Großbaustelle Integration: Der lange Weg zum Gelingen

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Integration ist das Wahlkampfthema Nummer eins, das weit über die Debatte "keine Bildung, keine Chance" hinausgeht. Welche Baustellen in der Integration offen sind und was auf uns nach der Wahl zukommt, lesen Sie im letzten Serienteil.

In Österreich leben mehr als 1,65 Millionen Menschen, deren Wurzeln im Ausland sind. Deutlich mehr als anderswo gibt es in Wien, wo sich der gesellschaftliche Wandel nicht nur in Zahlen ausdrückt. So machte erst diese Woche die Runde, dass es an den Wiener Pflichtschulen mehr Muslime als Katholiken gibt. Oder haben Sie gewusst, dass 2016 bei jeder fünften geschlossenen Ehe zumindest ein Partner ausländischer Herkunft war?

Aber wie geht es mit den Zehntausenden Flüchtlingen im Land weiter, die in den vergangenen Jahren kamen? Die genaue Zahl, wie viele derzeit in Österreich leben, liefert keine Statistik. Das Innenministerium veröffentlich regelmäßig Zahlen zu den offenen Asylverfahren. Wer aber als Flüchtling anerkannt ist, kann sich in Österreich frei bewegen oder auch ins Ausland verreisen. So weit die Gesetzeslage. Wie es um die Integration in Österreich da wirklich bestellt ist, darüber sagen diese Zahlen wenig aus. Faktum ist, dass in Österreich bei der Integration in der Vergangenheit schon einiges schief gelaufen ist. Stichwort: Österreichische Staatsbürgerschaft, aber kaum ein Wort Deutsch – seit Gesellschaft wie Politik genauer auf dieses Problem blicken, wird offenkundig, dass man hier nicht von Einzelfällen sprechen kann.

Aber was ist mit den Neo-Österreichern, die im Zuge der Flüchtlingskrise in den vergangenen zwei Jahren zu uns gekommen sind? Werden sie es schaffen, sich zu integrieren? Welche Hürden müssen sie nehmen?

Großbaustelle Integration: Der lange Weg zum Gelingen
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Im letzten Teil der Plan K-Serie geht die KURIER-Redaktion dieser Frage näher auf den Grund. Nicht nur weil sich die Politik im Finale des Nationalratswahlkampfs hier viel zu sagen hat. Verfahrensdauer, Deutsch-Kurse, Weiterbildung oder Wohnen und Arbeit sind auch Themen für die nächsten Jahre. Im ersten Teil unserer Serie beschreiben wir diese offenen Baustellen (siehe unten). Wie sehr das reale Leben zwischen Österreichern und Neo-Österreichern auseinanderklafft, zeigt auch folgende Zahl: 72 Prozent der Migranten leben in Mietwohnungen, bei den Nicht-Migranten liegt der Anteil bei gut einem Drittel.

Großbaustelle Integration: Der lange Weg zum Gelingen
APA19586786-2_29072014 - TRAISKIRCHEN - ÖSTERREICH: ZU APA0157 VOM 29.07.2014 - Asylwerber am 22. November 2012 in der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen . Die Personen im Foto wurden aufgrund rechtlicher Bestimmungen im Zuge der Bildbearbeitung unkenntlich gemacht. In der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen gilt ab Mittwoch, 30. Juli 2014, ein Aufnahmestopp. (ARCHIVBILD VOM 22.11.2012) FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT

Als im Sommer 2015 Zehntausende Flüchtlinge in Österreich ihre Asylanträge stellten, erwischte es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eiskalt: Die Kapazitäten waren für maximal 17.000 Asylentscheidungen ausgelegt, beinahe 90.000 Anträge wurden gestellt. Mittlerweile hat das BFA seine Mitarbeiterzahl nahezu verdreifacht: Im April 2017 arbeiteten 1349 Menschen für die Behörde. Trotzdem dauerte ein Asylverfahren im Vorjahr durchschnittlich neun Monate. Der Leiter des BFA, Wolfgang Taucher, kündigte an, die Verfahrensdauer ab Mitte 2018 auf drei Monate verkürzen zu wollen. Dafür müssten die Ressourcen jedoch stark erweitert werden.

Um in Österreich Asyl oder Subsidiären Schutz zu bekommen, müssen Flüchtlinge bei ihrer Einreise einen Asylantrag bei der Polizei stellen und sich einer Erstbefragung unterziehen. Die Erstbefragung dient dem BFA als Grundlage für eine Prognose, ob Österreich für den Asylwerber zuständig ist. Ist das der Fall, kommt der Asylwerber in eine Flüchtlingsunterkunft und erhält dort die Grundversorgung. Bis das Asylverfahren beginnt, ist er nicht dazu berechtigt, arbeiten zu gehen, für Kinder herrscht Schulpflicht. Es kann gut und gerne zwei Jahre dauern, ehe ein Asylwerber zu seiner Einvernahme beim BFA eingeladen wird. Nach einem "Interview", das je nach Herkunftsland bis zu elf Stunden dauern kann, erstellt das BFA einen Bescheid, in dem es begründet, warum der Asylwerber abgewiesen werden sollte oder bleiben darf.

Wird ein Asylwerber abgewiesen, hat er die Möglichkeit, beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Beschwerde einzureichen. Dort nehmen sich Richter des Falles an und entscheiden nach einer weiteren mündlichen Verhandlung über das Schicksal des Asylwerbers.

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APA19586786-2_29072014 - TRAISKIRCHEN - ÖSTERREICH: ZU APA0157 VOM 29.07.2014 - Asylwerber am 22. November 2012 in der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen . Die Personen im Foto wurden aufgrund rechtlicher Bestimmungen im Zuge der Bildbearbeitung unkenntlich gemacht. In der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen gilt ab Mittwoch, 30. Juli 2014, ein Aufnahmestopp. (ARCHIVBILD VOM 22.11.2012) FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT

Die gute Nachricht vorweg: Das Kursangebot wurde erweitert und professionalisiert. Die Probleme liegen aber in der ungewissen Zukunft, wie Fachleute dem KURIER berichten.

"Die Deutsch-Kurse vom Arbeitsmarktservice reichen nicht aus, um die Sprache zu erlernen", kritisiert Ayten Pacariz vom Wiener Hilfsverein Nachbarinnen. Teilnehmerinnen beklagen, dass die Ausgangsniveaus in den Kursen zu unterschiedlich sind. Ihre psychische Verfassung werde zu wenig berücksichtigt. Auch die Qualität der Institute und ihrer Lehrer sollte vom AMS besser evaluiert werden: "Es liegt nicht immer an den Teilnehmern, dass die Deutsch-Niveaus nicht erreicht werden. Es liegt oft auch an der unzureichenden Qualifikation der Kursleiter."

David Himler, der in Wien-Favoriten das Bildungszentrum der Caritas für Flüchtlinge und Migranten leitet, berichtet: "Viele Teilnehmer bekommen bei uns zusätzlich zum Sprachkurs Lernhilfe, Bewerbungstraining, Berufs- oder Sozialberatung." Einen ähnlichen Zugang verfolgt man im Bildungszentrum der Diakonie in Mödling. Pawel Serkowitsch: "Wir nehmen immer auf die konkrete Lebenssituation der Teilnehmer Rücksicht. Wer noch das Trauma eines Kriegs oder einer Flucht im Kopf hat, wer von seiner Familie getrennt lebt, wer nicht weiß, wo er im nächsten Monat schlafen soll, hat oft auch mit anderem zu kämpfen als mit dem Pythagoräischen Lehrsatz."

Im Jahr 2016 sei einiges in Bewegung gekommen, sind sich Serkowitsch und Himler einig. Die Frage sei, ob die Finanzierungen nach der Nationalratswahl verlängert wird. Serkowitsch: "Wer gute Lehrer haben möchte, muss ihnen auch eine Perspektive bieten." Himler an die Politik: "Nichts wäre schlimmer, als funktionierende Strukturen mit einem Mal zu zerschlagen."

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Flüchtlinge im Flüchtlingshaus St.Gabriel beim Deutschkurs

Seit dem Jahr 2015 kamen laut Bildungsministerium 18.000 Flüchtlinge im Alter zwischen 6 und 18 Jahren in die österreichischen Schulen und andere Bildungs-Lehrgänge. Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zu integrieren, schafft naturgemäß soziale, interkulturelle, sprachliche und pädagogische Herausforderungen. Diese werden und wurden oft vor allem von Lehrern zusätzlich gestemmt, die dabei allerdings mehr Unterstützung benötigen. "Die Lehrer haben damals im September 2015 Unglaubliches geleistet" , heißt es aus dem Ministerium. Neben den bereits 250 zusätzlich engagierten Lehrkräften hat Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) zuletzt das Budget dafür gefordert, 5000 weitere anstellen zu können. Diese würden allen Schülern zugute kommen. Ausgebaut werden soll auch das Personal in der Schul-Sozialarbeit.

Eine besondere Herausforderung ist es, Jugendliche ins Bildungswesen zu integrieren, die schon etwas älter nach Österreich kommen. An hundert Schulen führen deshalb "Übergangslehrgänge" mit einem eigenen Lehrplan etwa 2000 geflüchtete Jugendliche über 15 an Weiterbildungen heran. Im Ministerium setzt man auch auf die Kooperation mit der Zivilgesellschaft. Vereine und Hilfsorganisationen veranstalten Tausende Workshops in Schulen, die sich etwa mit der Gleichstellung von Mann und Frau oder einem respektvollen Zusammenleben auseinandersetzen. Bei Schwierigkeiten in der Verständigung und auch bei familiären Problemen kommen neu geschaffene "mobile interkulturelle Teams" zum Einsatz. Massiv ausgebaut wurde auch die Sprachförderung. Man habe zuletzt Anerkennung im Ausland für die Maßnahmen erfahren, heißt es aus dem Bildungsministerium.

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Eine Schule.

Auf dem freien Immobilienmarkt haben Flüchtlinge kaum Chancen, eine Wohnung zu bekommen. Viele können sich Kaution oder Provision nicht leisten. "Dazu kommt der Alltagsrassismus und dass nur wenige Vermieter an Menschen vermieten, die von der Mindestsicherung leben", sagt Christoph Riedl vom Flüchtlingsdienst der Diakonie. Denn die Mindestsicherung ist bei Ausbleiben der Mietzahlungen vom Vermieter nicht einklagbar.

Viele Asylberechtigte geraten deshalb nach der Grundversorgung in prekäre Wohnverhältnisse. Viele leben auf wenigen Quadratmetern, manche sitzen Betrügern auf. Diese – oft aus den Herkunftsländern der Asylberechtigten – tarnen sich als Vermittler und vermieten oft Sub-Standard-Wohnungen in heruntergekommenen Häusern. Die Mietzahlungen geben sie aber nicht an die Hausbesitzer weiter, sondern behalten sie ein. Den Mietern droht dann die Delogierung.

Entscheidend ist die Wohnsituation auch für unbegleitete Flüchtlinge, die die Volljährigkeit erreichen: Sie müssen dann aus den betreuten Unterkünften ausziehen. "Viele brauchen mit 18 noch Unterstützung", sagt Riedl. Die Diakonie hat deshalb in Wien das Projekt "Karibu" ins Leben gerufen: In 80 Startwohnungen erhalten unbegleitete Flüchtlinge ab 18 in WGs Betreuung und Beratung. Bildungsabbrüche sollen so verhindert und die Gefahr, dass die Jugendlichen auf Betrüger hereinfallen, reduziert werden. Auch für Familien, die nach Asylanerkennung aus den Grundversorgungsquartieren ausziehen müssen, gibt es 66 neue Wohnungen. "Es wäre gut, wenn die Regierung mehr in Startwohnungen für alle sozial Schwächeren investiert", sagt Riedl. Einen Integrationscoach für jeden Flüchtling hält er für sinnvoll. "Leider haben wir in Österreich keine Integrationsstrategie."

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Eine Unterkunft für jugendliche Flüchtlinge in Döbling

Für Asylsuchende ist es in der Regel nicht möglich, eine Arbeitsbewilligung zu bekommen. Ausnahmen sind gemeinnützige Tätigkeiten. Dazu zählen geringfügige Hilfsarbeiten oder Jobs in der Landwirtschaft. Auch für anerkannte Flüchtlinge ist der Einstieg in den Arbeitsmarkt äußerst schwierig. Nur ein geringer Prozentsatz findet sofort einen Job. Die Gründe dafür sind mangelnde Deutschkenntnisse, vor allem aber die fehlende Qualifikation. Es scheitert oftmals auch daran, dass Flüchtlinge in ihren Heimatländern zwar in bestimmten Berufen gearbeitet haben, es fehlt ihnen aber der für Österreich notwendige Abschluss. Das neue Integrationsjahr soll hier als Brückenkopf für einen leichteren Einstig in den Arbeitsmarkt dienen.

Wichtiger wäre aber, so eine Reihe von Experten, wie zum Beispiel der Vorstand des Arbeitsmarktservice Johannes Kopf, dass junge Flüchtlinge so schnell wie möglich eine Lehre machen können. Er plädiert dafür, dass auch schon Asylwerber mit hoher Anerkennungsquote, wie zum Beispiel Syrer, noch während der Verfahren eine Lehre beginnen sollten. Unbesetzte Lehrstellen gäbe es, so Kopf, derzeit in Österreich genug. Auch Caritas-Direktor Michael Landau fordert, dass man für Asylwerber die Lehre für sämtliche Lehrberufe öffnet, da diese die beste Form für eine zielführende Integration sei. Dazu sei es auch notwendig, dass bürokratische Hürden beseitigt werden.

Des Weiteren fordern Experten, dass man Flüchtlinge bestmöglich ausbildet und nicht zu schnell in den Arbeitsmarkt eingliedert. Sonst bestünde die Gefahr, dass man ein Heer von Hilfsarbeitern produziert, die schneller wieder in der Mindestsicherung landen als Menschen in besser qualifizierten Jobs. Für Firmen sollten zudem auch Anreize geschaffen werden, Flüchtlinge auszubilden.

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Mit der Lehre qualifizierte Arbeiter statt Hilfsarbeiter ausbilden

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