Kampusch: Vater klagt Entführer-Freund

Kampusch: Vater klagt Entführer-Freund
Ludwig Koch ist seit Jahren auf der Suche nach der Wahrheit. Jetzt soll seine Tochter unter Wahrheitspflicht aussagen.

Die von der Justiz vertretene Einzeltäter-Theorie im Fall von Natascha Kampusch wird immer stärker angezweifelt. Nicht erst seit sich der Unterausschuss im Parlament der Aktenberge angenommen hat und auf mehr Ungereimtheiten stieß als Antworten. Unabhängig von der strafrechtlichen Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens sorgt jetzt der Vater von Natascha Kampusch für einen Knalleffekt.

Ludwig Koch treibt die Wahrheitsfindung voran. Und zwar auf dem Zivilrechtsweg. Koch – bzw. dessen Anwälte Alfred Boran und Dietmar Heck – klagen Ernst H., den Freund von Entführer Wolfgang Priklopil, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Vorwurf lautet, dass H. (Anwalt Manfred Ainedter) mutmaßlich an der Entführung des damals zehnjährigen Mädchens beteiligt war oder zumindest davon gewusst haben könnte. Die Klagssumme erstreckt sich auf 35.000 Euro. Diese Summe könnte sich aber im Laufe des Verfahrens noch erhöhen.

Aber nicht das Geld steht bei dem angestrengten Zivilprozess im Vordergrund, sondern die Aufrollung der Ereignisse, von der Entführung am 2. März 1998 bis zur Flucht des achteinhalb Jahre eingesperrten Opfers am 23. August 2006 und dem anschließenden Selbstmord von Wolfgang Priklopil.

Die Zivilrechtsklage wurde von den Anwälten seit Tagen akribisch in allen Details vorbereitet. Bereits am Donnerstag der Vorwoche hat Koch im Büro der Advokaten in der Wiener Innenstadt die nötigen Vollmachten unterzeichnet. Donnerstagfrüh war die Klage beim Landesgericht für Zivilrechtssachen eingegangen. Das Verfahren könnte noch vor dem Sommer anlaufen.

Kampusch als Zeugin

Der Anlass für den Zivilprozess liegt klar auf der Hand. Im Laufe der Ermittlungen tauchten immer wieder neue Indizien auf, die zunehmend mehr Ungereimtheiten oder nicht ermittelte Fakten aufwarfen. Heck spricht von einem regelrechten Domino-Effekt. „Diese Häufung an Fehlleistungen und Schweigen ist schon sehr außergewöhnlich.“ Für den Rechtsanwalt ist es augenscheinlich, „dass irgendjemand jemanden deckt“. Heck weiter: „Es gibt einfach zu viele Dinge, die nie aufgeklärt worden sind.“

Das Außergewöhnliche in dem angestrengten Zivilprozess: Natascha Kampusch wird nicht als Opfer, sondern als Zeugin geführt. Das heißt, das Opfer muss unter Wahrheitspflicht dem Gericht Rede und Antwort stehen. Eine der zentralen Fragen könnte dabei sein, ob Ernst H. bei der Entführung dabei war. Oder: War der Herr XY dabei? „Sie kann die Zeugenaussage nur dann verweigern, wenn sie sich oder ein Familienmitglied dadurch belasten würde“, sagt Heck.

Für Koch ist die Klage eine wichtige Sache zur Wahrheitsfindung. „Unser Mandant will endlich wissen, was wirklich geschah“, sagt Heck. Und: er hätte auch als Vater des Opfers ein Recht auf Aufklärung.

Die im Zuge der Klage eingebrachte Zeugenliste ist lang. Neben Kampusch werden auch sämtliche Mitglieder der Evaluierungskommission vor Gericht zitiert, die Mutter von Entführer Wolfgang Priklopil sowie die Schwester von Ernst H.

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