Flüchtlinge: "Man nennt uns Terroristen"

Gerlinde Grohotolsky, Yaqubi
Plattform Bleiberecht berichtet über Missstände in Flüchtlingspension Unterfrauenhaid.

Im Burgenland werden seit Mittwoch 608 Asylwerber betreut. Die Quote sei jetzt, wie vereinbart, zu mindestens 88 Prozent erfüllt, heißt es vom Land.
Kritik an so manchen Unterkünften kommt von der Burgenländischen Plattform Bleiberecht. Vor allem im Mittel- und Südburgenland gebe es in einigen Pensionen Missstände, sagt Sprecherin Gerlinde Grohotolsky.

Eine davon befinde sich in Unterfrauenhaid. Seit rund 30 Jahren hat der Wirt des Gasthauses seine Gästezimmer mit Asylwerbern belegt. Der Syrer Karam Alahmed, der nun in Wien lebt, hat nicht die besten Erinnerungen an die Pension. „Wir waren zu viert in einem kleinen Zimmer untergebracht. Wir hatten Mäuse im Raum. Als wir das dem Chef gesagt haben, hat er gemeint, dass das unser Problem wäre“, schildert der studierte Mediziner.

Kritik an „der einseitigen Ernährung“ übt sein Freund Mahmood Y., der in einem der vier Quartiere der Familie R. wohnt. „Abends bekommen wir jeder eine Dose Bohnen oder eine Fischdose. Jeden Abend dasselbe.“ In dem Haus, in dem Y. wohnt, habe es zunächst keinen Herd gegeben, auf dem die acht Bewohner ihr Mahl hätten wärmen können. „Den Kocher hat uns eine Privatperson geschenkt“, sagt Mahmood Y. 40 Euro Taschengeld erhält jeder Flüchtling pro Monat. Mit dem Geld werden Öl, Zucker und Reis gekauft. Eine Busfahrt nach Wien gehe sich kaum aus. Aber auch Fernsehen sei nicht immer möglich. „Bei uns gibt es oft Stromausfälle“, sagt ein Asylwerber aus dem Quartier auf der Hauptstraße.

Übergriffe

Das sind nicht die einzigen Probleme der Flüchtlinge. Der Wirt soll auch handgreiflich geworden sein. „Als wir uns im Sommer unter einen Sonnenschirm vor dem Gasthaus setzen wollten, hat er einen beim T-Shirt gepackt und gesagt, wir sollen verschwinden“, schildert ein Asylwerber.
Ein Mitarbeiter der Plattform Bleiberecht sei Augenzeuge gewesen, als der Wirt einen Mann beim Handgelenk geschüttelt habe, weil er das ihm vorgesetzte Schweinefleisch nicht wollte.
„Er mag Menschen aus Afghanistan nicht. Uns nennt er Terroristen“, fügt Mahmood Y. hinzu.
Gerlinde Grohotolsky hat „schon oft von körperlichen und sprachlichen Übergriffen durch den Wirt gehört“.
Den Mitarbeitern der Caritas, die Rechtsberatung anbietet, sei „in der Vergangenheit immer wieder vom rüden Umgangston berichtet worden“. Auch davon, dass der Hausherr Kracher habe knallen lassen, um die Bewohner zum Mittagstisch zu holen, habe man erfahren.

Flüchtlinge: "Man nennt uns Terroristen"
Flüchtlingspension Rust, Unterfrauenhaid
  Bei der Diakonie, die die Asylwerber-Sozialberatung inne hat, sei man „über diese Vorfälle informiert“. „Wir haben die Beschwerden an die Sozialabteilung weitergeleitet“, sagt Dagmar Hanifl. Der zuständige Beamte, auf dessen Schreibtisch der Brief landete, wurde mittlerweile versetzt. Im Büro von Soziallandesrat Peter Rezar (SPÖ) wisse man von derartigen Vorwürfen nichts. Bei einer Überprüfung der Unterkunft habe es keine Hinweise auf Missstände gegeben.
Die Plattform-Sprecherin und der KURIER konfrontierten den Wirt mit den Vorwürfen. „Das mit den Krachern mache ich seit 20 Jahren nicht mehr. Die Leute wissen eh schon, wann es Essen gibt“, sagt der Hausherr.

Die Stromausfälle würden durch defekte TV-Geräte entstehen, die „die Asylwerber vom Sperrmüll anschleppen“. Wegen ihrer Fragen nennt der Wirt Gerlinde Grohotolsky „eine hinterlistige Frau mit drei Zungen“. Angesprochen auf die Handgreiflichkeiten, tippt er sich nur mit dem Finger auf die Stirn. Und Terroristen nenne er keinen der (derzeit 30) Asylwerber: „Sie sind Urlauber.“ In ihren Zimmern besuchen darf man „die Urlauber“ nicht. „Weil ich das nicht will.“
 

KURIER: Herr Polizeidirektor, wie sehen die Aufgriffszahlen im Burgenland aus?
Hans Peter Doskozil: Von Jänner bis jetzt hatten wir 2450 Aufgriffe. 80 Prozent davon entfallen auf den Bezirk Neusiedl am See, rund 10 auf Güssing, der Rest verteilt sich auf die anderen Bezirke. Ein markanter Anstieg war seit August zu bemerken, da lagen die Monatszahlen bei 300 bis 400. Im Moment nimmt es leicht ab, wir halten im Schnitt bei 250 Aufgriffen. Im Frühjahr rechnen wir wieder mit einem Anstieg.

Wovon hängt das ab?
Man muss hier ganz klar sagen, dass dies überwiegend von Krisenherden abhängig ist. Die Ursache liegt nicht bei uns im Land. Mehr Kontrollen an den Grenzen würde daher nicht bedeuten, dass es weniger illegale Migration gibt. 2002/03 gab es noch Grenzkontrollen durch die Polizei und das Bundesheer hat die grüne Grenze überwacht, und wir hatten um das Drei- bis Vierfache mehr Aufgriffe als jetzt.

Für den belasteten Bezirk Neusiedl am See haben Sie Verbesserungen angekündigt. Wie ist der Status quo?
Wir haben gesehen, dass die Polizeikräfte im Bezirk enorm mit der Administration nach Aufgriffen gebunden waren. Jetzt machen sie nur mehr die Personenfeststellung und schauen, welche Papiere die Person dabei hat. Die gesamte Administration und Betreuung findet seit zwei Wochen im Polizeianhaltezentrum (PAZ)in Eisenstadt statt.

Als dieser Plan bekannt wurde, gab es anfangs Verunsicherung in Eisenstadt.
Die war unbegründet. Es muss ganz klar gesagt werden: Wir haben für die Administration 48 Stunden Zeit und in dieser Zeit
sind diese Personen festgenommen. Da gibt es im Asylgesetz eine Festnahmebestimmung. Vom PAZ werden sie lückenlos nach Traiskirchen überstellt.

Wie wirkt sich das auf die Polizeiarbeit in Neusiedl aus?
Die Kräfte können jetzt wieder die Mindeststandards erfüllen, was an Streifendiensten und dergleichen vorgesehen ist. Im kommenden Jahr kommen noch weitere 30 Polizisten ins Burgenland zurück.

Wie stehen Sie persönlich zur Thematik illegale Migration?
In der Vergangenheit wurde oft auch falsch argumentiert. Und das ist jetzt auch für mich ein wichtiger Punkt. Wenn Asylwerber kommen, glaubt man ja gar nicht, aus welchen Verhältnissen die stammen. Ich will da jetzt gar nicht das Asyl propa¬gieren und rechtfertigen. Aber bis zu einem gewissen Grad ist es verständlich, wenn ich aus solch tristen wirtschaftlichen Verhältnissen flüchte. Diese Menschen haben ja nichts zu verlieren. Und man soll auch nicht gleich immer unisono sagen: Jeder Asylwerber ist kriminell. Das stimmt einfach nicht.

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