"Ich schaue gut auf deine Kinder"

"Ich schaue gut auf deine Kinder"
Im Juni wurde Michaela K. erstochen. Ihre Mutter verlor die einzige Tochter, doch die Enkel geben ihr Kraft.

Irgendwann in der Früh kam es im Radio. Eine Frau sei erstochen worden, in einer Siedlung in Graz-Wetzelsdorf. "Ich bin im Wohnzimmer auf und ab", erinnert sich Herta K. "Ich hab’ gedacht, das kann doch nicht meine Michaela sein."

Es war Michaela. 31 Jahre jung, dreifache Mama. Am 18. Juni wurde sie in ihrem Bett mit einem Küchenmesser erstochen, vor den Augen ihres sechsjährigen Sohnes. "Er hat alles gesehen", bedauert Herta. "Er hat gesehen, wie sie erstochen wurde. Er hat gesehen, wie die Polizisten gekommen sind. Er hat sie gefragt: ‚Muss ich jetzt auch sterben?‘"

Der falsche Typ

Knappe vier Monate sind seither vergangen. Michaelas Mutter sagt, seit dem Tod ihrer Tochter "funktioniere" sie. "Aber das Leben ist anders, es ist kaputt. Sie war so hübsch, so fleißig. Aber sie ist auf den falschen Typen reingefallen."

Der "falsche Typ" ist der mutmaßliche Täter, ein 25-jähriger Mann. Er sitzt in U-Haft. Der Bosnier rief am 18. Juni selbst die Polizei und saß am Balkon, als die Beamten kamen. Ein Jahr lang sei ihre Tochter mit ihm zusammengewesen, beschreibt die 61-Jährige. Ein Jahr, das geprägt von Gewalt gewesen sei: Drei Mal sei der 25-Jährige von der Polizei aus der Wohnung gewiesen worden, doch "die Michaela hat ihn immer wieder zurückgenommen", bedauert Herta K. "Aus Angst. Wenn er weggewiesen worden ist, hat er sie beobachtet, er hat sie bedroht. Und er wollte Arian."

Arian ist das gemeinsame Kind mit dem 25-Jährigen, ein Baby von jetzt sieben Monaten. Er wurde bei den Eltern des Verdächtigen untergebracht, während die beiden größeren Kinder, Lara und Matteo, bei Michaelas Mutter leben, vorerst zur Pflege. "Die Kinder geb’ ich nicht her", sagt die Grazerin bestimmt. "Sie geben mir Kraft. Und das hab’ ich der Michaela am Grab versprochen: Ich werd’ gut auf deine Kinder schauen."

Mamas Handy

Dazu gehört für Herta K., dass die Enkel auch Erinnerungsstücke an ihre Mutter haben. Michaelas iPhone etwa. Die zehnjährige Lara wollte es unbedingt, weil es der Mama gehörte. Doch das Gesetz ist klar: Das Telefon fiel in die Erbmasse und musste aus der Verlassenschaft herausgekauft werden. 100 Euro zahlte Laras Opa dafür. "Da werden bürokratische Hürden aufgebaut, die Kosten verursachen", ärgert sich Jurist Martin Wabl, pensionierter Richter und Ex-Politiker. Er unterstützt die Familie in Rechtsfragen. "Die menschliche Tragödie tritt völlig in den Hintergrund." Drei juristische Institutionen seien tätig, Bezirksgericht, Notar, Verlassenschaftskurator. "Es ist Zeit für eine Straffung des Systems", fordert Wabl.

Herta K. hat das Grab ihres einzigen Kindes schön hergerichtet. "Aber ich gehe nicht gerne dort hin", gesteht sie. "Ich mag mir nicht vorstellen, dass sie dort liegt."

Aber die Enkel, die verlangten manchmal nach einem Besuch am Friedhof. "Dann gehen wir natürlich." Lara und Matteo gingen als Kinder unbefangener damit um. "Es kann passieren, dass Matteo dann für die Mama tanzt", beschreibt Herta. "Das soll er nur tun. Ich sage den beiden, die Mama ist im Himmel, ihr geht’s gut, sie ist nicht traurig. Und wir sollen auch nicht traurig sein."

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