Auf und davon

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Auswandern Immer mehr Menschen kehren Österreich den Rücken. Der KURIER sprach mit Niederösterreichern, die ihren Traum leben

Exakt 86.713 Menschen sind 2010 aus Österreich ausgewandert. Zwei Jahre zuvor waren es noch um 10.000 weniger. Warum sich immer mehr Menschen entscheiden, aus Österreich auszuwandern, bleibt ein Geheimnis. „Unsere Zahlen beruhen auf dem Melderegister. Die Gründe werden dabei nicht erhoben“, heißt es von der Statistik Austria. Die meisten zieht es ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten oder ins EU-Ausland. Während die Zuzüge durch Saisonarbeiter und Studenten eher schwanken, pendelt sich die Zahl der Auswanderer langsam bei den 85.000 pro Jahr ein. 10.000 Niederösterreicher kehren jährlich dem Land den Rücken.

Nur wenige von ihnen zieht es dabei in so ferne Länder wie Marokko, Thailand oder Indonesien. Deutschland ist da schon beliebter.

12 Menschen gingen 2009 nach Marokko, 3.014 Österreicher verließen 2010 das Land Richtung Deutschland, 36 haben 1997 den Sprung nach Indonesien gewagt. Jeweils einen von ihnen hat der KURIER nach den Gründen gefragt.

Große Träume im fernen Osten

Ich hab früh gespürt, dass Österreich in naher Zukunft nicht meine Heimat sein wird.“ Mit 16 verbrachte Laura Horvat aus Karlstetten (Bezirk St. Pölten) drei Monate in den USA, mit 19 ging sie noch einmal für ein halbes Jahr in die Staaten. Im Oktober 2010 brach sie schließlich zu einer Weltreise auf; sie war unter anderem in Burma, Malaysia und Thailand. Dort ist sie dann auch hängen geblieben.

Seit November lebt die Niederösterreicherin nun fix in Thailand und verwirklicht ihre Träume; sie arbeitet an ihrem Projekt „The Tea Tree“, einem Teehaus in der Hauptstadt des Norden Thailands, Chiang Mai. „Ich liebe Tee und ich liebe Teekochen. Und irgendwann bin ich durch Chiang Mai spaziert und bin draufgekommen, dass ich mich hier nirgends gemütlich hinsetzen kann, um einen guten Tee zu trinken.“ Und weil sie „etwas Großes kreieren wollte“, hat sie ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und ein Lokal gemietet.

Mit ihrem Freund hat sie in den vergangenen Wochen täglich auf der Baustelle gearbeitet. Mittlerweile wird dort schon Bio-Tee serviert. Nicht nur das: Laura Horvat will auch ihr kreatives Potenzial nutzen: Sie designt Schmuck und T-Shirts, mixt Cremen und Lotions. Und auch die wird es im Teashop zu erstehen geben.

Sebastian Frank kocht die Berliner ein

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Entenstopfleber mit „Presswurscht“, g’schmalzte Erdäpfel als Teil einer Käseplatte oder Kalbstafelspitz stehen auf der Karte des Berliner Restaurants Horváth: Seine österreichischen Wurzeln kann der Küchenchef Sebastian Frank nicht verbergen, will er auch gar nicht. Der erst 30-Jährige gebürtige Mödlinger kocht sich in die Herzen der Berliner.

„Wir haben mehr Verbundenheit zur Tradition des Essens“, erklärt er. Und mit „wir“ meint er die Österreicher. „Das wissen die Deutschen auch.“ Was aber brachte ihn in die Metropole des Nachbarlandes? Die Liebe, heißt die einfache Antwort.

Aufgewachsen ist Frank in Bruck/Leitha, gelernt hat der Senkrechtstarter in Neusiedl am See im Hotel Wende. Mit 18 kam er nach Wien. Unter anderem kochte er im „Steirereck“. In Tirol lernte er schließlich seine Freundin, die aus Deutschland kommt, kennen. Dann ging es ab nach Berlin. Für die Karriere war das kein Nachteil. Frank wurde Koch des Jahres 2011. Im Horváth schaffte er einen Michelin-Stern.

Hier hat der „Topf seinen Deckel bekommen“, sagt der Koch. Aber seine Inspirationen holt sich der Jung-Papa – sein Sohn kam vergangenes Jahr zur Welt – noch immer aus der österreichischen Küche.

Im Surf-Mekka Marokkos gestrandet

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Leopold ist nicht unbedingt ein Name, den man mit dem Surfen in Verbindung bringt. In Niederösterreich denkt man da vielleicht eher an den Landespatron. Mit dem hat Leopold Pfeiller aber außer dem Namen nichts gemein. Er ist Surflehrer am Strand von Taghazout, dem Surf-Mekka von Marokko. Und das erst seit zwei Jahren. „2007 habe ich meinen ersten Surfurlaub gemacht und da hat es mich gleich gepackt, das Surffieber.“ Im Sommer 2009 ist Pfeiller seinem Bruder nach Marokko gefolgt und hat dort seine Surflehrer-Ausbildung gemacht.

Seine Entscheidung, Österreich zu verlassen, verdankt er wohl einer Midlife-Crisis. „Der Dreier vorne hat schon wehgetan. Aber ich hätte es mir auch nie verziehen, mit 70 meinen Enkeln erklären zu müssen, dass ich einmal fast nach Marokko ausgewandert wäre“, erzählt der 33-jährige Surflehrer.

Seither leitet er das Surfcamp in Taghazout. In den Sommermonaten muss er für seinen Sport allerdings nach Europa ausweichen. Denn die Wellen in Marokko sind zu dieser Jahreszeit zu schwach. Etwa 500 Menschen hat Leopold Pfeiller bisher das Surfen beigebracht. Zuhause in Wilhelmsburg ist der Surfer immer wieder gern. „Komplett zurück möchte ich aber eigentlich noch nicht.“

„Amadeus“-Cafés rocken Indonesien

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Am 5. Jänner 1997 ist Christian Fröschl aus Österreich ausgewandert. Nach zwei Jahren als Chefpatissier im Hilton in Düsseldorf wollte er schlicht Neues erleben. Ein Angebot von der Café Wien Franchise Consulting kam gerade recht: Das Café Wien in Jarkarta, Indonesien, musste in die Gänge gebracht werden. „Wir haben dann in fünf Jahren 16 Kaffeehäuser für die Firma aufgebaut. Das war ganz lässig, aber dann wollte ich doch etwas anderes machen“, erklärt der 42-jährige Patissier.

Gemeinsam mit seinem Bruder Karl entschied er sich, selbst ein Kaffeehaus in Jakarta aufzusperren. 2002 eröffneten die beiden das „Amadeus“, ein Lokal, das europäische Spezialitäten bietet. „Bei uns gibt es Schnitzel, genauso wie Apfelstrudel, Tiramisu oder italienische Pasta“, erklärt Fröschl. Der aktuelle Renner ist das „Sebastian mit Petersilerdäpfeln“. Ein Schweinskotelette in Paprikarahmsauce – ein Rezept von der Mama. „Die Indonesier fahren völlig ab darauf. Genauso auf die Krapfen.“

Mittlerweile führen die beiden Zwettler fünf Cafés in Indonesien mit 120 Mitarbeitern. Vier neue Lokale sind in Bau. An eine Rückkehr nach Österreich denken sie derzeit nicht. Ob es ein Amadeus-Café auch einmal nach Österreich schaffen wird? „Wenn jemand interessiert ist, warum nicht.“

 

 

 

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