Interview: Warum sind Horrorfilme so beliebt?

Interview: Warum sind Horrorfilme so beliebt?
Diese Frage versucht Univ.-Prof. Dr. Peter Vitouch im KURIER.at-Interview zu beantworten.

Univ.-Prof. Dr. Peter Vitouch ist Medienpsychologe und Professor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Im Interview erklärt er dem KURIER, warum Horrorfilme bei den Menschen so beliebt sind und welche Gefahren sie mit sich bringen.

KURIER: Herr Professor Vitouch. Was fasziniert den Menschen am Genre Horror?
Prof.Vitouch: Die Menschen können sich der Angst in ungefährlichen Situationen nähern. Sie können sich Bedrohungen auseinandersetzen, ohne dass diese dabei entstehen. Es sehen sich eher ängstliche Leute Horrorfilme an, um mit der Situation fertig zu werden. Dies funktioniert, weil die Auseinandersetzung fiktiv ist. Sie findet in einer gesicherten Umgebung statt.

Die Horrorfilme werden immer realistischer und brutaler. Steigt damit auch die Gefahr, dass Gewaltszenen imitiert werden könnten?
Je realistischer solche Szenen sind, desto bedenklicher sind diese. Filme sind aber sicher nicht der einzige Grund, warum Menschen Gewalt anwenden. Die soziale Umgebung, in der sich ein Mensch befindet, ist von großer Bedeutung.

Es gibt viele Beispiele, wo vor allem Jugendliche die Szenen einzelner Gewaltfilme nachahmen. Im Juli 2002 in Potzlow töten Jugendliche Marinus Schöberl nachdem sie den Film "American History X" gesehen haben. Besteht speziell bei Jugendlichen die Gefahr einer Imitation einzelner Gewaltszenen?
Bei den Jugendlichen ist das ein großes Problem. Sie verspüren oft so etwas wie einen gewissen Gruppendruck und müssen dann zum Beispiel Tapferkeitsrituale bestehen um zur Gruppe gehören zu dürfen. Dass führt dann oft zu bedenklichen Verhaltensweisen.

Wie kann man Angst bewältigen?
Jeder Mensch bewältigt Angst anders. Je nach den Erziehungsstilen können sich verschiedene Angstbewältigungsstrategien entwickeln, zwischen denen es große Unterschiede gibt. Es gibt die defensive und die nicht defensive Angstbewältigungsstrategie. Bei der defensiven Angstbewältigungsstrategie beschäftigt sich die Person so wenig wie möglich mit Angstreizen. Bei der nicht defensiven Strategie stellen sich die Personen der Bedrohung schon zu einem frühen Zeitpunkt. Sie suchen sich bewusst Bereiche, wo Angst anzutreffen ist.

Verarbeiten Frauen und Männer gewalttätige Inhalte anders?
Frauen reagieren anders als Männer. Während sich die Männer oft mit den Tätern identifizieren, schlüpfen Frauen oft in die Rolle des Opfers. Werden Gewaltszenen explizit realitätsnahe gezeigt, steigt auch die Möglichkeit einer Identifizierung mit einer Person.

Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler George Gerbner sagt, dass Menschen, die viel Fernsehen in einer sogenannten Fernsehwelt leben. Können Menschen immer zwischen Realität und Film unterscheiden?
Menschen sind durchaus in der Lage zwischen der realen und der Fernsehwelt zu unterscheiden. Bereits kleine Kinder entwickeln eine sogenannte media literacy, eine mediale Buchstabierfähigkeit. Kinder können also schon zum Beispiel bei Trickfilmen zwischen Fiktion und Realität unterscheiden.

Wann flüchten Menschen in den Eskapismus und kann starker Medienkonsum diesen fördern?
Die Wirklichkeit bzw. Realitätsflucht lädt den Menschen ein, Probleme zu vergessen und sich zu entspannen. Es gibt unterschiedliche Arten des Eskapismus. Die einen gehen joggen, die anderen sehen stundelang fern. Jeder entwickelt seine eigene Art mit den Medieninhalten umzugehen.

Können Gewaltdarstellungen in gewisser Weise auch abschreckend wirken?
Ja können sie. Die sogenannte Prohibitionsthese besagt, dass Gewalt in einer bestimmten Form durchaus abschreckend wirken kann. Es führt also nicht immer gleich dazu, dass Personen Gewalt imitieren. Vor medialer Gewalt kann man sich auch leichter distanzieren als von realer Gewalt.

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