Niederösterreich: Wahltourismus vor dem Aus

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Vor Reform des umstrittenen Nebenwohnsitz-Wahlrechts in Niederösterreich.

In Niederösterreich steht eine große Demokratiereform ins Haus. Wie der KURIER vom ÖVP-Verhandler, Klubobmann Klaus Schneeberger, erfuhr, geht es dabei nicht nur um eine Stärkung der Minderheitenrechte im Landtag. Bei dieser Gelegenheit soll auch der zuletzt bei den Gemeinderatswahlen aus dem Ruder gelaufene Wahltourismus beendet werden. Die ÖVP möchte analog zum Burgenland nur noch jenen Personen ein Wahlrecht zugestehen, die stark in Niederösterreich verankert sind.

Bis zu 250.000 Zweitwohnsitzern vornehmlich aus Wien droht jetzt der Verlust des Wahlrechts – sowohl auf Landes- wie auf Gemeindeebene. Das zeigt ein Vergleich der Zahl der Wahlberechtigten. In Niederösterreich waren 2013 rund 1,28 Millionen zur Nationalratswahl gerufen. Bei der Landtagswahl 2013 waren es zehn und bei der Gemeinderatswahl 2015 gleich 20 Prozent mehr (siehe Grafik).

Niederösterreich: Wahltourismus vor dem Aus
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Nutznießer ÖVP?

Es finden sich keine offiziellen Analysen, wer vom Zweitwohnsitz-Trick in Niederösterreich politisch profitiert hat. Die Opposition jedenfalls vermutete Erwin Pröll und die ÖVP als großen Nutznießer.

Die Regelung, Nebenwohnsitz-Bürger schrankenlos wählen zu lassen, wurde erst zu Beginn der Amtsperiode von Erwin Pröll im Jahr 1994 eingeführt. Die SPÖ stimmte damals in der Hoffnung mit, dass viele Rot-Wähler aus Wien bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen ihre Stimme mit nach Niederösterreich nehmen würden.

Die Rechnung ging aber nicht auf. Erwin Pröll legte von Wahl zu Wahl zu, die SPÖ verlor. Daher wurde in jüngerer Vergangenheit der Ruf nach dem Modell "eine Person – eine Stimme" auch aus Kreisen der SPÖ laut.

Zum großen Aufreger wurde der Zweitwohnsitz-Trick aber erst bei den Gemeinderatswahlen 2015. Ein Wähler, der an einem Tag in fünf verschiedenen Gemeinden zu den Urnen marschiert ist und Häuser, in denen 20 und mehr Wähler kurzfristig angemeldet waren, sorgten für einen politischen Schlagabtausch um "Scheinanmeldungen". Fast jede Partei sah sich plötzlich mit Wahlmanipulations-Vorwürfen konfrontiert.

Zuruf der Richter

Die Verwaltungsgerichtshöfe traten auf den Plan, nachdem sie mit Hunderten Beschwerden aus Niederösterreich zugedeckt wurden. Die Politik solle schleunigst präzisieren, unter welcher Voraussetzung man in Niederösterreich noch wahlberechtigt ist, so der Aufruf.

Die neue ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner will mit der ausufernden Regelung aus der Pröll-Ära nun Schluss machen. "Ich habe von ihr den Auftrag, im Sinne beider Seiten hier für Rechtssicherheit zu sorgen", sagte VP-Klubobmann Schneeberger dem KURIER.

Er favorisiert das "Modell Burgenland". Dort dürfen Nicht-Burgenländer auf Landes- oder Gemeindeebene wählen, wenn sie nachweisen, dass ihr Wohnsitz den "wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Mittelpunkt" darstellt. Allerdings macht das Burgenland einen Ermessensspielraum auf. Laut Gesetz müssen zwei der vier Kriterien erfüllt werden.

Vor Wahl deklarieren

Im Endeffekt weicht im Burgenland die Zahl der Wähler zwischen Bundes- und Gemeindewahlen um 10, in Niederösterreich jedoch um 20 Prozent ab. Sollte die ÖVP-Niederösterreich mit den anderen Parteien hier rasch den Konsens finden, hat das Auswirkungen zunächst auf rund 130.000 Menschen (vorwiegend Wiener). Wer bei den Landtagswahlen wählen will, der muss sich zuerst deklarieren. Ob die Politik dies mittels Formular macht, ist indes noch unklar. Die Verhandlungen dazu starteten gestern.

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