. Als wir mit Goldfinch begannen, gab es kaum andere deutschsprachige Reiseführertitel als "England gesamt". Dann hatte man als Leser für Cambridge zum Beispiel nur vier Seiten, was zu wenig ist, wenn man ausschließlich dorthin reisen möchte - die Wenigsten unternehmen ja eine Gesamt-England-Tour. Außerdem fehlte etwas für meinen Geschmack.

Und zwar?
Wir wollen stets das Besondere hervorheben - Goldfinch-Reiseführer haben etwa keine Fotos, sondern durchweg liebevolle Illustrationen. Wir möchten dabei ganz unterschiedlichen Künstlern eine Plattform bieten, weswegen die Bücher von verschiedenen ambitionierten Illustratoren, zum Teil aus Großbritannien selbst, bebildert sind.
Dann finden sich in den Reiseführern Kurzinterviews mit Einheimischen (mit Fotos), die ihre persönlichen Tipps zur jeweiligen Destination geben. Dadurch wird das Ganze sehr individuell und auch die Perspektive verlagert sich von außen nach innen. Natürlich gibt es auch alle typischen Sehenswürdigkeiten, aber das Hauptaugenmerk liegt auf weniger touristischen Dingen, wie das nette Café, der beste Spot bei Sonne/Regen, die Kulturszene - alles Orte, an denen man als Leser ein bisschen aus der "Touri-Rolle" austreten kann.

Werden neben Großbritannien künftig auch andere Länder in die Reihe aufgenommen?
Großbritannien folgt einem großen, vermutlich recht intuitiven Interesse meinerseits. Pläne für andere Länder gibt es keine, eher Pläne für andere Genres als Reiseführer, ebenfalls auf Großbritannien bezogen. Wir sind gerne der Großbritannien-Spezialist und wollen dies weiter ausbauen.

Warum haben Sie genau diese Städte in Großbritannien beschrieben? Was macht sie so besonders?
Bei Oxford, Cambridge und Liverpool war die Überlegung, dass es zu diesen Städten noch keinen anderen Reiseführer auf dem deutschsprachigen Markt gibt. Bei Oxford und Liverpool ist das mittlerweile nicht mehr der Fall, für Cambridge ist der Goldfinch-Reiseführer immer noch der einzige. Soll heißen, Verkaufsargumente spielen bei der Auswahl natürlich auch eine Rolle. Generell ist es unser Ziel zu zeigen, dass in unaufgeregter Weise die meisten Orte etwas Besonderes haben, weswegen wir auch Einheimische interviewen, die das viel besser wissen als jeder Zugereiste es erspüren könnte. St. Ives in Cornwall war mir ein persönliches Anliegen.

Wer ist die Zielgruppe Ihrer Reisebücher?
Die Zielgruppe definiert sich weniger über das Alter als über den Wunsch, wirklich in eine Stadt/Region einzutauchen, also eine Stadt/Region auch einfach durchs Sich-Treibenlassen zu erleben. Eintauchen statt abhaken. Daher sind sowohl Tipps für Backpacker mit weniger Geld integriert als auch besondere Hotels oder Restaurants, für die man etwas mehr Geld benötigt. Es geht immer darum, nicht auf ausgetretenen Pfaden zu wandeln. Gemein ist den Lesern auch, dass sie Spaß daran haben, sich die Reise selbst zu organisieren, also: Individualisten.

Wie werden die Interviews mit Einheimischen für Ihre Bücher ausgewählt?

Uns ist es wichtig, dass in einem Buch eine große Bandbreite verschiedener Menschen zu Wort kommt, also z.B. für Oxford nicht nur Studenten, sondern auch ein Bootshausbesitzer, ein Künstler, ein Aufseher am College, eine Kneipenbesitzerin oder auch einfach nur ein älterer Herr, der seinen Hund ausführt. Die Fragen ergeben sich meist im Gespräch selbst und sind individuell verschieden. Immer fragen wir: Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Stadt, was muss man unbedingt getan/gesehen haben.

Der Liverpool-Führer wandelt auf den Spuren der Beatles, ist mehr in dieser Art geplant?
Derzeit nicht, zumindest noch nichts Spruchreifes. Der Liverpool-Reiseführer ist ja der einzige Goldfinch-Führer, der neben einer Stadt auch einen thematischen Fokus hat. Das hat gut funktioniert, weil man neben den Reisenden in die Stadt auch noch Beatles-Fans allgemein mit dem Buch anspricht.

Wer sind Ihre Autoren?
Deutsche, die entweder in Großbritannien, in der Stadt, über die sie schreiben, leben oder eine Zeitlang dort gelebt haben. Mir ist es wichtig, dass sie sich sehr gut im jeweiligen Ort auskennen, und zwar nicht aus der Besucherperspektive, sondern aus ihrem eigenen Alltag dort. Dadurch wird der oft als leere Worthülse verwendete Begriff "Insidertipps" mit echtem Leben gefüllt.

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