Cold Case: Labor liefert Puzzleteil für Mordrätsel

Cold Case: Labor liefert Puzzleteil für Mordrätsel
23 Jahre nach Leichenfund ist die Identität des Opfers geklärt. Ermittler wollen jetzt den Täter fassen.

Selbst nach einem Vierteljahrhundert können sich Mörder nicht mehr sicher sein, nicht doch noch gefasst zu werden. Dank neuester forensischer Untersuchungsmethoden gibt es, wie in Teilen des Donnerstag-KURIER berichtet, einen Durchbruch in einem ungeklärten Mordfall aus dem Jahr 1993. 23 Jahre nach dem Fund einer Frauenleiche in St. Margarethen im Burgenland haben es Cold-Case-Ermittler des Bundeskriminalamtes (BK) geschafft, die Identität des Opfers zu klären. Die Tote ist nicht, wie ursprünglich angenommen, eine Erntehelferin aus dem Ostblock, sondern eine 30-jährige Prostituierte aus der Dominikanischen Republik.

Die bereits skelettierte Leiche von Julia R. – alias "Rosi" – wurde am 17. April 1993 in Plastiksäcke gehüllt auf einer Pferdekoppel gefunden. Laut Obduktion wurde die 160 cm große und schlanke Frau vermutlich Ende 1992 irgendwo anders erwürgt und Monate später auf der Koppel abgelegt. Jahrelang verliefen die Ermittlungen im Sand, bis die Staatsanwaltschaft Eisenstadt im Juni 2015 das Cold-Case-Management mit dem Fall betraute. "Es gibt heute ganz andere forensisch-wissenschaftliche Ermittlungsmethoden als vor 20 Jahren", erklärt Chefinspektor Kurt Linzer.

Hightech-Untersuchung

Durch die sogenannte Isotopen-Untersuchung eines Oberschenkelknochens der Toten an der Uni München (siehe Zusatzbericht) konnte die Herkunft der Frau auf die Dominikanische Republik eingegrenzt werden. Darauf folgte klassische Ermittlungsarbeit der Kriminalisten: "Wir haben herausgefunden, dass in mindestens vier Nachtclubs im Burgenland und im angrenzenden NÖ Anfang der 1990er-Jahre ausschließlich Prostituierte aus der Dominikanischen Republik tätig waren", sagt Linzer.

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Nach Gesprächen mit zirka 70 ehemaligen Bordellbetreibern, Kellnern und anderen Personen konnte eine Liste mit Namen der damaligen Prostituierten ermittelt werden, die nach und nach kontaktiert wurden. "Eine Person war nicht mehr aufzufinden. Das war Rosi", sagt Linzer. Über Interpol wurde in der Dominikanischen Hauptstadt Santa Domingo eine Schwester der Verschollenen gefunden. Ein Mundhöhlenabstrich brachte schließlich Gewissheit: Die Gerichtsmedizin Innsbruck stellte eine eindeutige Übereinstimmung mit der DNA des Opfers fest.

Rosi hat in Bordellen in Sieggraben bei Mattersburg, im Raum Eisenstadt und Wiener Neustadt (NÖ) gearbeitet und auch ständig zwischen den Nachtklubs gewechselt. "Es gibt einige konkrete Fragen: Wer kann sich erinnern, die Frau 1992 gesehen zu haben? Eine Dunkelhäutige mit Wuschelkopf, die nur Englisch und Spanisch gesprochen hat, ist sicher aufgefallen", sagt Linzer.

Die Ermittler interessiert, wie sie die Strecken zwischen den Clubs zurückgelegt hat. Vermutlich ist sie auch per Autostopp gefahren. "Sie war nicht sozialversichert. Hat sie vielleicht jemand bei einem Arzt oder in der Apotheke gesehen? Jeder Hinweis zählt", so die Ermittler. Bis Donnerstagmittag langten vier konkrete Hinweise von möglichen Zeugen ein. Hinweise an das BK unter 01/24836-985025.

Biologin Christine Lehn kann anhand von Knochenresten heraus finden, auf welchem Kontinent und in welcher Region die dazu gehörige Person gelebt hat. Die Wissenschafterin vom Institut für Rechtsmedizin der Uni München ist Spezialistin auf dem Gebiet der Isotopenanalyse. Sie wird immer häufiger in schwierigen Mordfällen zu Rate gezogen. Auch der Oberschenkelknochen jener Leiche, die vor 23 Jahren in St. Margarethen im Burgenland gefunden wurde, landete in Lehns Labor.

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Isotope sind unterschiedlich schwere Atomarten der Elemente Wasserstoff, Kohlenstoff oder beispielsweise Stickstoff. Jeder Mensch nimmt von Geburt an Isotope durch Wasser, Nahrung oder die Luft auf. „Wie diese Isotope zusammen gesetzt sind ist davon abhängig, wo man aufwächst und an welchen Orten man später lebt, welches Klima und welche Umwelteinflüsse dort herrschen und wie man sich ernährt“, erklärt Lehn. Die Folge ist das, was die Biologin eine „Isotopensignatur“ nennt.

Bei der Analyse des Mordopfers von St. Margarethen konnte Lehn auf Grund dieser Signatur in Proteinanteilen des Knochens feststellen, dass die Frau sich nicht wie eine typische Europäerin ernährt hat. „Sie lebte in einem warmen Klima, am Meer und hat viel Mais gegessen. Das brachte uns zunächst auf Nord- oder Südamerika. Außerdem wurden typisch amerikanische Bleiisotope nachgewiesen“, so Lehn. Zusammen mit anderen Informationen konnte die Herkunft auf die Dominikanische Republik eingegrenzt werden. „Der Vorteil war, dass die Frau noch nicht lange in Europa gelebt hat. Dadurch waren die Ergebnisse kein geografischer Mischmasch“, so Lehn.

Zwei 30-jährige Männer – ein Kärntner und ein Steirer – stehen unter dringendem Mordverdacht. Sie sollen im April 2015 einen 70-jährigen Mann aus dem Bezirk Wolfsberg getötet und seine Leiche in der Steiermark im Raum Judenburg im Wald vergraben haben. Das Opfer wurde bislang nicht gefunden; auch über Motiv und Tathergang ist noch nichts bekannt.

Seit mehr als einem Jahr gilt der Pensionist aus Bad St. Leonhard im Bezirk Wolfsberg als abgängig. Nun steht der mysteriöse Fall offenbar vor der Aufklärung. Auch wenn die Polizei lange die Möglichkeit eines Unfalls einkalkuliert hat, geht sie inzwischen von einem Gewaltverbrechen aus: "Nach monatelanger Ermittlungstätigkeit des Landeskriminalamts Kärnten ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der 70-jährige Mann Opfer eines Tötungsdelikts wurde. Zwei dringend Tatverdächtige wurden festgenommen", sagt der Kärntner LKA-Leiter Gottlieb Türk. Das Landeskriminalamt Kärnten leitet die weiteren Ermittlungen, die steirischen Kollegen werden zur Unterstützung hinzugezogen.

Motiv unbekannt

Bei den Verdächtigen handelt es sich um zwei 30-jährige Männer aus dem Raum Wolfsberg bzw. Judenburg. Medienmeldungen, wonach die mutmaßlichen Täter die Bankomatkarte oder das Auto des Vermissten verwendet hätten, will Türk nicht kommentieren. Sehr wohl aber Spekulationen, dass sich die Verdächtigen und das Opfer im Rotlicht- und Glücksspiel-Milieu bewegt hätten und das Motiv dort zu suchen wäre. "Dafür gibt es beim aktuellen Stand der Ermittlungen überhaupt keine Anzeichen", betont Türk.

Waldstück im Visier

Die Kriminalisten vermuten, dass die Leiche des 70-Jährigen in einem Waldstück bei Judenburg im Grenzgebiet zwischen Kärnten und der Steiermark vergraben wurde. Eine groß angelegte Suchaktion wurde Donnerstagnachmittag beim Zirbitzkogel (Bezirk Murau) angeordnet.

KURIER-Informationen zufolge sollen die Verdächtigen in den Einvernahmen diese Stelle genannt haben. Demnach behaupten die beiden, der Mann sei bei einem Unfall gestorben, sie hätten ihn lediglich vergraben. Auch diese Information will das LKA nicht kommentieren: "Es gibt bestimmte Hinweise, weshalb wir unsere Suche an einer konkreten Stelle konzentrieren und damit rechnen, fündig zu werden", hält sich Türk bedeckt.

Unter anderem waren in besagtem Waldstück Suchhunde im Einsatz, auch die Gerichtsmedizin rückte aus. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe wurde der vermisste Kärntner nicht gefunden.

Von Thomas Martinz

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