Der glückliche Ort

Archäologie: Der Schnee ist geschmolzen, die Archäologen werden den Böden in Niederösterreich wieder ihre Geheimnisse entlocken.

Schicht für Schicht wühlen sie sich durch die Vergangenheit. Dreck, Staub, Wind und Wetter halten sie nicht von ihrer Tätigkeit ab. Die Archäologen werden in Niederösterreich auch heuer wieder gefragt sein. Für die Saison 2012 ist schon vieles vorbereitet.

St. Pölten

Der glückliche Ort

Die Grabungen auf dem Domplatz in St. Pölten gehen in die dritte Saison. "Im Laufe des März werden wir wieder beginnen", sagt Stadtarchäologe Ronald Risy. Er ist vor allem der mittelalterlichen Stadt auf der Spur. Die Erwartungen sind hoch. Denn: "Die Zwischenbilanz ist sensationell." Gefunden wurden bisher unter anderem Reste eines römischen Baus, der im Mittelalter weiter genutzt wurde. Kleinode wie ein römischer Karikaturen-Kopf aus Bein sind aufgetaucht.

Die meiste Arbeit macht allerdings der Friedhof, der im Bereich des Domplatzes angesiedelt war. Insgesamt sind bereits 2200 Skelette geborgen worden. Die Anzahl ist die große Herausforderung. Sie kostet Zeit, und die drängt. Denn der Domplatz soll umgestaltet werden. Genau das war auch der Anlass für Grabungen. "Für mich ist das Ziel, dem Boden seine Geheimnisse zu entreißen. Je schwieriger das ist, desto mehr reizt es mich", sagt Risy.

Die Stadt St. Pölten steckt Zeit und Geld in das Vorhaben. Oft müssen Archäologen aber schnell retten, was zu retten ist. Denn nur ein kleiner Teil der Ausgrabungen ist geplant. Die Wissenschaftler werden meist in letzter Sekunde zu sogenannten Notgrabungen gerufen. Wo gebaut oder umgeackert wird, stoßen die Menschen auf Relikte aus der Vergangenheit.
Manchmal gibt es für die Archäologen dabei Glücksmomente, wie im Bezirk Amstetten. "Ein Bauvorhaben führte zu einer der spektakulärsten archäologischen Entdeckungen der vergangenen Jahre am römischen Donaulimes", meldet das Bundesdenkmalamt. Der Fund in Wallsee-Sindelar ist Denkmal es Monats März.

Locus Felix

Grabungsleiter Martin Krenn legte römische Mauern frei – ein Militärlager. Vermutlich hatte es den Namen "Locus Felix", was übersetzt "glücklicher Ort" heißt. Entdeckt hat Krenn genauer gesagt ein sogenanntes Rest-Kastell. Ältere römische Grabsteine und anderes wurden hier damals "recycelt". Das Baumaterial hat es den Experten angetan: Inschriften und Reliefs waren unter anderem darunter. Gefunden wurden auch Steinfiguren. Heuer wird die Grabung fortgesetzt. Und: Im Zuge der Errichtung der "Lebenswelt für Gehörlose und taubblinde Personen" soll eine Archäologische Welt entstehen. "Es soll eine touristische Attraktion werden", erklärt Bürgermeister Johann Bachinger.

Gladiatoren

Dauerbrenner bei den Archäologen ist Carnuntum. Vergangenes Jahr konnten die Wissenschaftler einen Sensationsfund melden. Es wurde nicht einmal aufgegraben (denn das bedeutet ja auch immer Zerstörung). Durch Bodenradar konnten die Reste einer römischen Gladiatorenschule entdeckt werden. Eine "Rekonstruktion" mit Hilfe eines 3-D-Modells gibt es bereits. Die Überreste werden heuer weiter untersucht. Es werden wieder zerstörungsfreie Methoden zum Einsatz kommen.

Tatsächlich zu sehen sein wird für die Besucher des archäologischen Parks ein originales Mosaik. "Um das zeigen zu können, müssen wir einen Schutzbau machen", erklärt der wissenschaftliche Leiter, Franz Humer. Eine Teilrekonstruktion des Hauses soll entstehen.

Michelberg

Die Grabung am Michelberg bei Niederhollabrunn (Bezirk Korneuburg) hat im Jahr 2010 begonnen. Im Sommer ist es für Ernst Lauermann und sein Team wieder so weit. Lauermann will die älteste Kirche des Berges finden. "Die Zielsetzung ist klar", sagt Lauermann. Und: "Wir sind ihr auf der Spur." Schon ab dem zehnten Jahrhundert sei der Berg als religiöse Stätte genützt worden. "Wir Archäologen versuchen, Lücken zu schließen", erklärt er. Jede Grabung bringe neue Erkenntnisse, werfe aber auch neue Fragen auf. Die Arbeit hört niemals auf.

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