Loomit: Der Mac Gyver der Graffitikünstler

Loomit: Der Mac Gyver der Graffitikünstler
Der deutsche Sprayer Loomit mag das Sprayen und das Abenteuer, besprüht Wände aber hauptsächlich kommerziell. Kein Widerspruch, findet er.

Loomits erste Leinwand im Freien war ein Wasserturm in Buchloe, Ost-Allgäu. Die Stadt war ebenso klein, wie Loomits Ehrgeiz und Wille zum Abenteuer groß waren. So nimmt es nicht Wunder, dass Loomit 1983 nach München zog, Häuserfassaden und Züge verzierte, mehrfach vor Gericht stand, für Werbekampagnen angeheuert wurde, unter anderem in China, Indien sowie Brasilien sprayte und mittlerweile mit 44 Jahren zu den bekanntesten Graffitikünstlern weltweit zählt.

Im Rahmen des Waves Festivals sprühte der Münchner Künstler in fünfstündiger Arbeit einen Wolf für eine bekannte Wodkamarke auf die Außenwand der Pratersauna. Im KURIER-Gespräch erzählte Loomit alias Mathias Köhler von dem Dilemma zwischen Selbstverwirklichung und Selbsterhalt, Pfadfindertugenden und seiner kuriosen Begegnung mit der kommunistischen Partei in China.

KURIER: Loomit, wie stehen Sie dazu, dass Straßenkunst mittlerweile diesen "coolen", kommerziellen Status genießt?

Loomit: Wir sind Mainstream, Straßenkunst ist nicht mehr Underground. Wenn man sich ansieht, wie viele Kampagnen über Graffiti und Streetart laufen, wie sehr das vor allem auch online gepusht wird, dann ist klar, dass diese Kunst nicht mehr länger eine Nische ist. Das ist wie bei Rock’n’Roll, der war früher eine Subkultur und heute verdient Mick Jagger Milliarden.

Und was bedeutet das für Sie konkret, dass Graffiti momentan so beliebt ist und für Werbezwecke eingesetzt wird?
Ich habe Familie und zwei Kinder. Das Haus ist schon abbezahlt, aber ich kann nun mal nicht von Luft und Liebe leben. Es ist für mich kein Widerspruch, Geld mit Graffiti zu verdienen. Ich hab mir bestimmte Dinge angeeignet, künstlerisch und handwerklich. Ich leiste Arbeit und dafür werde ich bezahlt. Das mache ich gerne, weil es mir meine Reisen ermöglicht. Ich bin nicht dogmatisch, dafür bin ich zu alt. Jüngere Sprayer haben sicher radikalere Einstellungen, aber die haben noch nie die große Verantwortung getragen.

Loomit: Der Mac Gyver der Graffitikünstler

Apropos Reisen – Sie sprayen sehr viel in anderen Ländern – Kamen Sie da jemals in eine prekären Situation?
Naja, manchmal war mir schon etwas mulmig. In den Favelas, in Brasilien, zum Beispiel, sind sehr nette Herren auf mich zugetreten und haben mich höflich gefragt, ob ich nicht ihre Handgranaten und Maschinengewehre anmalen möchte. Aber man kommt als Sprayer immer irgendwie durch. Graffiti ist die Kunst der Straße, die Kunst der Leute. Wenn du der berühmte Sprayer aus Deutschland bist, dann bist du dort kein Tourist, du bist Gast.

In China sind Sie der kommunistischen Partei in die Quere gekommen…
Ja, ich war da im Rahmen der Expo in Shanghai, wo wir ein paar Workshops und Ausstellungen gemacht haben. Ich habe dort ein wenig die Gegend ausgekundschaftet und bin mit ein paar befreundeten Künstlern auf die Idee gekommen, in einem Arbeiterviertel weit ab von der Expo ein paar Wände zu bemalen. Die kommunistische Partei in dem Wohnbüro wollte mir das natürlich verbieten, aber wir haben das ignoriert. Wir wollten einfach mal schauen, was passiert und haben angefangen, die ganze Straße in eine Galerie zu verwandeln: Elefanten mit Gasmasken, chinesische Zeichen, Kühe mit Lederhosen – wir haben alles Mögliche gemalt. Die Bewohner der Straße fanden das sehr interessant und ab dem zweiten Tag wurden wir andauernd von Familien zum Essen eingeladen. Das war alles fein, bis dann die Polizei gekommen ist. Wir waren vier Tage lang sehr angespannt, haben immer gewusst, dass das irgendwann mal wegkommen muss, hatten auch immer die Eimer mit weißer Farbe dabei. Aber dann ist etwas Spektakuläres passiert: Die Familien fingen an, die Polizisten anzuschreien, wo das Gesetz wäre, dass die Wände nicht bunt sein dürfen, auf einmal waren Fernsehteams da, die Kinder brüllten, die Eltern brüllten, die Großeltern schwangen ihre Gehstöcke. Am Ende verzogen sich die Polizisten und meinten, wir sollten das mit der Partei klären. Das Filmteam hat die Dame vom kommunistischen Wohnbüro dann noch einmal interviewt, aber sie konnte da auch nichts ausrichten. Die war so sauer. So kann es sein, dass wenn man viel reist und mit fremden Kulturen zu tun hat, man unheimlich viel sieht und unheimlich viel erreichen kann.

Ist Ihr Ansatz beim Sprayen also auch ein aktivistischer?
Bei mir ist es eher dieser Pfadfinderansatz, der Mac Gyver in mir. Ich möchte Abenteuer erleben.

Loomit: Der Mac Gyver der Graffitikünstler

Sprayen Sie illegal auch noch?
Weniger.

Weniger?
Ich will mich dazu jetzt nicht äußern (lacht).

In der Werbung muss man Aufträge erledigen – Wünschen Sie sich manchmal, mehr Ihre eigenen Ideen umzusetzen?
Klar will man als Künstler seine eigenen Ideen und Werke vermarkten und die meisten meiner Kollegen finanzieren sich auch hauptsächlich durch Ausstellungen. Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch für mich selbst male. Ich habe mit der Kultfabrik in München, wo ich quasi der offizielle Graffiti-Hausmeister bin, mein eigenes Freiluftstudio von 6000 Quadratmetern zum Austoben. Aber ich stehe nicht so auf Galerien und Leinwände. Dafür mag ich die Straße zu sehr. Die besten Geschichten erlebt man nun mal nicht im Studio.

Was unterscheidet das Graffiti von damals von dem Graffiti von heute?
Heute brauchst du die Straße eigentlich nicht mehr. Du kannst etwas in deinem Hinterhof sprühen oder in Photoshop designen und dann in den öffentlichen Raum der Moderne stellen: das Internet. Wenn die Idee gut ist, wirst du dafür Aufmerksamkeit bekommen. Die ganze Kunst ist um so viel bequemer geworden, man kann alles auf Bildschirmen ansehen. Ob das gut ist oder nicht, muss jeder für sich selbst bestimmen. Ich kann auf jeden Fall jedem jungen Künstler nur raten, sich nicht mit Informationen zuzudröhnen. Immer mal wieder abschalten und sich im wahrsten Sinne des Wortes langweilen beflügelt die Kreativität.

Haben Sie einen Plan B, falls Sie mal irgendwann nicht mehr sprühen können oder wollen?
Da kann ich drüber erzählen, dass ich einmal gesprüht habe (lacht).

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