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Wenn Gebäude zu Skulpturen werden

Die Karriere von Andreas und Gerda Maria Gerner startete mit einem Nein. Ihren ersten Auftrag, den Umbau eines Einfamilienhauses, lehnten sie ab. Eine mutige Entscheidung so ganz am Anfang. Doch es hätten zu viele Kompromisse gemacht werden müssen – so wollten beide ihre Selbstständigkeit nicht beginnen. Es war eine glückliche Fügung, dass die Bauherren die Entscheidung akzeptierten und das Duo trotzdem für einen weiteren Auftrag engagierten. Heute – siebzehn Jahre später – sind sie dem Grundgedanken, nicht immer sofort "Ja" zu sagen, treu geblieben. Trotzdem reicht das Portfolio heute mittlerweile von Einfamilienhäusern, Wohngeschoßbauten bis hin zu Weingütern. IMMO traf das kreative Paar in ihrem Büro in der Mariahilfer Straße zum Gespräch:

Sie gründeten Ihr Büro aufgrund eines Auftrags. Eine Ausgangsvoraussetzung, die sich viele Studienabsolventen wünschen. Wie kam es dazu?

Andreas Gerner: Der Drang, sich selbstständig zu machen, war für mich schon sehr groß. Wir hatten damals Glück mit unseren Auftraggebern. Sie hatten in uns Vertrauen, obwohl wir wenig Erfahrung hatten.

Würden Sie heute etwas anders machen?

Andreas Gerner: Die Architektur betreffend sicher nicht. Es war ein radikaler Ansatz. Entstanden ist eine technoide Architektur in Kombination mit industriell vorgefertigten Elementen – diesen Stil verfolgen wir immer noch. Wir würden aufgrund unserer Erfahrung nicht mehr so viel Zeit investieren.

Sie wollen Architektur nicht am Menschen vorbei gestalten. Was meinen Sie damit?

Andreas Gerner : Wünsche und Bedürfnisse müssen nicht nur angenommen, sondern auch berücksichtigt werden. Bei einem Wohnbauprojekt wurden wir darauf hingewiesen, dass sich Wohnungen im Erd- und Obergeschoß am besten verkaufen (vermieten), die Mittelzone hingegen schwerer vermittelbar ist. In genau diesem Bereich haben wir eine Freiterrasse mit einer Sauna und einem Fitnessraum eingeplant. Wir haben reagiert und es nicht ignoriert. Nur so kann gute Architektur funktionieren. Es geht nicht um das Verewigen, sondern um den Menschen.

 

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Ist die Teilnahme an Wettbewerben für Sie eher eine Pflicht oder eine Kür?

Andreas Gerner: Es ist absolut notwendig. Doch der Gewinn allein ist nicht entscheidend. Oft gewinnt man eine Ausschreibung und trotzdem wird das Projekt nicht umgesetzt. Das ist bitter. Ich vergleiche das gerne mit Strafzetteln. Es gibt Phasen, da erhält man fast jeden Tag einen. Und dann hat man wieder eine lange Zeit Ruhe. Dasselbe gilt für Wettbewerbe: Manchmal hat man einen guten Lauf und manchmal eben nicht. Mitzumachen ist spannend. Ich kann mich entladen und den Kopf freikriegen.

Gerda Maria Gerner: Mit dem intensiven Zeitpensum, ist meist auch ein hoher finanzieller Aufwand verbunden. Viele Büros müssen oft an Bewerben teilnehmen, um daraus wieder neue Aufträge zu akquirieren, da geht es dann auch um die Existenzsicherung. Für mich sind Wettbewerbe eine spannende Facette der Architektur.

Gibt es etwas, das Sie schon immer entwerfen wollten, aber bisher nie die Möglichkeit dazu bekommen haben?

Gerda Maria Gerner: Wir würden gerne einmal ein großes Stadion entwerfen.

Andreas Gerner: Und das Honorar dafür wäre lebenslanger Gratiseintritt für mich.

Der Wohnungsmarkt boomt. Sie selbst haben viele Wohngeschoßbauten entworfen. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in dieser Entwicklung?

Andreas Gerner: Das Miteinbeziehen von der Bevölkerung kommt in Wien zu kurz. Wenn ein Wett­bewerb in Salzburg eine gewisse Größenordnung erreicht, wird die Bevölkerung darüber sofort informiert. Dadurch entsteht eine konstruktive und spannende Interaktion mit der Umgebung. Schwierigkeiten können im Vorfeld bereits beseitigt werden. Für die Zukunft wird die Interaktion ausschlaggebend sein.

Gerda Maria Gerner: Für Großpro­jekte braucht man definitiv ein mediatives Instrument. Bei einer Interaktion findet gleichzeitig auch eine Identifikation statt, das steigert wiederum die Qualität eines Projektes. Es hat aber auch mit der Bildungspolitik zu tun. Architektur ist ein Teil der bildenden Künste und im Unterricht kommt das Thema so gut wie gar nicht vor. Menschen sollten mehr darauf sensibilisiert werden, dann erhalten sie einen ganz anderen Zugang dazu. Architektur hat bisher einen viel zu geringen Stellenwert.

Wohnungen müssen heute vor allem leistbar sein. Muss man sich um die Wohnqualität sorgen machen?

Andreas Gerner: Beim Wohnbau führt das tatsächlich zu einer Fehlentwicklung. Wohnungen werden immer kleiner, enger und damit einfach auch leistbarer. Menschlichkeit bleibt dabei auf der Strecke. Früher hatte eine klassische Dreizimmerwohnung eine Größe von etwa 85 , heute nur noch mehr durchschnittliche 70 . Es fehlt also ein ganzer Raum.

 

Wie geht man als Architekt mit diesem Kostendruck um?

Gerda Maria Gerner: Wir sprechen hauptsächlich vom geförderten Wohnbau und da bleibt einem fast nichts mehr übrig. Es wird immer schwieriger gute Grundrisse zu gestalten. Flexibilität ist in solchen Fällen die einzige Lösung. Viel mehr Einschränkung kann es wohl nicht mehr geben. Noch kleiner zu konzipieren, wäre unmöglich. Mit solchen Vorgaben können wir uns eigentlich gar nicht mehr identifizieren.

Andreas Gerner: Ich habe Verständnis dafür, dass Kosten reduziert werden müssen.Wenn man aber nur noch mehr Zimmer aneinanderreiht, ohne richtig darüber nachzudenken, dann ist das eine Fehlentwicklung. In ein paar Jahren fällt uns das auf den Kopf und dann wird es kostenintensiv.

Gerda Maria Gerner: Falls sich die Situation erholt, werden wir enorme Leerstände haben, weil diese Wohnungen nicht vermittelbar sind.

Wie beurteilen Sie die österreichische Architektur?

Andreas Gerner: Wir haben eine enorme Dichte an guten Büros und viele engagierte Kreative. Das Einzige was uns allen im Weg steht ist die Strenge bei den Bauverordnungen. Vergleicht man das mit anderen Ländern, ist es erschreckend. Wir haben Potenzial, doch bei uns ist vieles einfach nicht möglich. Wir haben vor Längerem mit anderen Architekturbüros eine Studienreise nach Kopenhagen gemacht. Beim Spaziergang durch die Stadt, haben wir uns alle dabei ertappt wie wir bei fast jedem Gebäude automatisch angemerkt haben, was wir in Österreich so nicht durchführen könnten.

Gerda Maria Gerner: Uns fehlt das Verständnis dafür, weil wir oft anhand von Beispielen in anderen Ländern sehen, dass es durchaus funktionieren kann.

Andreas Gerner: Dadurch wird der Raster für Kreativität einfach immer kleiner und darunter leidet die heimische Architektur.

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Andreas und Gerda Maria Gerner gründeten nach ihrem Studium der Architektur an der TU Wien 1996 gemeinsam ihr Büro. Sie erhielten zahlreiche Preise, zuletzt die Auszeichnung im Rahmen des Architekturpreis Burgenland für das Einfamilienhaus "pöt".

Das Portfolio des Büros reicht von Städtebau über Wohn- und Industriebau bis zum Möbel- und Produktdesign im In- und Ausland. Aktuell in Realisierung sind unter anderem ein Wohn- und Pflegezentrum in Graz und die Neukonzeption der Karlsplatz- und Opernpassage als ARGE Kulturpassage Karlsplatz.

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