Die zwei Pole der Flüchtlingsbildung

Nosrat Salami und Sohn Arshia
60 Prozent haben höchstens Pflichtschulabschluss, andererseits hat ein Fünftel eine Universität absolviert.

Männlich, jung und ziemlich ungebildet – Nosrat Salami passt so gar nicht in dieses vorherrschende Flüchtlingsbild. Seit etwa einem Jahr lebt die Absolventin der Islamischen Azad Universität in Teheran mit ihrem 14-jährigen Sohn Arshia in Eisenstadt als Flüchtling in der Grundversorgung. Im Iran genoss die 50-jährige Psychologin hohes Sozialprestige, hatte ein Haus, eine Wohnung und ein Auto.

In Österreich muss sie ganz neu und ganz unten anfangen. In einer kleinen, penibel gepflegten Wohnung in der Eisenstädter Bahnstraße, die sie sich mit einer jungen iranischen Familie teilt, hofft sie auf einen positiven Asylbescheid. Dennoch sagt sie tapfer: "Hier bin ich glücklich, ich bin frei und kann frei denken".

Jetzt könnte man einwenden, die Akademikerin, die im Iran als Spezialistin für Kinder mit besonderen Bedürfnissen tätig war, sei bloß eine rare Ausnahme, eine unter Tausend. "Mitnichten", sagt Alfred Lang von der Burgenländischen Forschungsgesellschaft. Weil dem Wissenschaftler das Schwarzweißmalen des Bildungsniveaus von Flüchtlingen ein Ärgernis war, wollte er‘s genau wissen. Im Rahmen der Bildungsberatung für Flüchtlinge und Migranten, die unter dem Dach der Forschungsgesellschaft angeboten wird, wurde auch die Qualifikation von Menschen in der Grundversorgung erhoben. Der Anteil der Absolventen einer Höheren Schule oder einer Universität liegt bei jeweils knapp unter 20 Prozent. Syrer, Iraker und Iraner sind tendenziell deutlich höher gebildet als afghanische Flüchtlinge. Die weniger erfreuliche Botschaft: Am unteren Ende der Skala haben rund 31 Prozent eine Pflichtschule absolviert oder nur eine darunter liegende schulische Qualifikation erworben.

Halb voll oder halb leer

Das sei zwar keine streng wissenschaftliche Untersuchung, betont Lang, die Resultate seien aber "relativ valide", ist er mit Blick auf Studien in anderen Ländern überzeugt. 200 Flüchtlinge in Quartieren in den Bezirken Neusiedl am See, Eisenstadt-Umgebung und Mattersburg wurden von Jänner bis September 2016 mittels standardisiertem vierseitigen Fragebogen und unter Zuhilfenahme von Dolmetschern für Arabisch und Farsi nach ihrer Bildungskarriere befragt. Afghanen, Syrer und Iraker sind am stärksten vertreten, insgesamt wurden Flüchtlinge aus 19 Staaten befragt. Mittlerweile gibt es schon rund 500 Interviews, an der grundsätzlichen Bildungs-Verteilung hat sich aber nichts geändert.

Der Anteil höher Qualifizierter sei "nicht so schlecht", sagt Lang, aber dass fast zwei Drittel maximal eine Pflichtschule besucht haben, sei zu den 15 Prozent in Österreich schon ein sehr großes Handicap. Für unüberwindbar hält Lang selbst diese Hürde nicht, denn diese Gruppe könnte mit entsprechender Nachqualifizierung in Lehrberufe einsteigen. Da wie dort sei aber das Beherrschen der deutschen Sprache das Um und Auf für eine Integration am Arbeitsmarkt, ist der Experte überzeugt.

Daran arbeitet auch Nosrat Salami. Die Mithilfe in der Bastelrunde im Altenwohnheim und Pflegezentrum der Caritas dient auch dem Spracherwerb. Die Hoffnung lebt, dass sie irgendwann auch im Burgenland in ihrem Beruf Fuß fasst.

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