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Vorbildfunktion in nachhaltiger Baukultur

Planlos in die Landschaft gebaute Einfamilienhäuser, ausgestorbene Marktplätze, zig Lebensmitteldiskonter an Schnellstraßen und ausufernde Ortsrandsiedlungen – so sieht es leider in vielen ländlichen Gemeinden Österreichs aus. Zum Glück aber geht es auch anders. Immer mehr Ortschaften setzen sich bewusst mit ihrer Baukultur auseinander. Wer gebaute Tradition und Moderne behutsam kombiniert, profitiert von einem guten Image sowie von einer hohen Lebensqualität und der Identifikation der Bürger mit dem Ort.

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Viele Versuchen , das schönste Gebäude zu finden“, sagt Roland Gruber, Mitbegründer von LandLuft. „Rund 85 verschiedene Architekturpreise gibt es in Österreich. Nahezu alle beschäftigen sich mit gebauten Objekten. Ob es um den Einsatz von Aluminium oder um das energieeffizienteste Gebäude geht – es wird immer nur ein Bauwerke beurteilt“, so Gruber. „Die Baukultur, die dahintersteht, wird hingegen kaum wahrgenommen.“ Während Architektur das gebaute Gebäude meint, versteht man unter Baukultur die gebaute Umwelt. Brücken und Wege, Gartenzäune und Spielplätze, Schnellstraßen und öffentliche Verkehrsmittel – kurz: die gesamte Raumordnung zählt dazu. „Wir reflektieren das gesamte bauliche Schaffen einer Gemeinde, nicht nur ein, zwei zeitgemäße Gebäude“, sagt Gruber. Es wird auf eine moderne Bauweise geachtet. Aber neben der Ästhetik zählen auch ökonomische und ökologische Kriterien.

Entscheidend ist nicht nur, welches Gebäude wo und wie gebaut wird. Sondern auch, wer darüber entscheidet. Gruber: „Üblicherweise reicht der Bauherr seine Pläne bei der Gemeinde ein, der Bauamtsleiter segnet sie ab und der Bürgermeister gibt noch seinen Senf dazu. Im Einzelfall kann dabei durchaus Spannendes entstehen. Es gibt aber auch andere Modelle im Genehmigungsprozess, die meist eine höhere Qualität erreichen. Eines davon ist die Beratung vor dem Planungsprozess. Der Häuslbauer tritt in Dialog mit der Gemeinde, erfährt über das Leitbild und die Ziele und kann verstehen, warum etwas genehmigt wird oder nicht. Eine zweite Möglichkeit ist ein Beirat. Vor allem in Vorarlberg gibt es in vielen Gemeinden ein beratendes Gremium der Bauinstanz. In Gesprächen wird versucht, die richtige Antwort für das Grundstück zu finden. Baukultur ist auch Kommunikationskultur.“

Ein Gemeinsames Merkmal der Gemeinden sind zeitgenössische Neubauten unter Einbeziehung der Altbestände. In Neckenmarkt im Mittelburgenland etwa werden unter aktiver Beteiligung der Bürger Fassaden saniert und moderne Weingüter errichtet. In Klaus in Vorarlberg wird ein Bach renaturalisiert und eine zeitgemäße Schule gebaut. In Waidhofen an der Ybbs wurde die Innenstadt neu gepflastert; zahlreiche Schanigärten beleben den Ortskern. Das Rothschildschloss bietet Raum für ein Lokal, Veranstaltungen, Konzerte, das Sommerkino und eine Bibliothek. In Hopfgarten etwa, eine der drei Preisträger-Gemeinden, ist ein Kulturzentrum entstanden. Der Ort in Osttirol gewinnt dadurch längst abgewanderte Einrichtungen wie einen Laden, ein Café und eine Galerie zurück. Die Vorarlberger Gemeinde Lauterach, ebenfalls unter den Top Drei, hat ein Biomasseheizkraftwerk errichtet, das die Abwärme des Gewerbegebietes nutzt. Ottensheim bei Linz hat ein neues Amtshaus erhalten, das in einen Altbau integriert ist. Außerdem wurde in die Sanierung der Mittelschule samt Bibliothek investiert. Darüber hinaus ist die Gemeinde bemüht, leer stehende Gebäude im Ortszentrum wieder zu beleben. Bis etwa klar ist, was mit dem alten Amtshaus passiert, wird es von den Bürgern genutzt: Ein „Kostnix-Laden“, eine Fahrrad-Reparaturwerkstätte und eine Radiostation sind derzeit darin untergebracht.

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„Die Bürger werden in den Planungsprozess eingebunden. Bei öffentlichen Gebäuden geht es immer darum, dass sie von der Bevölkerung mitgetragen werden."

- Josef Mathis, Bürgermeister Zwischenwasser

Typisch für all die genannten Gemeinden ist eine hohe Bürgerbeteiligung. Die Vorarlberger Kommune Zwischenwasser, Hauptpreisträger im Jahr 2009, liefert mit der Friedhofserweiterung ein konkretes Beispiel. Eine Urnenmauer und eine Verabschiedungshalle sollten in Stampflehmbauweise errichtet werden. Realisieren ließ sich der Bau nur unter großer Bürgerbeteiligung. Jede Lehmschicht musste händisch aufgetragen werden. Bürgermeister Josef Mathis: „Bei öffentlichen Gebäude geht es darum, dass sie von der Bevölkerung mitgetragen werden. Die Bürger wurden daher schon in den Planungsprozess eingebunden.“ Bis 2015 wird nun eine Wanderausstellung durch 30 Orte touren. Eine Fotodokumentation zeigt die Projekte der Gemeinden und die Menschen dahinter. Sie soll andere dazu ermuntern, ihre Umwelt behutsam mitzugestalten. Denn jede Veränderung – vom Gartenzaun bis zum Fensterladen – bringt etwas Neues und bestimmt das Aussehen eines Ortes.

Ottensheim ist unter den Preisträgern 2012. Was zeichnet die Baukultur in Ihrer Gemeinde aus?

In Ottensheim ist Baukultur seit Anfang der 1980er-Jahre Thema. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Bauordnung und streben eine flächendeckende Baulandvermittlung an. Vor allem zwei Projekte haben uns dazu bewogen, teilzunehmen. Zum einen der „Masterplan B127“: Ottensheim wird durch eine Schnellstraße getrennt, entlang der wir eine Besiedelung mit Handelsketten vermeiden wollen. Außerdem haben wir uns intensiv mit dem Ortskern beschäftigt. Der Leerstand ist groß und wir versuchen den Eigentümern bewusst zu machen, dass es einer Substanz schadet, wenn sie ungenutzt ist. Weitere Projekte, die wir eingereicht haben, sind der Umbau der neuen Mittelschule und das neue Amtshaus.

Welche Rolle kommt der Bevölkerung zu und wie wird sie eingebunden?

Wir haben Arbeitskreise, Stammtische und Exkursionen veranstaltet. Um die Leerstände im Ortskern zu reduzieren haben wir etwa Workshops organisiert und mit den Besitzern erarbeitet, welche neuen Nutzungen – ob temporär oder dauerhaft – sich anbieten würden. Anhand von Beispielprojekten haben wir erörtert, welche Probleme alte Häuser haben. Die Dämmung und der Denkmalschutz stellen eine enorme Hürde dar.

Während an den Rändern gebaut wird und die Speckgürtel wachsen, sterben die Ortszentren aus. Was kann Baukultur dagegen tun?

Die Zersiedelung, die in Oberösterreich in den letzten 40 Jahren geschehen ist, kann man nicht rückgängig machen. Aber sie kann durch eine neue Raumordnung eingedämmt werden. Das bedeutet: Die Leerstände im Ortskern verdichten und wieder besiedeln.

Sie sind seit fast zehn Jahren im Amt. Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Ottensheim?

Menschen, die sich mit den Themen des Gemeinwohls auseinandersetzen. Es sollte mehr Idealismus als Individualismus geben. Von der Bevölkerung wünsche ich mir mehr Verständnis, warum nicht alles gemacht werden kann und warum nicht überall ein Häuschen hingestellt werden kann. Es geht darum, den nachfolgenden Generationen noch ein Fleckchen Land zu lassen.