Alien Hand Syndrome über Musik und Nerds

Alien Hand Syndrome über Musik und Nerds
Am Freitag präsentiert die Wiener Industrial-Band Alien Hand Syndrome ihr Debütalbum. Mastermind Clemens Engert im KURIER.at-Interview.

Alien Hand Syndrome ist ein neues interessantes Bandprojekt aus Wien und liefert auf dem ersten Album "The Sincere And The Cryptic" eine interessante Mischung aus Gothic und Industrial. Zebrechliche Klänge wechseln hier mit melancholischen Refrains und noisigen Riffs. Am Freitag präsentiert die Band ihr neues Album im Viper Room. KURIER.at hat mit Mastermind Clemens Engert über Musik, Ängste und den Kampf gegen sich selbst gesprochen.

Clemens Engert: Welche Menschen stehen hinter Alien Hand Syndrome?
Hinter dem Projekt "Alien Hand Syndrome" (kurz AHS) stehen ich und meine Live-Musiker Émile, Flo, Lucy und wechselnde Drummer, wobei Émile eine Sonderstellung in der Band hat, weil er auch am kreativen Prozess beteiligt ist und Songs mitschreibt.

Seit wann macht ihr gemeinsam Musik?
Gemeinsam seit diesem Sommer. AHS begann 2007 als mein Solo-Projekt. Émile stieß kurz danach zur Band, dann Flo und dann gab es ständige Line-Up-Wechsel bis wir jetzt glaub ich die richtige Mischung gefunden haben.

Alien Hand Syndrome über Musik und Nerds

Warum hast du die Band nach einer neurologischen Störung benannt? (Anm. Bei dieser Krankheit empfindet der Patient eine Hand als fremd und nicht zu seinem Körper gehörend. Diese Hand arbeitet häufig gegen die andere, oder im Extremfall versucht sie ihn zu erwürgen.
Das ist eher in einem psychologischen Sinne zu verstehen. So wie sich bei besagter Krankheit ein Körperteil (in diesem Fall die Hand) selbständig macht und gegen den eigenen Willen zu arbeiten scheint, kommt es auch auf der geistigen Ebene vor, dass man einen gewissen Teil seiner Psyche nicht kontrollieren kann (Gefühle der Entfremdung, Ängste, Depressionen etc.) und dieser Teil quasi den anderen Teil sabotiert. Ich glaube, dass das fast jeder schon einmal erlebt hat. Im Prinzip steckt dahinter nichts anderes, als der ewige Kampf gegen sich selbst. Dieses Motiv spiegelt sich auch sehr stark in meinen Texten wieder.

Wie würdest du die Musik beschreiben?
Dunkel, leidenschaftlich, fantasievoll, selbstmitleidig.

Euer erstes Album heißt "The Sincere and The Cryptic" - was steckt da dahinter?
Der Albumtitel "The Sincere and The Cryptic" bezieht sich quasi auf die textliche Ebene des Albums. Da gibt es eben den einen Teil der Texte, in denen ich ohne irgendwelche Umschweife mein Innerstes Preis gebe, meine Ängste, meine Schmerzen, meine Begierden - dabei versuche ich so aufrichtig ("sincere") wie möglich zu sein, weil diese Aufrichtigkeit auch dazu beiträgt, dass eine gewisse Linderung eintritt. Das kann man durchaus auch als eine Art Psychoanalyse an sich selbst sehen. Und auf der anderen Seite gibt es Texte, aus denen man beim ersten Zuhören vielleicht nicht schlau wird und die eher aus einer Art "Stream-of-Consciousness" (Anm. deutsch Bewusstseinsstrom) heraus entstehen. An der Oberfläche haben diese Texte etwas durchaus Rätselhaftes ("cryptic") an sich, doch wenn man sich näher damit beschäftigt, kommt man vielleicht drauf, wie die eine oder andere Zeile gemeint ist.

Welcher ist dein persönlicher Lieblingssong auf dem Album?
Hmmm, ich glaub da gibt es derzeit zwei. Zum einen ist da "A New Day", von dem ich immer schon geglaubt habe, dass es jener Song ist, der die Essenz von Alien Hand Syndrome momentan am besten auf den Punkt bringt. Und zum anderen ist es "Broomstick Jesus", weil dieser Song definitiv das Ehrlichste und Zerbrechlichste ist, was ich jemals geschrieben habe. Bei dem Song lege ich echt mein Herz auf den Tisch und alle Zuhörer können damit machen, was sie wollen: darauf herumtrampeln, es sezieren, verfluchen, eine Zigarette darauf ausdrücken, in kleinen Happen verzehren, was auch immer...

Was inspiriert dich zu deinen Songs?
99% der Inspiration zu meinen Songs entstammen mir selbst und meinem tiefsten Inneren. Ich habe eigentlich mittlerweile relativ wenige musikalische Einflüsse von außen, weil ich einfach kaum mehr selbst Musik höre. Bei mir stimmt das Klischee von dem Künstler, der sich jeder Musik außer seiner eigenen verweigert hundertprozentig. Erstens, weil es mich fertig macht, alles was ich höre mit meiner eigenen Musik vergleichen zu müssen. Zweitens hat mir das immer dabei geholfen, eine gewisse Eigenständigkeit in meine Musik zu bringen, weil man eben nicht ständig nachhört, wie andere Bands das so machen, sondern einfach dem eigenen Gefühl folgt. Also warum Musik hören, wenn man die Musik seiner Träume selbst machen kann? Man verpasst dabei natürlich auch jede Menge und irgendwie ist es schade, weil ich den 90er-Jahren total der Musik-Freak war, der alles hören musste. Aber ich habe für mich herausgefunden, dass das der richtige Weg ist.

Was mich jedoch sehr inspiriert sind Schriftsteller wie Kafka und Camus, Maler wie Francis Bacon und Hieronymus Bosch, die Fotografien meiner Internet-Freundin Kristamas Klousch (www.kristamas.net), die übrigens auch das Artwork zu unserem Album gestaltet hat, und Filme der düsteren Sorte.

Wie lange machst du schon Musik?
Schon ziemlich lange, eigentlich seit ich 14 bin. Ich habe auch vor AHS schon in zahlreichen Bands gespielt, aber die sind alle im Anfangsstadium gescheitert, was vor allem daran lag, dass ich aufgrund meiner damaligen Alkoholsucht einfach nichts Beständiges auf die Reihe brachte. Im Jahr 2007 hab ich schließlich einen Entzug gemacht und dann ist plötzlich diese ganze Kreativität, die in all den Jahren im Argen lag, wieder zurückgekommen. Das war dann der Startpunkt für AHS.

Worum geht es dir beim Musik machen?
Ich suche den direktesten emotionalen Draht zum Zuhörer. Mein Ziel ist, irgendwann einmal die leidenschaftlichste Musik der Welt zu machen. Das wird wahrscheinlich nie passieren, aber es ist trotzdem das, was mich musikalisch antreibt, mit jedem Konzert, mit jeder Aufnahme immer besser zu werden. Mir geht es nicht darum, in meinen Songs irgendwelche Geschichten zu erzählen. Der Zuhörer soll die Emotionen unmittelbar am eigenen Leib verspüren. Da braucht es keine Meta-Ebene.

"Leave Now And Never Come Back" heißt der erste Song der Platte. An wen oder was richtet sich diese Botschaft?
Ich hoffe, diese Frage beantworten zu können, ohne als größter Nerd der Welt dazustehen (lacht). Jedenfalls ist dieses Zitat dem Film "Herr der Ringe" (ich glaube, es ist der zweite Teil) entnommen, wo der gute "Smeagol" gegen sein böses, schizophrenes Ich "Gollum" einen inneren Kampf austrägt. Das alles ist sehr dramatisch dargestellt und am Ende besiegt Smeagol Gollum und schickt ihn mit den Worten "Leave now and never come back" weg. Ich empfand das als wunderschöne Parabel für den angesprochenen Kampf gegen sich selbst und seine Ängste und Unsicherheiten.

Am Freitag habt ihr euer erstes Konzert. Was erwartest du dir davon?
Naja, leider ist in der Vorbereitung zu dem Konzert nicht alles ganz optimal verlaufen - unser Drummer ist kurzfristig ausgestiegen und wir hatten Schwierigkeiten, einen guten Live-Mixer zu finden. Jetzt ist das allerdings alles behoben und ich freue mich schon auf den Abend und auf alle Menschen da draußen, die hoffentlich vorbei schauen.

Wer ist die geheimnisvolle Dame auf dem Flyer?
Die geheimnisvolle Dame auf dem Flyer und dem Booklet des Albums ist die oben angesprochene Kanadierin Kristamas Klousch, die ich mittlerweile eine gute Freundin nennen darf. Sie ist das Beste, was mir in künstlerischer Hinsicht jemals passiert ist und es wird auch in Zukunft Kollaborationen zwischen uns geben, auf die ich mich schon sehr freue.

Info

Album-Releaseparty: Freitag, 21.10.2011, 21 Uhr, Eintritt: 5 €
Wo? Viper Room, Landstraßer Hauptstr. 38. 1030 Wien
Wie? U3 Rochusgasse

"The Sincere & The Cryptic", VÖ 21.10.2011
Erhältlich auf CD und als Download.

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