Sozialkitsch: SchwarzWeiss von Samy Deluxe

Sozialkitsch: SchwarzWeiss von Samy Deluxe
Die neue CD ist in den deutschen Album-Charts auf Platz 1 eingestiegen, in Österreich auf Platz 9. Doch sie ist wenig überzeugend.

Er sei auf einem Höhenflug, lässt Samy Deluxe auf seinem Album wissen. "SchwarzWeiss" weist aber viele Tiefflüge und sogar Abstürze auf. Samy Sorge, wie der einflussreiche Hamburger Rapper eigentlich heißt, hat die Beats immer noch im Gefühl und dreckige Raps auf der Zunge. Auch der Gastauftritt von Max Herre freut. Trotz sauberer Produktion und schönem Cover muss der CD-Kauf gut bedacht werden.

Drei Jahre nach seinem Top 3-Album "Dis Wo Ich Herkomm" hat sich der erfolgreiche wie eingebildete Großstädter nun zurückgemeldet. "SchwarzWeiss" landete in den deutschen Media Control-Charts in der ersten Woche nach Erscheinen auf Platz 1 und in Österreich auf 9. Beeindruckende eine Million Tonträger hat Sorge bisher verkauft. Preise wie den MTV Europe Music Award 2001 (bester deutscher Künstler) und den Echo 2002 (HipHop/R&B National) hat er auf seinem Karriereweg eingeheimst, der mit dem Trio "Dynamite Deluxe" begonnen hat.

Egozentrisch, aber kritisch

Sorge steht seit dem Erscheinen des ersten "Dynamite Deluxe"-Albums "Deluxe Soundsystem" im Jahr 2000 an der Spitze der deutschen Rap-Bewegung. Mit seinem ersten Solowerk "Samy Deluxe" etablierte er sich 2001 endgültig in der Szene. Seitdem engagiert er sich auf vielen Ebenen: Nachwuchsförderung, Jugend- und Integrationsarbeit. Er arbeitet als Moderator, Buchautor, Verleger, Produzent und Theatermusiker.

Sozialkitsch: SchwarzWeiss von Samy Deluxe

"SchwarzWeiss" ist eine Collage von Themen, Statements, Beats, Raps und Melodien. Samy Deluxe schreibt vorrangig über sich. Er lässt aber dem Hörer immer noch Raum für Selbstreflexion. Das neue Album ist eine einzige große Kritik, eine Anklage der Politik, der Schere zwischen Arm und Reich. Es geht um das eigene Ego, Glück, Liebe und den "Fame". Sorge weiß, wie er Themen in interessante Geschichten verpackt. Etwa wenn er - selbst ein reicher Mann - die Ungerechtigkeit in Deutschland anprangert. "Kann mal hier jemand Angela Merkel Bescheid sagen? Oder Günter Jauch, weil ich jemand brauch'". Das Stück "Wer wird Millionär" gehört mit schrägem Syntheziser und knarzendem Bass zu den tanzbaren Höhenflügen und setzt mit viel Ironie alle Hoffnung auf Gewinnshows anstatt der Politik.

"Oh, ich fühl' mich so allein und hilflos im Kampf gegen mein Ego"

Die ersten Beats setzen ein und lassen gut mitnicken. Recht schnell stören aber übersteuerte Stimmen, die das Ganze billig erscheinen lassen. Sein Ego hat Deluxe auch bei diesem Album nicht zu Hause gelassen. In die fast ausschließlich kritischen Texte fließen explizite Kraftausdrücke ein, die nichts aussagen. Unnötig sind auch einige Anglizismen, die vergessen lassen sollen, dass deutscher, selbstbewusster Hip Hop auch ohne dem auskommen kann. Schön sind aber die für Sorge typischen, manchmal einfach exquisiten Wortspiele.

Für seine Verhältnisse poppig kommt Samy Deluxe diesmal auch mit seiner schönen Singstimme daher, die manchmal etwas melancholisch wird. "Straßen-Musik" etwa beginnt mit Countrygesang: Ein schönes Stilmittel, um die Hoffnungslosigeit des Lebens auf der Straße auszudrücken. Das bereits erwähnte "Zurück zu Wir" ist ein gelungenes Duett mit Max Herre, ehemals Kopf der Stuttgarter Hip Hop-Legende "Freundeskreis". Herres warme Stimme und das Gitarrenspiel im Hintergrund schenken dem kritischen Stück die Wärme, die Deluxe nur schwer allein vermitteln kann.

Und Schnipp: Deluxe steht an der Spitze

Sozialkitsch: SchwarzWeiss von Samy Deluxe

Sozialkitschig geht es weiter mit "Keine wahre Geschichte": Zwei 15-Jährige aus ungleichem Elternhaus sollen gegeneinander Fußball spielen. Stattdessen aber packt der eine seine Gitarre aus, der andere schiebt Drogen und "Knarre" beiseite und lauscht der Musik. "Gute Musik rettet Leben": Bei Samy Deluxe werden Konflikte auf furchtbar sozialromantische Weise gelöst. Das etwas nervige "RapGenie" zeigt, dass Sorge aus dem vorangegangenen Track "Ego" keine Lehren gezogen hat. "Ja, ich hab die Ideen, die ihr gern hättet... Ich lasse Rapper verschwinden wie David Copperfield, schnipp!" "Allein" ist langweilig, "Doppelt VIP" ebenso.

"Vater im Himmel" setzt Streicher und Chor ein und steigert die Spannung schön langsam. Kitschig wird dabei die Geschichte von Sorges sudanesischem Vaters erzählt. Mit halbwegs interessanten Reimen lädt "Hände Hoch" dann wieder zum Mitnicken ein. "SchwarzWeiß" ist eine intelligente Aufarbeitung der eigenen Herkunft. "Ich bin schwarz-weiß, was ist deine Farbe?" Das mittelschnelle "Unbeschriebenes Blatt" mit gutem Bläser-Einsatz zum Schluss ist ein witziger Dialog mit einem leeren Blatt Papier und gleichzeitig Sorges Resümee über das Erlebte: "Doch was ich hier mach ist eine göttliche Gabe".
Die vier Bonustracks strotzen vor Füllwörtern. "Klicka Klacka" legt einen nervigen Kinderchor über schnelle Raps. "HaHaHaHa" ist in jeder Hinsicht ein Scherz, aber tanzbar.

Reinhören, aber nicht kaufen

Der Trip von "Reiseveranstalter Ego Trips in Kooperation mit Deluxe Air" hört für Samy Deluxe auch am Ende der CD nicht auf. "Leute sagen komm mal runter, Sam - Nö, warum denn".
Fans und Interessierte sollten online in das Album reinhören und bei Gefallen einzelne Nummern kaufen. Denn in diesem Fall sagt der Verkaufserfolg nichts über die Qualität aus; auf diversen Onlineportalen muss sich Samy Deluxe ohnehin Kritik von seinen Fans gefallen lassen. Der Kauf des gesamten Albums lohnt sich wohl nicht.

Das neue Album "SchwarzWeiss" von Samy Deluxe ist seit 29. Juli erhältlich.

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