Lebenslang für Nickelsdorf-Mord

Lebenslang für Nickelsdorf-Mord
Geschworene sprachen den Angeklagten Agustin S. einstimmig schuldig, die 72-jährige Lydia Dobija vorsätzlich getötet zu haben.

Die Beratung der Geschworenen dauerte am Dienstagabend keine halbe Stunde: Alle acht Laienrichter befanden den Angeklagten Agustin S. schuldig, die 72-jährige Pensionistin Lydia Dobija im Juli 2010 bei Nickelsdorf vorsätzlich getötet und ihren Leichnam misshandelt zu haben.

Der 60-Jährige wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. "Erschwerend ist das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die besondere Brutalität der Tat", so der Vorsitzende des Geschworenensenats, Alfred Ellinger.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig: Der Verteidiger des 60-Jährigen, Farid Rifaat, meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel.
Der Verurteilung war am Dienstag die Vernehmung zahlreicher Zeugen vorangegangen, am Nachmittag kamen auch Gutachter zu Wort.

Knackpunkt in dem zweitägigen Prozess dürfte das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Wolfgang Denk gewesen sein. Denn die Darstellungen des Angeklagten, der bis zuletzt behauptet hatte, die 72-Jährige mit einem Faustschlag sowie einem Schlag mit der Lenkradsperrstange im Pkw getötet zu haben, wurden am späten Nachmittag von dem Gerichtsmediziner widerlegt. "Dem Opfer wurden mindestens zehn Schläge zugefügt. Diese Verletzungen konnten ihr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht im Auto zugefügt worden sein", führte Denk aus. Laut Gutachten könne es sich bei dem Fundort der Leiche auch um den Tatort handeln. Als der Angeklagte die Leiche mit Benzin übergossen und angezündet habe, sei sie "ohne Zweifel" tot gewesen.

"Zurechnungsfähig"

Nach Ansicht des psychiatrischen Sachverständigen Reinhard Haller ist der Angeklagte zurechnungsfähig. Er attestierte Agustin S. eine hyperthyme Persönlichkeit. "Er steht immer unter Strom, hat einen lebhaften, brodelnden Charakter."

Die Frage nach dem Motiv versuchte Kriminalpsychologe Thomas Müller zu erörtern. "Bei der Tat handelt es sich um ein persönliches Tötungsdelikt mit einem inszenierten Hintergrund." Hinzu komme, dass das persönliche Tötungsdelikt als sexuelles dargestellt wurde, was "höchst selten" sei. Die Leiche war nackt und trug nur Schuhe. Es habe einen ausgeprägten Planungshintergrund gegeben. "Es liegt eine hohe Wiederholungsgefahr vor", sagte Müller.

Der Verteidiger sprach von einer Tat im "Verzweiflungsrausch". Agustin S. wandte sich an die Geschworenen: "Es tut mir leid. Ich hoffe auf eine Chance, meine Kinder noch einmal in Freiheit sehen zu können." Der Wunsch blieb jedoch unerfüllt.

Prostituiertenmorde: Kein Hinweis, aber auch keine eindeutige Entlastung
Staatsanwalt Gregor Adamovic ließ damit schon in seinem Eingangsplädoyer aufhorchen: Als er in der Nacht des 20. Juli 2010 von der Polizei über die verkohlte, nackte Frauenleiche informiert wurde, seien ihm sofort die ungeklärten Prostituiertenmorde eingefallen. "Und als ich dann über dieser bestialisch zugerichteten Frauenleiche stand, habe ich mir und ihr geschworen, alles zu tun, um den Täter zu finden, damit dieser so etwas nie wieder machen kann."

Tatsächlich ist seit der Verhaftung von Agustin S. die Serie an – ungeklärten – Frauenmorden, die alle nach dem Tötungsmuster von Dobija abliefen, abgerissen. Die Auffindungsorte einiger dieser Leichen lagen in einem Umkreis von 20 Kilometern vom Wohnhaus Agustins.
Ob das reiner Zufall ist oder nicht, kann im Moment niemand sagen. Fakt ist, dass es im Augenblick keine eindeutigen Zusammenhänge mit dem Mord an Dobija gibt. Doch wie der KURIER in Erfahrung gebracht hat, kann die "ARGE Frauenmord" Agustin S. auch nicht mit Sicherheit als Täter ausschließen. Jeder einzelne dieser Prostituiertenmorde wird von der Sondereinheit akribisch aufgearbeitet.

Schwer belastet wurde Agustin S. von jenem Zellengenossen, der in der Nacht nach seinem Geständnis bei ihm war. Demnach soll der Angeklagte versucht haben, aus dem Gefängnis zum Jahrestag des Todes von Lydia Dobija den neuerlichen Fund einer verkohlten Leiche zu organisieren. Ein gewisser Mauricio – laut Staatsanwalt ein Sohn des Angeklagten – hätte das organisieren sollen.

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