Fall Kampusch: Endstation Justizministerium

Fall Kampusch: Endstation Justizministerium
Der Chefermittler in der brisanten Causa Kampusch durfte nicht in Richtung schwerer Kindesmissbrauch ermitteln.

Kindesmissbrauch und Pornonetzwerke. Diese Hintergründe vermutete Chefermittler Franz Kröll im Entführungsfall Natascha Kampusch. Ein Fall, der Anfang 2010 offiziell mit einem (toten) Einzeltäter Wolfgang Priklopil eingestellt wurde, trotz zahlreicher Widersprüche um mögliche Mittäter. Der KURIER berichtet seit Monaten über diverse Ungereimtheiten. Auch die jüngsten Recherchen lassen die Verdachtsmomente des Kriminalisten plausibel erscheinen - und werfen neue Fragen auf.

Im Oktober 2008 ersuchte Kriminalist Kröll darum, zumindest vier namentlich bekannte Personen einvernehmen zu dürfen. Das geht aus neuen internen Unterlagen hervor, die dem KURIER vorliegen. Der hoch dekorierte Polizeioberst wollte einem schwer wiegenden Verdacht nachgehen: Sexueller Missbrauch von Unmündigen (§207), schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen (§206) sowie pornografische Darstellung Minderjähriger (§207a).

Seltsamerweise verweigerte die Staatsanwaltschaft dem Sonderermittler die gewünschten "Einvernahmen" . Stattdessen wurden lediglich "zweckdienliche Erkundigungen" erlaubt. Mehr noch: Franz Kröll durfte allein in Richtung pornografischer Darstellung Minderjähriger ermitteln. Die Missbrauchsaspekte, für
die härtere Strafen und längeren Verjährungsfristen gelten, wurden ausgespart.
Wie aber kam es nun zum Wegfall der Missbrauchspunkte, die für Kröll und seinen Kollegen so wichtig gewesen waren? Wer hinderte die Beamten daran, die schaurigen Abgründe des Verbrechens zu erkunden?

Im Normalfall schickt ein Kriminalist einen Ermittlungsantrag an die Staatsanwaltschaft, die dann zu entscheiden hat. Im besonders heiklen Fall Kampusch jedoch landete das Ansinnen des Chefermittlers am 24. Oktober 2008 im Ministerium. Bei Albin Dearing, dem Kabinettschef der damaligen Justizministerin Maria Berger (SPÖ).

Welche Rolle spielte der einstige Spitzenbeamte Dearing tatsächlich bei der Anweisung an die Kampusch-Ermittler, lediglich zweckdienliche Erkundigungen durchzuführen, jedoch keine Einvernahmen in Richtung Kindesmissbrauch durchzuführen? Welche Motive lagen dieser Entscheidung zugrunde? Antworten auf ebendiese Fragen erwartet sich auch der BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler, der aktuell eine entsprechende Parlamentarische Anfrage eingebracht hat.

Albin Dearing, heute am Europäischen Gerichtshof tätig, meinte dazu gestern auf KURIER-Anfrage: "Ich bin nicht mehr innenpolitisch tätig. Dazu sage ich nichts. Außerdem ist es lange her, ich kann mich nicht mehr erinnern."
Auch Oberst Kröll, der noch Monate nach der offiziellen Einstellung des Falles auf eigene Faust weiterermittelt hatte, kann den Verhinderer entscheidender Missbrauchsermittlungen nicht mehr nennen: Der Kriminalist, in dessen Hinterlassenschaft Hinweise auf Pornonetzwerke mit prominenter Beteiligung auftauchen (der KURIER berichtete) , schied im Juni 2010 aus dem Leben.
Die offizielle Version lautet Selbstmord.

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