VP-Chef Steiner winkt als Spitzenkandidat ab

Thomas Steiner lässt mit überraschenden Ansagen aufhorchen
Zur Bundespolitik: "Glaube nicht, dass die Koalition hält".

Genau heute vor einem Jahr hat der Eisenstädter Bürgermeister Thomas Steiner die ÖVP-Burgenland übernommen. Wenige Tage zuvor hatten die Schwarzen bei der Landtagswahl 5,5 Prozent eingebüßt und waren erstmals seit 1945 knapp unter 30 Prozent gesunken. Rot und Blau einigten sich auf eine Koalition, die ÖVP flog nach sieben Jahrzehnten von der Regierungsbank. Franz Steindl musste nach 15 Jahren als Landeshauptmannstellvertreter und ÖVP-Obmann gehen, sein früherer Büroleiter Steiner folgte ihm zunächst als geschäftsführender Parteichef, im November wurde er beim Parteitag mit 97,6 Prozent gewählt.

Lieber Neuwahl als fauler Kompromiss im Bund

Im Gespräch mit dem KURIER zum ersten Jahrestag als Parteichef, lässt der 49-jährige Oppositionsführer im Landtag aufhorchen. „Wenn die rot-schwarze Koalition im Bund nur mehr faule Kompromisse zustande bringt, sind mir Neuwahlen lieber“. Dass der neue rote Kanzler Christian Kern eine Besserung gebracht hätte, sieht Steiner nicht. Gerade die jüngsten Zahlenspielereien um die Asylanträge lassen ihn am beschworenen Neustart zweifeln. „Damit begibt man sich auf extremes Glatteis“.
Die SPÖ habe bloß Köpfe ausgetauscht. Aber der inhaltliche Konflikt zwischen der linken Willkommenskultur und der rechten Grenzen-dicht-Fraktion um Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, schwele weiter: Steiner: „Ich traue Kern nicht zu, diesen Spagat zu schaffen.“ Deshalb könne er sich „beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Koalition bis 2018 hält“.

Mehrheitswahlrecht

Und dann? Es brauche klare Verhältnisse, plädiert der Jurist auf „allen politischen Ebenen“ für einen Wechsel zum Mehrheitswahlrecht. Das gegenseitige Blockieren in der Regierung hätte damit ein für alle Mal ein Ende. Nach einem ersten Wahlgang würden die beiden stärksten Parteien in eine Stichwahl kommen. Der Sieger erhält die absolute Mehrheit plus ein Mandat, die restlichen Mandate würden auf die anderen Parteien nach deren Stärkeverhältnis im ersten Wahlgang aufgeteilt. Die Doppelwahl würde von der Bevölkerung akzeptiert, weil dadurch gewährleistet sei, dass die „gesamte Legislaturperiode durchgearbeitet wird“, ist der pannonische ÖVP-Frontmann überzeugt. Und die Gefahr der Allmacht bestünde auch nicht, weil sich die Regierungspartei bei Zwei-Drittel-Materien ohnehin um Zustimmung der Opposition bemühen müsse.

Damit stellt sich auch die Frage nach dem Bundespräsidenten, denn dessen starke Position beim Auftrag zur Regierungsbildung und der Ernennung des Kanzlers würde durch ein Mehrheitswahlrecht wohl massiv berührt. Auch hier kann sich Steiner weitreichende Reformen vorstellen: „Wir brauchen irgendeine Form des Staatsoberhaupts“, aber diese Funktion könnten auch die Landeshauptleute im Rotationsprinzip oder das Präsidium des Nationalrats übernehmen, will Steiner eine Diskussion ohne Scheuklappen anstoßen.

Seiner Partei rät der aus dem Arbeitnehmerflügel ÖAAB kommende Steiner, die Wirtschaftskompetenz in den Vordergrund zu rücken. Die Arbeitszeit müsse flexibilisiert werden, damit Unternehmen im Wettbewerb bestehen könnten und Steiner schlägt auch vor „Überstunden komplett steuerfrei“ zu stellen. Denn „Leistung muss sich lohnen“. Dass solche Forderungen bei den schwarzen Arbeitnehmervertretern auf Missfallen treffen, fürchtet Steiner nicht: „Der ÖAAB hat die gleichen Grundprinzipien“.

Und Rot-Blau im Burgenland? Es sei „nicht viel Handfestes“ passiert, was der Bevölkerung konkrete Verbesserungen gebracht hätte, meint Steiner wenig überraschend. Die FPÖ habe sich offenbar zur Selbstaufgabe entschieden.

Anderer Spitzenkandidat

Sehr wohl vermag der ÖVP-Chef aber mit einer anderen Ansage zu verblüffen: Auf die Frage, ob er bei der nächsten Landtagswahl 2020 als Spitzenkandidat antreten werde, antwortet er unmissverständlich: „Mein Fokus liegt in Eisenstadt“, wo er 2017 wieder Bürgermeister werden will.

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