Die Leitwölfin

Vor Anpfiff gibt’s in der Spielerkabine noch eine genaue Gegner-Analyse.
Die Obritzerin Maria Wolf trainiert als erste Frau ein Herrenteam in der Gebietsliga.

Die Kantine auf dem Sportplatz ist gut gefüllt. Noch. Draußen ist es frostig. Bis zum Anpfiff trinken die Obritzer ihr Achterl Veltliner lieber im Warmen. Da geht sich auch noch eine Schnapser-Runde aus. "Auf die Maria!" prosten sie den Journalisten zu, die sich in letzter Zeit vermehrt für die örtliche Fußballmannschaft der 500-Seelen-Ortschaft im Weinviertel interessieren. Nicht nur wegen des spannenden Kampfes um den Klassenerhalt in der Gebietsliga Nord/Nordwest. Auch, weil Maria Wolf seit vergangenen Herbst das Trainer-Ruder in die Hand genommen hat. Erfolgreich. Und als erste Frau überhaupt. "Die Buam gehorchen ihr aufs Wort!", erzählt die weinselige Runde stolz. Und die Mission Klassenerhalt läuft gut.

Harte Schule

Maria Wolf kommt mit einem Ball unter dem Arm. Sie gaberlt. Für ein Foto. Und weil sie es kann. "Hier hab’ ich das Fußball spielen gelernt", sagt die 33-Jährige. Nicht zur Freude ihrer sechs Brüder. "Die wollten mich mit fünf Jahren nicht mitspielen lassen. Da bin ich halt einfach in ihr Spiel reingelaufen und hab gegen alle gespielt." Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Irgendwann hieß es: "Okay. Aber wennst ein Mal reast, gehst heim", erinnert sich Wolf. Nachsatz: "Ich hab’ nicht nur ein Mal den Ball ins Gesicht bekommen. Aber ich hab nicht geweint. Das war schon eine harte Schule."

Die Leitwölfin
Maria Wolf, Fußballtrainerin Obritz

Heute gibt sie den Ton in der Kabine an. "Wer mit dem Umziehen nicht fertig ist, hat halt Pech gehabt", lacht sie. Die Burschen sind fertig. Und sie warten auf die Taktikbesprechung. Den Gegner hat Wolf genau analysiert. "Diesmal wird’s schwieriger als letzte Woche. Die spielen irrsinnig aggressiv. Der 18er ist sehr schnell und sehr gut. Den müsst’s so früh wie möglich stören." Ein kurzes Wispern der Spieler beendet sie. "Pscht!" Letzte Worte vor Anpfiff: "Voigas! Und keine Diskussionen mit dem Schiri!"

Wolf spielt selber Fußball – in der Damenmannschaft des ATSV Hollabrunn. "Derzeit aber nur mehr als Aushilfe. Das wird mir sonst zu viel." Denn eigentlich ist die Weinviertlerin im Brotberuf Sportlehrerin am Aufbaugymnasium und unterrichtet Mädchen.

Glücksbringer

Für den Trainerjob geht ein großer Teil der Freizeit drauf. Dass sie ihn von ihrem Bruder übernommen hat, bereut sie trotzdem nicht. "Fußball hat viel mit Glück zu tun." Ihrem Bruder fehlte es. Er holte mit der Mannschaft acht Runden lang keine Punkte. Sie hat es. "Am Anfang war das schon ein Druck. Ich hab’ gewusst, dass das riskant ist und ich damit voll einfahren kann." Auch der Familie war ein wenig mulmig. Doch schon im ersten Spiel holten die Obritzer ein Unentschieden. Dann kamen die Siege. "Das war eine Sensation. Der Bann war gebrochen. Und wir sind wieder im Rennen."

Dass sie Männer trainieren wollte, war für Wolf von Anfang an klar. "Ich hab’ Frauen trainiert, ich hab’ Kinder trainiert. Aber Männerfußball ist dynamischer", sagt sie. "Und ich kann auch gut mit den Mannsbildern. Ich halte auch die Männerschmäh aus." Als Erzieherin in der Stronach-Akademie, der ehemaligen Austria-Nachwuchsschmiede, hatte sie schon einige bekannte Fußballer unter ihren Fittichen – unter anderem Austria-Verteidiger Markus Suttner. Ihr privates Fußball-Herz schlägt übrigens ebenfalls violett.

Anfeindungen hätte sie noch keine erlebt. "Darauf war ich gefasst. Aber es ist nichts gekommen", ist sie selbst verwundert. Selbst der Platzwart des gegnerischen Teams zollt ihr Anerkennung. Wenn er auch zweifelt: "Wir haben da so drei, vier Kretz’n in der Mannschaft... das würd’ mit einer Trainerin nicht funktionieren."

Sprengstoff

Das hört Wolf erst gar nicht. Sie steht am Spielfeldrand und kann über das erste Tor der Obritzer jubeln. Über den Lautsprecher kommt die Torhymne "TNT" von AC/DC. Die Fans jubeln. Sie stehen inzwischen mit einem Achterl und einer Leberkäs-Semmel in der Kälte. AC/DC werden an diesem Abend noch drei Mal einen Auftritt haben.

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