Annaberg: Die Lehren aus dem Amoklauf

Aus dem Hinterhalt erschoss Huber den Sanitäter im Wagen.
Seit dem Blutbad von Annaberg ist die Sicherheit von Sanitätern ein heißes Thema.

Auf das Rote Kreuz schießt man nicht einmal im Krieg. Seit sich am 17. September 2013 der Vierfachmörder Alois Huber in Annaberg (NÖ) über diesen Codex der 1864 beschlossenen Genfer Konvention hinweggesetzt hat, musste auch das Rote Kreuz in seiner Ausbildung umdenken. Die Tragödie, bei der drei Polizisten und der Notfallsanitäter Johann Dorfwirth, 70, von dem Amokläufer aus dem Hinterhalt erschossen wurde, ist heute Thema in fast jeder wichtigen Schulung der Einsatzkräfte. In Gefahrensituationen sollen Rot-Kreuz-Mitarbeiter mit versteckten Codes via Funk Alarm schlagen oder beispielsweise die Polizei anfordern.

Am Einsatzort

Durch die Alarmierungskette sind Rettungsleute mitunter die ersten, die an einem Einsatzort eintreffen. "Wir sind natürlich zur Hilfe verpflichtet. Allerdings ist der Eigenschutz das Wichtigste", erklärt der Leiter des Rettungsdienstes beim nö. Roten Kreuz, Michael Sartori. In brenzligen Fällen müssen Einsatzräume zuerst von der Polizei oder der Feuerwehr freigegeben werden.

Dies war auch in Annaberg der Fall. Johann Dorfwirth wusste, dass ein Cobra-Beamter angeschossen worden war und im Sterben lag. Aber er entschied nach Absprache mit der Einsatzleitung selbst, den Rettungseinsatz zu fahren. Die Folgen sind bekannt: Dorfwirth wurde mit einem gezielten Schuss getötet und der Polizeibeamte, der neben ihm Platz genommen hatte, lebensgefährlich verletzt. "Dieser Fall hat natürlich auch bei uns einiges ausgelöst. Es gab eine umfangreiche Untersuchung", erklärt Sartori. Man sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sache unter ähnlichen Bedingungen wieder so ablaufen würde. "Es war eine schicksalhafte Entwicklung, die so nicht vorhersehbar war", heißt es beim Roten Kreuz. "Wenn ein Fall Annaberg nochmals passiert, werden wir der Polizei wieder folgen", sagt Rot-Kreuz-Sprecher Andreas Zenker.

In Absprache mit dem Innenministerium gibt es bei ähnlichen Bedrohungen oder Geiselnahmen allerdings einsatztaktische Änderungen, die vor allem auf die Sicherheit der freiwilligen Helfer abzielen.

Massaker

Annaberg ist aber leider nicht der einzige Fall, der dem Roten Kreuz Sorgen bereitet. Laut Sartori arbeite man gerade auf Hochtouren an einem umfassenden Fortbildungsschwerpunkt für neue Bedrohungsszenarien. "Es geht um Großschadensereignisse, die wir in Österreich so bisher nicht hatten, wie zum Beispiel terroristische Anschläge oder Massaker in Schulen. Diese Fälle kennt man bei uns bisher nur aus den internationalen Medien", erklärt Sartori. Das Rote Kreuz will nichts dem Zufall überlassen und auch auf solche Tragödien vorbereitet sein, heißt es dazu abschließend.

Tat
Der 55-jährige Transportunternehmer Alois Huber aus dem Bezirk Melk, NÖ, erschoss in der Nacht auf 17. September 2013 drei Polizeibeamte sowie einen Rot-Kreuz-Sanitäter. Schließlich richtete er sich selbst. Bei der Durchsuchung seines Hauses fanden Ermittler mehr als 300 Schusswaffen, Munition und hunderte Jagdtrophäen. Huber wurden neben den vier Morden mehr als 100 weitere Straftaten zugeordnet.

Ablauf
Am 16. 9. kurz vor Mitternacht stoppte die Cobra auf der Suche nach einem Wilderer bei Annaberg, Bezirk Lilienfeld, ein Fahrzeug. Der Lenker, Alois Huber, tötete einen Beamten und kurz darauf einen Sanitäter. Der Schütze flüchtete. Gegen 0.30 Uhr traf er auf eine Polizeistreife, erschoss einen weiteren Beamten und nahm den Zweiten als Geisel. Mit dem Polizeiauto raste der Mann knapp 70 km in seinen Heimatort, wo er sich in seinem Haus verschanzte. Ab 7 Uhr Früh umstellten Spezialkräfte das Haus. Die Geisel wurde ermordet in einem Nebengebäude aufgefunden. Um 18.20 Uhr erfolgte der Zugriff, die Leiche von Huber wurde Stunden später gefunden.

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