Sieggraben: Das Skandal-Heim wird geschlossen
Freitagmittag: Im und vor dem Flüchltingsheim im burgenländischen Sieggraben herrscht hektisches Treiben. Vor dem Haus warten einige Taxis. "Ich habe meinen Koffer fertig gepackt", sagt Ahmad Sagal. Erst in der Früh hatten er und die anderen 20 Hausbewohner erfahren, dass sie umziehen werden. Während die einen froh sind, das desolate Flüchtlingsheim verlassen zu können, macht sich bei anderen Angst breit. "Ich weiß nicht, wo sie mich jetzt hinbringen. Was erwartet uns dort", fragt ein 23-jähriger Senegalese. Die Flüchtlingsbetreuerin versucht den Mann zu beruhigen.
Am Dienstag machte der KURIER desaströse Zustände im Flüchtlingsheim Sieggraben publik. In dem ehemaligen Bordell waren bis Freitag knapp 20 Flüchtlinge untergebracht – in der Einöde warteten sie auf den Ausgang ihrer Asylverfahren. In der einstigen Madame Bar sind Sanitäranlagen teils ohne Strom, Fenster undicht, Heizkörper kaputt. Zustände, die die Landesregierung bis Dienstag offenbar nicht interessierten. Doch nach dem Bericht distanzierte sich selbst das Innenministerium von den burgenländischen Behörden. "Wir haben sofort unangekündigte Kontrollen in den Einrichtungen durchgeführt", heißt es aus dem Büro von Landesrat Peter Rezar (SPÖ). Die Konsequenz: "Der Vertrag mit dem Quartiersgeber wurde gekündigt. Die Flüchtlinge werden in andere Heime gebracht."
Am Donnerstag sah die Lage noch anders aus. Just jener Flüchtling, der dem KURIER Einblicke in das Ex-Puff gewährte, sollte plötzlich aus der Grundversorgung fallen und auf die Straße gesetzt werden. Was den Anschein eines Revanchefouls seitens der Quartiersgeber und der Landesflüchtlingsstelle erweckte, soll am Ende nichts als ein Missverständnis gewesen sein. Auf Nachfrage wurde im Büro Rezars versichert: "Die Fakten, auf denen die Aufkündigung basierte, waren falsch. Flüchtling T. bleibt in der Grundversorgung."
Tauziehen
Nach der Schließung stellt sich noch eine Frage: Ist Sieggraben ein Einzelfall? Peter Hacker befürchtet nicht. Der Chef vom Fonds Soziales Wien sitzt seit Monaten mit Vertretern anderer Bundesländer und mit Beamten des Innenministeriums am Verhandlungstisch. Es geht um Geld und um die Frage, wo Flüchtlinge künftig untergebracht werden. "Die Ministerin muss die für Jänner versprochene Erhöhung der Tagsätze endlich umsetzen", fordert Hacker. Private Quartiersgeber wie jene in Sieggraben bekommen pro Tag und Flüchtling 17 Euro. "Das ist zu wenig", sagen Hacker und Christoph Riedl von der Diakonie unisono. "Damit ist es ja schon schwer, bestehende Quartiere menschenwürdig zu führen." Die in Aussicht gestellte Erhöhung von 17 auf 19 Euro wäre zumindest ein erster Schritt.
Im Ministerium heißt es: "An uns wird es nicht scheitern, rückwirkend höhere Tagsätze auszubezahlen." Eine entsprechendes Übereinkommen sei absehbar.
Doch auch in einer zweiten Frage gehen die Meinungen darüber, wie sinnvolle Flüchtlingspolitik auszusehen hat, stark auseinander. Im Ministerium spielt man mit dem Gedanken, Flüchtlinge mit rechtskräftig negativem Asylbescheid, die nicht aktiv an der eigenen Ausreise mitwirken, aus der Grundversorgung zu kippen. "Das wird es mit Wien sicher nicht spielen", sagt Hacker, "Andernfalls wäre die Gefahr einer Kriminalisierung groß."
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