Die Pannenserie der Wiener Stadtregierung

Krankenhaus Nord.
Von der Mindestsicherung bis Wiener Wohnen. Warum derzeit in der Verwaltung so vieles schief läuft.

Es werden ungemütliche Tage für die Stadtregierung: Nach den vielen Skandalen in den SPÖ-Ressorts bläst die Opposition im heutigen Gemeinderat und im Landtag am Freitag zum Angriff auf die rot-grüne Koalition. Denn die Zahl der Pannen und Pleiten in der Verwaltung ist zuletzt bedenklich gewachsen:

Wiener Wohnen: Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen 32 Mitarbeiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im Zuge von Gemeindebau-Sanierungen ermittelt.

Mindestsicherung: Nur wenige Tage zuvor gelangte ein Rechnungshof-Rohbericht an die Öffentlichkeit, der massive Missstände bei der Vergabe der Sozialleistungen aufzeigt (siehe unten).

Kindergärten: Bereits ein Dauerbrenner sind Fälle von Missbrauch der städtischen Fördergelder.

Spitäler: Auch in den Gemeindespitälern ortete der Rechnungshof zuletzt massive Mängel im Management und enorme Kosten für externe Berater.

Dass sich derzeit so viele Missstände häufen, hängt für den Politik-Berater Thomas Hofer nicht zuletzt mit dem aktuellen Zustand der Stadtregierung zusammen, konkret mit dem Richtungsstreit innerhalb der SPÖ. "Wäre sie stabil aufgestellt, wären so manche der Baustellen wohl schon wieder geschlossen", ist Hofer überzeugt. So aber herrsche derzeit massive Verunsicherung und Unklarheit darüber, wie Entscheidungen laufen, wer überhaupt das Sagen hat und wie es weitergeht. Mitverantwortlich dafür sei Bürgermeister Michael Häupl: "Nach außen hin signalisiert er Gelassenheit und dass alles halb so schlimm ist. Parteiintern kommt aber die Botschaft an, dass er die Dinge treiben lässt."

Flucht nach vorne

Häupl verordnete seiner Partei daher die Flucht nach vorne. Die eben erst neu bestellten Stadträte sollen den Karren aus dem Dreck ziehen. Sowohl Sozialstadträtin Sandra Frauenberger als auch Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky kündigten am Mittwoch an, ihre Abteilungen ordentlich umzukrempeln und die Kontrollen zu verschärfen.

Der Koalitionspartner bleibt skeptisch. "Anders als man es uns beim Regierungseintritt vorgeworfen hat, sind wir der stabile Faktor in der Regierung", sagt der grüne Landessprecher Joachim Kovacs. "Die aktuellen Probleme kann man nicht schönreden." Er plädiert für einen weiteren Ausbau der Kontrollen. "Bei den Kindergärten etwa ist das zwar schon passiert, trotzdem müssen wir nachschärfen." Am besten wäre es laut Kovacs überhaupt, den Anteil der städtischen Kindergärten zu erhöhen. "Das würde auch die Kontrolle erleichtern."

Der früher Präsident des Rechnungshofes Franz Fiedler lobt zwar die Arbeit des Stadtrechnungshofs, er könne sich aber nur auf eine nachträgliche Kontrolle beschränken. Darauf allein darf man sich nicht verlassen." Wichtig sei ein Ausbau der begleitenden Kontrolle, vor allem auch in Hinblick auf die Prävention von Korruption. "Sie wird durch Misswirtschaft begünstigt." Fiedler sieht Wien keineswegs als Sonderfall. Allerdings sei durch die vielen Gemeindemitarbeiter die Wahrscheinlichkeit von Verfehlungen Einzelner deutlich höher als in anderen Gemeinden.

Eigener Stadtrat

Für die Opposition ist die Sachlage klar: "Die Stadtregierung ist in der jetzigen Aufstellung nicht fähig, der Lage Herr zu werden", sagt Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger. "Wir fordern daher einen eigenen Anti-Korruptions-Stadtrat, der sich mit dem Aufbau von Strukturen beschäftigen muss, die die systematische Korruption verhindern." Der Stadtrat – eine möglichst unabhängige Person – soll nach einem Hearing im Gemeinderat gewählt werden. "Wien ist zu einem Selbstbedienungsladen verkommen", wettert ÖVP-Chef Gernot Blümel. "Es bekommt jeder Geld, egal ob er es braucht oder nicht." Auch FPÖ-Klubchef Dominik Nepp sieht als Ursache der aktuellen Missstände die "Querelen innerhalb der Wiener SPÖ" und die "Streitigkeiten in der rot-grünen Koalition".

Es werden ungemütliche Tage.

>> Kommentar von Elias Natmessnig: "Häupls Aufgabe"

Task Force soll Chaos bei der Mindestsicherung beseitigen

Nach dem vernichtenden Rechnungshof-Bericht zur Vergabe der Mindestsicherung in Wien will jetzt Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) die zuständige MA 40 völlig neu aufstellen. Ab sofort wird sich eine interdisziplinäre Task Force mit elf bis zwölf Mitgliedern (zum Beispiel: Experten für Personalmanagemet, Controlling und Juristen) um die Neuorganisation der Abteilung kümmern. Sie alle stammen nicht aus der MA 40. Projektleiter wird Peter Stanzl von der MA 24 (Gesundheits- und Sozialplanung). Die Gruppe soll ein Jahr arbeiten, aber laufend Ergebnisse präsentieren.
Wie berichtet, hat der Rechnungshof massive Missstände festgestellt. Zum Beispiel eine mangelhafte interne Kontrolle der Akten. Etliche davon seien überhaupt verschollen. Als Folge nahm in der Vorwoche die bisherige MA-40-Leiterin Ulrike Löschl ihren Hut.

Wachstumsprobleme

„In den vergangenen Jahren wurden die Anforderungen wegen der steigenden Fallzahlen größer“, begründet Frauenberger die jetzt zu Tage getretenen Mängel. „Wir haben die Mitarbeiter in der MA 40 aufgestockt. Wegen des Wachstums haben wir jetzt organisatorisch aber einiges aufzuholen.“ Seit Einführung der Mindestsicherung wuchs laut Büro Frauenberger das Aktenaufkommen um 70 Prozent. Die Dienstposten in der MA 40 wurden von 213 auf 395 aufgestockt. Eine mögliche Aufnahme von weiteren 114 Personen als Überstand wurde im Vorjahr genehmigt.
Ein Schwerpunkt der Task Force wird die Kontrolle der Mitarbeiter sein. Bisher wurde nur stichprobenartig überprüft, ob sie ihre Aufgaben korrekt erfüllen. Nun soll geklärt werden, ob das reicht. Indes verzögern sich die rot-grünen Verhandlungen zur Reform der Wiener Mindestsicherung. Auch hier müssen die Empfehlungen des Rechnungshofs berücksichtigt werden. Grundsätzlich würden die Gespräche aber laut Frauenberger gut verlaufen.

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