Der Wolf bedroht die Alpen-Idylle

Der Wolf verbreitet sich langsam aber sicher wieder in Mitteleuropa
Bergbauern befürchten das Ende der Almwirtschaft, weil Entschädigung nach Wolfsrissen nicht reicht.

"Wir halten das nicht aus. Wo es den Wolf gibt, wird es keine Almwirtschaft mehr geben", klagen Bergbauern Und wenn doch, dann werden zusätzliche, hohe Zäune und Herdenschutzhunde die Freizeitnutzung der alpinen Naherholungsräume radikal verändern.

So dramatisch klangen die Appelle von Almbauern, die bei der jüngsten österreichischen Jägertagung im steirischen Ennstal ihre Situation nach der Zuwanderung von Wölfen schilderten. Die Herden vor den Raubtieren zu schützen mache die Almwirtschaft unwirtschaftlich.

Systemänderung

Mehr als 700 Jäger und Grundbesitzer lauschten gespannt den Ausführungen von Fachleuten und wirtschaftlich Betroffenen. "Der Wolf zieht eine gesamte Systemänderung nach sich", warnte etwa Josef Zandl von der Salzburger Gutsverwaltung Fischhorn in Bruck an der Glocknerstraße, der von unzähligen abgestürzten Kühen und Schafen berichtete. Es werde in seinem Betrieb keinen Almauftrieb mehr geben, weil die sichere Verwahrung der Tiere nicht mehr möglich sei, betonte er. "Neben dem wirtschaftlichen ist der emotionale Schaden sehr hoch, weil Bauern bei der Geburt der gerissenen Tiere oft selbst geholfen haben", ergänzte Zandl, der ankündigte, die Alm aufzuforsten.

Ins selbe Horn stieß der Chef der Kärntner Almbewirtschafter, Josef Obweger: "Almhaltung ist die artgerechteste Tierhaltung, bringt die hochwertigsten Produkte. Müssen wir die Tiere wegen des Wolfes wieder in Ställe sperren? Der Aufwand für den Herdenschutz ist höher als der Wert der Tiere", betonte Obweger.

Georg Höllbacher, Bundesverbandsobmann der Schaf- und Ziegenhalter, der sich für Herdenschutz engagiert, berichtete ernüchtert vom Ergebnis zweier Modellprojekte: "Uns fehlen geeignetes Personal, passende Hunde und die Erfahrung beim Zaunbau", resümierte er. "Ich will nicht behaupten, dass Herdenschutz nicht möglich ist. Im italienischen Apulien geht es ja auch. Aber wir haben es bisher nicht geschafft", sagte er.

Einschränkungen

Höllbacher gab zu bedenken: "Herdenschutz wird extreme Einschränkung für die Naherholung der Bevölkerung bringen." Vom Wanderer bis zum Mountainbiker – alle werden vor Stacheldraht- und Elektrozäunen sowie vor Weiden mit Schutzhunden stehen. Dazu komme, dass die Hunde im Winter den Dörfern gehalten werden müssen, was Lärmbelästigung für Nachbarn bringe.

Wenig Freude machte den Zuhörern auch, was Christian Kubitschka, als Förster auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig (NÖ) für das Monitoring des ersten Wolfsrudels zuständig, berichtete: "Die Wölfe sind derzeit zu siebent und es wird bald wieder Nachwuchs geben. 2016 haben sie 8,5 Tonnen Fleisch gefressen, 2017 rechnen wir mit 13,5 Tonnen. Wir schützen den Wolf, das ist unser Auftrag. Aber es gibt Auswirkungen. Das Rotwild wandert aus dem Zentrum an die Ränder des Übungsplatzes."

Schadenersatz

Insgesamt waren Almbewirtschafter und Jäger einig, dass der Staat nicht nur den Schaden, sondern den gesamten Aufwand ersetzen muss. "Bei uns muss man zwei Stunden aufsteigen, um die Ohrmarke eines gerissenen Tieres zu finden", erzählte Zandl.

Auch Wolfanwalt Georg Rauer, der die Entwicklung in Österreich beleuchtete, stimmte der Forderung zu: "Die Politik ist gefordert." Das Schadensersatzsystem greift nicht mehr so wie in der Zeit, in der es entstanden ist.

Kippt der Wolf ein funktionierendes System oder zeigt er nur auf, dass viele Landwirte auch ohne ihn kaum noch Gewinn machen können? Ist der Wolf wirklich der „Böse“ oder bringt er lediglich das Fass zum Überlaufen und wird dafür zum Sündenbock ?
Über gut hundert Jahre konnten österreichische Almbauern ihre Tiere unbewacht grasen lassen, hatten es damit deutlich leichter als viele ihrer Kollegen in Rumänien oder Italien. Auch die Jagd hatte in dieser Zeit keine ernst zu nehmende Konkurrenz. Das ist wohl vorbei.
Doch man bedenke: Mit Selbstverständlichkeit erwarten wir, dass bitterarme Länder den Bestand von Elefant, Nashorn, Löwe und Co. schützen. Wie sähe das aus, wenn wir beim Wolf versagen? Es kann gelingen – aber nur, wenn nicht eine Gruppe allein die Last tragen muss.

von Gilbert Weisbier

Kommentare