Schlösserknacken als Gesellschaftskritik

Schlösserknacken als Gesellschaftskritik
Aus Protest gegen gesellschaftliche Normen knackt die Berliner Künstlerin Mey Lean Kronemann Liebesschlösser auf Brücken. Im Netz wird die Aktion kritisch gesehen.

Sie sollen den ewigen Bund zweier Menschen symbolisieren – Liebesschlösser. Brücken auf der ganzen Welt sind voll von ihnen. Als Liebesbekundung junger Verliebter in Florenz begonnen, finden sich die Vorhängeschlösser, meist mit Datum und entsprechenden Initialen versehen, mittlerweile auf Brücken in ganz Europa. Vor allem Touristen wollen damit im romantischen Urlaubsmoment ihre Beziehung besiegeln. Um auch ganz sicher zu gehen, dass die Schlösser auch wirklich ewig halten werfen sie die Schlüssel darauf in die Fluten.

"Lovepicking": Schlösserknacken für die Kunst

Schlösserknacken als Gesellschaftskritik

Diese vermeintliche Ewigkeit wollte die Berliner Künstlerin Mey Lean Kronemann in ihrem Projekt aufbrechen. "Lovepicking", ein Wortspiel abgeleitet von "Lockpicking", also das Aufknacken von Schlössern, hat sie es genannt. In Workshops lernen Teilnehmer, wie sie die Liebesschlösser mit entsprechendem Werkzeug knacken können, ohne diese zu beschädigen. Danach hängten sie die Schlösser in neuen Konstellationen wieder zusammen. "Die Aktion sollte zeigen, dass man Herzen auch öffnen kann, ohne sie zu brechen", erklärt Mey Lean Kronemann gegenüber dem KURIER.

Shitstorm

Was unspektakulär klingen mag, hat durch vermehrte Kritik im Netz eine brisante Entwicklung genommen. Laut einem Bericht von Spiegel Online hagelte es Proteste über Twitter. "Netztypisch haben sich diese Proteste wieder schnell gelegt", will Kronemann gegenüber dem KURIER nicht weiter auf die Anfeindungen eingehen. Doch auf Twitter (#lovepicking) und auch in dem Artikel auf Spiegel Online finden User deutliche Worte: "Was nimmt sich (Kronemann) da heraus? ... Sie zerstört die Gefühle von Menschen, die für sich eine Erinnerung schaffen wollten.", ist dort in einem Posting zu lesen.
Für Kronemann ein Beweis, mit ihrer Aktion "offensichtlich einen Nerv getroffen" zu haben. Immerhin handle es sich um ein "sehr emotionales Thema, nämlich Liebe und Beziehungen."

Zentral ist aber auch die Frage, inwieweit es sich bei der Aktion um Sachbeschädigung handelt. Auch wenn die Schlösser nicht beschädigt wurden, so wurden sie von Kronemann und ihren Mitstreitern doch aufgebrochen. "Die Grenze zum Kunstvandalismus wird dort überschritten, wo die symbolische Attacke eine handfeste Sachbeschädigung mit einschließt", schreibt Kunst-Redakteur Michael Huber dazu in seinem Blog (Link).

Gesellschaftskritik

Die Künstlerin selbst will ihre Aktion als Kritik an gesellschaftlichen Normen verstanden wissen. "Die Liebesschlösser, die vorwiegend eine exklusive und monogame romantische Zweierbeziehung repräsentieren, okkupieren den öffentlichen Raum mit einem Ideal, das gleichzeitig die gesellschaftliche Norm darstellt. Außerhalb dieser Norm Lebende, wie Singles oder Polyamore, werden nicht repräsentiert." Vorhängeschlösser als Symbol für Beziehungen würden Assoziationen zu Käfigen und Keuschheitsgürteln wecken.

Schlösserknacken als feministische Protestaktion? Der junge Brauch - laut Wikipedia verbreiteten sich die Liebesschlösser erst 2008 auch nach Deutschland - ist für viele Paare nicht mehr als eine nette Geste.

Schlösserknacken als Gesellschaftskritik

Auch bei den Stadtverwaltungen stoßen die Liebesschlösser nicht gerade auf Gegenliebe. Diese ist aber meistens weit weniger zimperlich. Mit Bolzenschneidern bewaffnet rückten so etwa im Mai vergangenen Jahres Magistratsmitarbeiter der Stadt Salzburg aus, um den Makartsteg von seinem Behänge zu befreien.
Davon will Kronemann nichts wissen: "Ich habe nichts gegen die Schlösser selbst, weshalb wir sie auch nicht zerstören, sondern lediglich aufbrechen, um sie neu anzuordnen."

Das Aufbrechen der Copyright-Schlösser

In zwei Workshops hat Mey Lean Kronemann ihre Idee bereits umgesetzt. Im Rahmen des Linzer Open-Source-Festival zeigte sich auch noch eine zweite Komponente der "Love Picking"-Aktion. Neben dem sprichwörtlichen Öffnen von Herzen geht es auch um das handfeste Öffnen von privaten Schlössern im öffentlichen Raum - eine symbolische Aktion gegen das Copyright.
Weitere Aktionen seien vorerst nicht geplant, ließ die Künstlerin wissen. Aber ganz im Sinne des Open-Source-Gedanken stehe es jedem frei, es ihr künftig gleich zu tun.

Zur Person: Mey Lean Kronemann

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1982 in Maribor, Slowenien geboren, lebt und arbeitet Mey Lean Kronemann als Künstlerin und Designerin in Berlin. In ihren Installationen beschäftigt sie sich mit Interaktionen und den komplexen Strukturen, die daraus entstehen. Ihre Arbeiten und Aktionen wurden in Augsburg, Linz, Bergen, Maribor, Bilbao und Shanghai gezeigt.
Ob sie an die ewige Liebe glaubt?: "Jede echte Liebe ist ewig".

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