FM4: Raus aus der Gut-und-Böse-Blase

FM4: Raus aus der Gut-und-Böse-Blase
Diesen Jänner feiert FM4 seinen 17. Geburtstag. Ein fades Alter, findet Senderchefin Monika Eigensperger.

Ich fürchte mich jedes Jahr zu Tode, was die Wetterprognosen betrifft", sagt Monika Eigensperger. Mit gutem Grund: Das heurige FM4-Geburtstagsfest, traditionell eine Open-Air-Veranstaltung, fand bei Schneeregen statt. Im Interview spricht die Senderchefin über Jugend, Meinungsvielfalt und das Verhältnis zu Ö3.

KURIER: FM4 wurde 17. Ist das alt oder jung für einen Jugendsender?
Monika Eigensperger: Mit der Frage kann ich nicht viel anfangen. Das jung und alt ist im Kopf. Ich finde, 17 ist ein uninteressantes Alter. Man ist schon länger Teenager und noch nicht volljährig.

Wie alt sind Hörer von FM4? 17?
FM4 war nie ein Teenagersender. In der Oberstufe beginnen die Ersten, uns zu entdecken, in der Studentenschaft sind wir sehr präsent. Wir sehen uns auch nicht als Begleitmedium, sondern handeln anspruchsvolle, manchmal anstrengende Dinge ab.

Beim letzten Radiotest hat FM4 ein Prozent verloren.
Wir bewegen uns innerhalb einer natürlichen Schwankungsbreite, sind in den letzten zehn Jahren aber stabil geblieben. 93 Prozent unserer Hörer befinden sich täglich im Internet. In dieser sehr flexiblen Zielgruppe stabil zu bleiben, ist ein zufriedenstellender Wert.

In den letzten 17 Jahren hat sich medial viel getan, junge Menschen wachsen heuer ganz anders auf als Mitte der 90er. Stellt das einen Sender wie FM4 vor besondere Herausforderungen?
Absolut. Wir wollten nie ein Einwegradio sein, dem die Leute gefälligst zuhören sollen. In unserer überdurchschnittlich gebildeteten und flexiblen Zielgruppe reicht es nicht, hinaus zu senden. Sondern es ist wichtig, für etwas zu stehen, und diese Inhalte auch dort zu platzieren, wo sich interessierte Menschen bewegen. Das ist natürlich das Netz. Das ist Social Media, wo es für den ORF starke Einschränkungen gibt, die ich für extrem problematisch halte.

Die Mitarbeiter von FM4 sind, schätze ich, zwischen 18 und 50. Gibt es einen Generationenkonflikt?
FM4 war immer ein sehr diskussionsfreudiger Sender. Ich glaube, dass alle Mitarbeiter eine ähnliche Grundhaltung haben, was gewisse aufklärerische Ideale und journalistische Sorgfalt betrifft. Aber über kulturelle Phänomene oder die Musikauswahl gibt es verschiedene Meinungen. Auf unserer Website wird über vieles heftig diskutiert. Ich finde das gut.

Hat es diese Meinungsvielfalt immer schon gegeben oder hat die sich entwickelt?
Das war grundsätzlich immer schon so. Wenn man eine Haltung vertritt, die nicht massenkompatibel ist, dann regt sich mitunter Widerstand. Auch da draußen. Und dann kann man sagen – FM4 ist jetzt auf diesem Trip. Auch wenn das im Detail gar nicht stimmt. Ich sag oft: wenn ich fünf Menschen bei FM4 etwas frage, bekomme ich sieben Antworten. Ich habe das Gefühl, dass überhaupt eine neuere, andere Diskussionskultur entsteht. Auch aufgrund der neuen Möglichkeiten der Interaktion, ob das jetzt Facebook oder Twitter ist. Und ich glaube, dass das über die Zeit auch das Denken verändern. Es geht nicht um`s Recht haben, es geht um das Abwägen von Argumenten. Und das passiert vielleicht wieder stärker als in den Jahren davor, als man so eingehüllt war in eine Gut- und Böse-Blase, in der man sich wohlfühlen konnte, ohne zu reflektieren, ob der eigene Standpunkt wirklich richtig oder nur bequem ist.

FM4 hat in der Zielgruppe eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Wo kommt die her?
Für mich ist diese Glaubwürdigkeit unser höchstes Gut. Dass man sich nicht verbiegt. Wir machen auch Fehler, aber wir bemühen uns drum. Wir versuchen Trüffelschweine zu sein, die wichtigen Dinge zu entdecken und eine Plattform dafür zu sein. Es widerzuspiegeln, aber auch zu hinterfragen. Das ist eine wichtige Funktion, die gerade ein öffentlich-rechtliches Medium bringen soll. Unserer Glaubwürdigkeit verpflichtet uns. Wir können nicht jeden Unfug mitmachen, weil der Preis zu hoch wäre. Das - im Sinne von Haltung - ist wahrscheinlich so ein Punkt, auf den sich die gesamte FM4-Mannschaft einigen könnte.

Es gibt in der öffentlichen Wahrnehmung einen starken Gegensatz zwischen FM4 und Ö3. Was sind die Vorteile dieser Aufstellung?
Ich meine, dass es ziemlich sinnlos wäre, zwei ähnliche Sender zu machen. Eine Radioflotte sollte so aufgestellt sein, dass sie sich nicht gegenseitig behindert, wenn sie gemeinsam fährt. Unsere Aufgabe war und ist, für die kultur- und informationsaffine, jüngere Zielgruppe ein spannendes Programm zu machen. Das versuchen wir.

Es gibt österreichische Bands, die sich zwischen dem Ö3-Profil und dem FM4-Profil aufgerieben fühlen.
Was soll ich dazu sagen. Die Trennung zwischen Kommerz und Nicht-Kommerz gibt es, seitdem es Popmusik gibt. Die Trennlinie war immer schon fließend, auch quer durch das Repertoire eines einzelnen Künstlers. Und die Fremd- und Selbsteinschätzung klafft nicht nur bei Musikern auseinander, sondern auch bei normalen Menschen wie mir. Wir fühlen uns musikalisch zuständig für, nein, ich will das Wort nicht verwenden.

Welches?
Bei unserer Gründung haben wir ein Wort erfunden, das mich verfolgt: Alternative Mainstream. Und das gibt`s überhaupt nicht, was soll denn das sein. Wir haben uns darauf geeinigt, damit wir nicht in jeder Diskussion immer wieder von vorne anfangen müssen. Gemeint haben wir damit zum Beispiel, dass uns Musik nicht als Ware, sondern als Kulturgut wichtig ist. Dass wir aber einen Interpret, den wir entdeckt haben, und der auf einmal zwei Millionen verkauft, nicht plötzlich fallen lassen. Also Mainstream im Sinne von: Etwa verkauft plötzlich viel, ist aber unser Stall. Die Linien sind fließend. Zu glauben, es gibt darüber bei FM4 eine Meinung, ist ein großer Irrtum.

Gibt es Nummern oder Künstler, die auf beiden Sender gespielt werden?
Wir tauschen nicht im täglichen Telefonkontakt unserer Playlists aus, aber wir versuchen uns schon abzugrenzen. In den wenigen Fällen, in denen es zu Überschneidungen kommt, haben wir den Song wahrscheinlich fünf Monate vor Ö3 gespielt. Und dann ist er für uns abgespielt. Von unserem Gesamtrepertoire betrifft das nicht einmal zehn Prozent.

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