Abriss bedroht Zeugnis der NS-Vergangenheit

Abriss bedroht Zeugnis der NS-Vergangenheit
Wand-Inschriften von KZ-Häftlingen unter Schwechater Brauerei entdeckt. Abbruchstopp, um Funde zu dokumentieren.

März 1944, Schwechat: Über der Industriestadt kreisen alliierte Kampfbomber, werfen im Minutentakt ihre tödliche Last ab. Zu diesem Zeitpunkt war der Ausgang des Zweiten Weltkriegs zwar längst entschieden und doch setzte das NS-Regime noch einmal alles daran, die Wende zu schaffen. In Rüstungsbetrieben wurde rund um die Uhr Kriegsmaterial produziert, zigtausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge kamen zum Einsatz. Rund 600 davon mussten in den 50.000 großen Kellern der Schwechater Brauerei Flugzeuge bauen. Sowohl die Heinkel-Werke als auch die Flugzeugmotorenwerke Ostmark wurden auf Befehl von NS-Gauleiter Baldur von Schirach in den Gewölben einquartiert, ab August 1944 entsteht auf dem Gelände eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen.

Bis heute erinnern stumme Zeitzeugen in Form von Wandinschriften an dieses dunkle Kapitel österreichischer Geschichte – vermutlich verewigten sich Zwangsarbeiter in den Kellergewölben. Namen von ungarischen Städten und Datumsangaben hinterließen sie ebenso wie Frauennamen. Nun droht deren Zerstörung, ohne dass Wissenschafter die Texte untersuchen konnten.

Glückstreffer

Anfang Dezember entdeckte eine Gruppe von Forschern die Inschriften. Hintergrund: Zurzeit fahren Bagger auf dem Gelände auf, es entsteht ein neues Stadtviertel. „Unser Fund war ein Glückstreffer“, schildert ein Beteiligter, „wir wollten vor dem Abriss die Gemäuer erkunden.“ Seinen Namen möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen, durch das Erforschen des Kellers beging er Hausfriedensbruch. Seine Befürchtung: „Hier wird ein Stück NS-Vergangenheit zugeschüttet, sodass es nicht nur verschwindet, sondern nicht einmal dokumentiert wird“, sagt der Forscher besorgt. „Ein Baustopp für eine Dokumentation muss erfolgen, damit nicht wieder einmal die braune Vergangenheit spurlos verschwindet.“

Historiker beigezogen

Grundstückseigentümer Brau Union reagierte rasch. „Wir sind bemüht, die Spuren zu sichern und aufzuarbeiten. Dafür sind wir in engem Kontakt mit dem Bundesdenkmalamt“, sagt Pressesprecherin Veronika Fiereder. Dessen Präsidentin Barbara Neubauer schildert im Gespräch mit dem KURIER, dass „eine Dokumentation erfolgt“. Nach Bekanntwerden verhängte die Brau Union einen Abriss-Stopp. “Ein Historiker der Universität Wien prüft, ob die Inschriften von Zwangsarbeitern stammen oder von der lokalen Bevölkerung. Immerhin diente der Keller auch als Luftschutzbunker“, sagt Fiereder.

Tarnname „Santa 1“, ein gefürchtetes Lager Die Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen auf dem Brauereigelände erhielt von den Nazis den Tarnnamen „Santa I“. Dessen Bedeutung ist bis heute nicht geklärt. Die Lagerleitung übernahm SS-Untersturmführer Anton Streitwieser, der bereits in mehreren KZ „einschlägige Erfahrungen“ gesammelt hatte. Streitwieser galt als Sadist, wie Aufzeichnungen belegen. Dem „feschen Toni“, wie der eitle Alkoholiker genannt wurde, bereitete es große Freude, wenn er seine beiden auf Menschen abgerichtete Schäferhunde auf Häftlinge hetzte. Schwechat galt als gefürchtetes Lager, Schikanen und Folterungen zählten zur Tagesordnung. So mussten die bereits ausgemergelten Arbeiter oft stundenlang Liegestütze trainieren, bei Nichtgefallen prügelte Streitwieser persönlich auf die Wehrlosen ein.

 

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