Fall Kampusch: Tage der Entscheidung

Fall Kampusch: Tage der Entscheidung
Innsbruck: Im Verfahren gegen fünf Staatsanwälte zeigen die hochrangigen Beschuldigten höchst seltsame Reaktionen.

Ein Entführungsfall und kein Ende: Am 23. August 2006 entkam die damals 18-jährige Natascha Kampusch nach zehn Jahren den Fängen des Entführers. Seit damals beschäftigt der spektakuläre Kriminalfall die Justiz, die bald schon einen Einzeltäter parat hatte: Wolfgang Priklopil.

Nun ist die Justiz selbst ins Zwielicht geraten. Mitglieder der prominent besetzten Evaluierungskommission werfen den leitenden Staatsanwälten vor, wichtige Zeugen nicht befragt und entscheidende Ermittlungserkenntnisse ignoriert zu haben.
Die Folge: Gegen fünf hochrangige Staatsanwälte wurde in Innsbruck ein Verfahren eingeleitet. Der Verdacht wiegt schwer: Amtsmissbrauch. Alle fünf - darunter die Oberstaatsanwälte Werner Pleischl und Thomas Mühlbacher - bestreiten die Vorwürfe, Ende Juli soll nun das Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden.

Fall Kampusch: Tage der Entscheidung

Es ist ein nervenaufreibendes Stück auf Tiroler Gerichtsbühne - zumindest für die Justiz. Denn diese Woche könnte die einzige Zeugin der Kampusch-Entführung mit ihrer Aussage für zusätzliche Brisanz im Amtsmissbrauchsverfahren sorgen.
Sechs Mal hatte Ischtar A. gegenüber den Ermittlern glaubhaft angegeben, am 2. März 1998, dem Tag des Kidnappings, zwei Täter im Entführungsfahrzeug gesehen zu haben; erst bei der finalen Einvernahme, bei der ersten und einzigen Gegenüberstellung mit Entführungsopfer Kampusch, einigte man sich - überraschend rasch - auf einen Einzeltäter namens Priklopil. Die Causa Kampusch wurde zu den Akten gelegt.

Jetzt ist ein unabhängiger Richter in Innsbruck am Zug. Und gerade Pleischl und Mühlbacher fallen bei der Aufarbeitung des delikaten Falles mit seltsamen Reaktionen auf: Sie entschlugen sich zur allgemeinen Verwunderung der Aussage. Offizielle Begründung: Der Richter habe eine Videoaufzeichnung ihrer Vernehmungen verlangt.

Seltsam: Eine Videoaufzeichnung von Beschuldigten dient der Verfahrensbeschleunigung. Und der Absicherung des Richters. Ein Beschuldigter kann sich dagegen nicht verwehren.
Noch seltsamer: Unmittelbar danach brachten Pleischl und Mühlbacher, deren Vernehmung auf siebeneinhalb Stunden anberaumt war, einen Ablehnungsantrag gegen den Innsbrucker Richter Putz ein, obwohl der als unabhängiges Organ in diesem Verfahren nicht einmal über eine Anklage entscheidet - er darf lediglich Fragen stellen und das Protokoll führen.

Nicht die einzigen Auffälligkeiten: Der beschuldigte Mühlbacher erschien in Innsbruck mit einer Vertrauensperson. Mit Eckart Rainer, dem ehemaligen Innsbrucker Oberstaatsanwalt. Dass Mühlbacher mit dem wichtigen Begleiter das Innsbrucker Gericht beeindrucken wollte, ist sicher nur ein bösartiges Gerücht. Fakt ist jedenfalls: In der Strafprozessordnung ist für einen Beschuldigten keine Vertrauensperson vorgesehen.

Übrigens: Auf die recht allgemeine KURIER-Anrage, ob mittlerweile alle fünf beschuldigten Staatsanwälte einvernommen wurden, hieß es aus Innsbruck: "Dazu gibt es keine Information."
Die viel zitierte Transparenz der österreichischen Justiz ist allem Anschein nach von Lust und Laune abhängig. Wenn etwa bei Ex-Finanzminister Grasser eine Hausdurchsuchung ansteht, dann werden die Medien rechtzeitig informiert, um das Spektakel erste Reihe fußfrei verfolgen zu können.
In eigener Sache lässt Justitia offenbar lieber Sprachlosigkeit walten.

Das Verfahren Im Jänner 2010 schließt die Justiz den Akt Kampusch. Auf Betreiben von Ex-Höchstrichter Johann Rzeszut (Mitglied der Evaluierungskommission, die zahlreiche Ungereimtheiten entdeckte) wird ein Verfahren gegen fünf Staatsanwälte wegen Verdac hts auf Amtsmissbrauch eingeleitet. Bis Ende Juli will Richter Putz nun in Innsbruck die Einvernahmen abgeschlossen und die Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft Innsbruck übermittelt haben. Dort wird befunden, ob gegen die Staatsanwälte Anklage erhoben wird. Ein Vorhabensbericht landet beim Justizministerium, wo die endgültige Entscheidung fällt.

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