"Rot-Blau nicht alternativlos"

Ex-SPÖ-Landtagspräsident Gerhard Steier hat seine Partei im Vorjahr verlassen
Der fraktionslose Abgeordnete und Ex-SPÖ-Landtagspräsident zieht Bilanz.

Rot-Blau? "Ein schiaches Bündnis", urteilt Gerhard Steier nach kurzem Nachdenken. Die Lust an der pointierten Formulierung hat der frühere SPÖ-Landtagspräsident auch als freier Abgeordneter nicht eingebüßt. Ein "wilder" Mandatar möchte Steier nämlich nicht sein: "Das klingt zu sehr nach Stier im Porzellanladen".

Österreichweite Aufmerksamkeit erlangten die rhetorischen Spitzen des Siegendorfers vor gut einem Jahr, als er im Zuge der Angelobung der rot-blauen Regierung vor laufenden Kameras seinen Austritt aus der SPÖ verkündete. Was für Steier "ein Akt der Selbstachtung und der Abweisung dieser Koalitionsvereinbarung" war, werteten seine Kritiker als simples politisches Revanchefoul nach seiner Ausbootung als Landtagspräsident durch Landeshauptmann Hans Niessl.

"Bereue nichts"

Als der KURIER den einzigen fraktionslosen Mandatar im 36-köpfigen Landesparlament am Mittwoch zu dessen persönlicher Bilanz befragt, versichert Steier "reinen Gewissens", er hätte genauso gehandelt, wäre er damals Landtagspräsident geblieben. Er bereue nichts, sein radikaler Schritt sei "mehr als notwendig gewesen", denn er kenne die FPÖ schon aus seiner Zeit im Nationalrat als "sehr rechtslastige" Partei.

Niessl habe die Blauen mit seiner Koalition bundesweit salonfähig gemacht, sehr zum Schaden der Sozialdemokratie. Im Burgenland sehe man mittlerweile schon "die Verschmelzung zur Einheitspartei". Dieser Prozess würde letztlich die roten Fundamente aus Humanismus, Gerechtigkeit und sozialem Gewissen wegschmelzen lassen, fürchtet der bald 60-jährige Politiker, der mehr als die Hälfte seines Lebens in der SPÖ verbracht hat.

Die rot-blaue Koalition sei auch mitnichten "alternativlos" gewesen. Mit neuen Köpfen an der Spitze hätten Rot und Schwarz durchaus einen Neustart schaffen können. "Niessl hätte sich selbst in Frage stellen müssen", so der frühere Bürgermeister Steier, schließlich habe die SPÖ bei den vergangenen beiden Landtagswahlen mehr als zehn Prozent der Stimmen eingebüßt.

Als Sprachrohr des schwachbrüstigen linken Flügels in Burgenlands SPÖ will sich der Ex-Rote dennoch nicht verstanden wissen. Er vertrete nicht eine bestimmte Klientel, sondern "jeden Bürger", tönt Steier selbstbewusst. Allerdings: Im Landtag braucht es zumindest zwei Abgeordnete, um Anträge stellen zu können. Dass er seine Wähler getäuscht habe, die einen SPÖ-Kandidaten unterstützten, weist er zurück: Er sei wohl zum Gutteil als Person gewählt worden, schließlich habe er in seinem Bezirk die meisten Vorzugsstimmen erhalten. Steier: "Jeder ist ein freier Abgeordneter". Wie zur Bestätigung wird der Politiker während des Gesprächs in einem Café im Eisenstädter Einkaufszentrum ständig von Passanten gegrüßt – bei potenziellen Wählern ist der Mandatar offenbar kein Paria.

Kein Niessl-Gespräch

Und in seiner früheren Partei? Die "etwas werden wollen und dem Herrn (gemeint ist wohl Hans Niessl; Anm.) dienen", würden sich reserviert verhalten, zu anderen habe er immer noch Kontakt, sagt Steier. Ein persönliches Gespräch mit Niessl habe es seit dem Austritt aus der SPÖ nicht gegeben. Dass er heute als Junger noch einmal in die Politik ginge, könne er sich gut vorstellen, auch in die SPÖ – aber nicht in deren "Niessl-Variante". Ob er 2020 wieder für den Landtag kandidiert? Steier schweigt, lacht verschmitzt und grüßt die Passanten aufs Freundlichste.

Was dem früheren SPÖ-Politiker zu folgenden Begriffen und Personen spontan einfällt...

Freundschaft?

"Innigste Beziehung"

Rot-Blau?

"Ein schiaches Bündnis"

Landeshauptmann Hans Niessl?

"Alleinherrscher"

Hans Peter Doskozil?

"Minister und Mensch"

Wählen Sie bei der Bundespräsidenten-Stichwahl FPÖ-Kandidat Norbert Hofer?

"Nie im Leben"

Warum wollen Sie eigentlich nicht als wilder Abgeordneter tituliert werden?

"Das klingt so, als würde man mit einem Hörndl durch die Welt laufen, wie ein Stier im Porzellanladen"

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