Hassposter: Staatsanwälten wird bei Ausforschung Arbeit erschwert

Hassposter: Staatsanwälten wird bei Ausforschung Arbeit erschwert
Zurzeit werden gerade tausende Postings auf der Facebook-Seite von Heinz-Christian Strache geprüft. Ausgangspunkt war ein Video über einen Suizidgefährdeten Syrer.

"Rasend schwierig" nennt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Thomas Vecsei, die Ermittlungen gegen sogenannte Hassposter im Internet. Wenn die Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook die IP-Adressen (unter denen der Computer im Netz angemeldet ist) ihrer User nicht herausgeben, steht die Anklagebehörde an.

Zurzeit prüft die Staatsanwaltschaft Wien gerade von Amts wegen Hasspostings auf der Facebook-Seite von Heinz-Christian Strache. Der FPÖ-Chef hatte den Link zu dem von einem Passanten gefilmten Video über den Suizidversuch eines syrischen Flüchtlings geteilt. Dieser hatte sich vergangenes Wochenende vor ein Auto geworfen und war dann auf eine Straßenbahn geklettert. Binnen kürzester Zeit rief das hasserfüllte Kommentare von Strache-Anhängern hervor: "Ich wäre drübergefahren" oder: "Wo bleibt der Starkstrom, wenn man ihn mal braucht."

Tausende Postings analysieren

Die Ermittler müssen nun Tausende Postings analysieren, ob sie den Tatbestand der Verhetzung oder einen anderen (z. B. gefährliche Drohung, Beleidigung) erfüllen. Dann müssen die Urheber ausgeforscht werden. "Dabei gibt es immer wieder Probleme mit Facebook", sagt Vecsei: "Bei Sexualstraftaten bekommen wir die IP-Adressen binnen Stunden. Aber immer, wenn es um Meinungsfreiheit oder vermeintliche Meinungsfreiheit geht, ist man dort sehr zurückhaltend."

Dabei gibt es seit dem Sommer eine Übereinkunft zwischen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und den österreichischen Facebook-Managern, bei der Verfolgung von Hasspostern hilfreich zu sein. Es gibt sogar ein eigenes Kontaktformular, erzählt Vecsei, um die Übermittlung der IP-Adressen zu vereinfachen. "Aber mit mäßigem Erfolg, wir kommen da oft nicht weiter."

"Die Zahl der Hasspostings ist deutlich gestiegen", sagt Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, die häufig betroffen sind: "Das Flüchtlingsjahr 2015 hat animiert und aufgestachelt. Und man kann gemütlich vom Sofa aus eine feindselige Stimmung verbreiten."

486 Verfahren

2014 gab es in ganz Österreich 334 Verfahren wegen Verhetzung, die zu 72 Anklagen und 30 Verurteilungen führten. Im Vorjahr wurde ein Anstieg auf 513 Verfahren, 80 Anklagen und 44 Schuldsprüche verzeichnet. Heuer waren bis 1. Oktober bereits 486 Verfahren anhängig, 77 Anklagen sind bisher eingebracht.

Nach dem seit 1. Jänner 2016 verschärften § 283 Strafgesetzbuch ist es verhetzend, Menschen wegen ihrer Religion, Hautfarbe, Herkunft, Sprache, sexuellen Ausrichtung, Behinderung, ihres Geschlechts oder Alters oder ganz allgemein, weil sie Ausländer oder Flüchtlinge sind, herabzusetzen bzw. zu Hass aufzustacheln. Es drohen bis zwei Jahre, bei massenhafter Verbreitung bis drei Jahre Haft. Wer durch die Verhetzung bewirkt, dass Gewalt ausgeübt wird, riskiert bis zu fünf Jahre Haft.

Wobei sich die Gerichte bei der Auslegung der Verhetzung nicht immer einig sind.

"Schutzsuchende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen. Alles andere wäre rassistisch", legte jemand im Internet der Parteichefin der Grünen, Eva Glawischnig, in den Mund.

Ein Gericht verurteilte den Autor des erfundenen Zitats, ein anderes wertete die Aktion gerade noch als Satire. Die Grünen haben Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt.

Wie sehr die Wogen bei Diskussionen im Internet hochgehen, hängt oft vom Thema ab, erklärt die Soziologin Lea Stahel von der Universität Zürich. "Verschiedene Proteste ziehen verschiedene Bevölkerungsgruppen an – bei Kultur- und Bildungsthemen geht es ganz anders zu als bei Diskussionen zum Tierschutz oder über Flüchtlinge."

Im Rahmen einer Studie hat sich gezeigt, dass die vermeintliche Anonymität im Netz Hasskommentare nicht unbedingt fördert – im Gegenteil. "Hassposter, die unter ihrem echten Namen schreiben, wirken glaubwürdiger", sagt Stahel. "Wenn ich unter realem Namen aggressiv bin, kann es bei anderen das Gefühl auslösen, das ist soziale Norm und wird nicht sanktioniert." Wenn Online-Foren oder Kommentare unter Artikeln nicht moderiert werden, entsteht bei den Menschen der Eindruck, das darf man jetzt so sagen. "Dann trauen sich die Menschen, unter ihrem richtigen Namen zu schreiben. Und das führt wiederum dazu, dass man andere mobilisieren kann. In der Menge fühlt man sich sicher."

Kein Stammtisch

Stahel zufolge, muss man sich anschauen, woher die Aggressivität kommt – "das ist eher ein politisches Problem. Der digitale Diskurs verstärkt nur die Aggression, die schon da ist." In der Öffentlichkeit werden hetzerische Aussagen eher sanktioniert – das traut man sich nur unter Freunden am Stammtisch.

"Soziale Medien tragen dazu bei, dass man mehr Gleichgesinnte findet. Je homogener der Diskurs, desto weniger anonym posten die Leute." Allerdings warnt Stahel davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen: "Online kann jedes Posting geteilt oder kopiert werden, man kann einen Screenshot machen – es ist alles belegbar."

Zu solchen Belegen rät Marlene Kettinger von Saferinternet.at, einer Plattform für die sichere Nutzung des Internet. "Hasspostings sollten mit Screenshots dokumentiert und an den Seitenbetreiber gemeldet werden. Bei Facebook dauert es manchmal länger – da hört man immer wieder als Antwort, dass das Posting nicht gegen die Bestimmungen verstößt. Das frustriert viele." Umso hilfreicher sei es dann, Freunde dazu aufzurufen, das Posting auch zu melden. "Oft erkennt Facebook sprachliche Nuancen nicht. Wenn mehrere etwas melden, kann das eine Löschung bewirken."

Richtet sich ein Hassposting gegen eine Menschengruppe, rät Kettinger zu Gegenrede mit sachlichen Argumenten, um dem Angreifer den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Es gilt, die Fehler klar zu benennen, etwa zu sagen: Das ist rassistisch. Meist kann man den Hasser nicht umstimmen, aber da geht es darum, den vielen stillen Mitlesern aufzuzeigen, dass falsche Gerüchte verbreitet werden."

Durch den Facebook-Algorithmus kommen die Leute aus ihrer Meinungsblase gar nicht mehr heraus, kritisiert Kettinger. "Da kann es nicht schaden, wenn sich jemand mit einer anderen Meinung einmischt." Und man zeigt: Das ist nicht in Ordnung, das ist strafbar. Alles, was im Offline-Leben strafbar ist, ist es auch online. "Das aufzuzeigen, braucht oft viel Mut."

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